03.02.2008   Deutsch English

  Rundbrief Nummer 73  
San Francisco, den 03.02.2008


Abbildung [1]: Der Perlman-Nachfolger "Rakete"

Michael Wie kauft man in den USA einen Gebrauchtwagen von einer Privatperson? Wir haben vor einigen Monaten einen PERLMAN-Nachfolger gekauft und können euch heute von unseren Erfahrungen berichten.

Was für ein Auto soll es sein? Ich empfehle japanische Autos der Marken Honda und Toyota. In Amerika verkauft Honda die teureren Modelle übrigens unter dem Namen "Acura" und Toyota präsentiert sie als "Lexus". Beides sind hervorragende Marken, die ich euch wärmstens ans Herz lege, falls ihr langlebige, gut ausgestattete und absolut zuverlässige Luxuskarossen braucht.

Jawohl, ich bin ja kein Freund deutscher Autos. Die sind überteuert, werden vom "Consumer Reports" (der amerikanischen "Stiftung Warentest") als unzuverlässig eingestuft und weisen neuerdings schwerwiegende Fertigungsmängel auf. Einer meiner Arbeitskollegen hatte sich einen S-Klasse-Mercedes gekauft und nach einigen Jahren war der Kofferraum durchgerostet. In Kalifornien, ohne Schnee, das muss man sich mal vorstellen! Ein anderer Kollege musste einen neuen Porsche Boxster nach vier Wochen mit kaputtem Motor in die Werkstatt geben. Für derlei Schluderwerk habe ich kein Verständnis. Nachdem unser 91er Acura Integra in die Jahre gekommen war, haben wir uns deshalb vor kurzem einen 98er Acura Integra gekauft. Fast 10 Jahre alt, 100.000 Meilen auf dem Tacho, aber läuft wie die Hölle mit seinen 170 PS. Und den PERLMAN haben wir schließlich auch gekauft, als er 7 war und ihn 10 Jahre lang ohne nennenswerte Probleme gefahren!

Zunächst einmal muss man mit dem Verkäufer einen Preis aushandeln. Den gängigen Wert für einen Gebrauchtwagen listet das "Kelly Blue Book", das auf dem Web unter kbb.com kostenlos verfügbar ist. Man gibt dort die Marke, das Modell und den Jahrgang ein und fügt außerdem Extras wie Schiebedach oder Klimaanlage hinzu. In Amerika fährt man zu 90% Automatik, Gangschaltung ist weniger gefragt. Jeder der richtig Auto fahren kann, also nur etwa 10% der Amerikaner, fährt allerdings Autos mit Gangschaltung.

Der Zustand des Fahrzeugs ist entweder "Excellent", "Good", "Fair" oder "Poor", je nach dem, wie verbeult der Karren dasteht und welche Macken er hat. Man unterscheidet weiterhin zwischen "Trade-in Value" (was der Händler herausrückt, wenn man den alten Wagen in Zahlung gibt), dem "Private Party Value" (dem Preis, den man als Privatmann verlangen kann) und dem "Suggested Retail Value" (den Preis, den Gebrauchtwagenhändler verlangen).

Abbildung [2]: Das "Certificate of Title" eines Kraftfahrzeugs.

Um herauszufinden, ob das Auto in Unfälle verwickelt war, Abgasuntersuchungen nicht bestanden hat, irgendwann gestohlen wurde, häufig gekauft/verkauft wurde, oder sonstige Irrwege beschritten hat, bietet die Firma "Carfax" einen Auskunftsdienst auf dem Internet an. Man bezahlt $29.95 und kann dann einen Monat lang beliebig viele Kraftfahrzeuge anhand ihrer VIN ("Vehicle Identification Number", Kraftfahrzeugnummer) untersuchen. Nicht schlecht, aber auch nicht fehlerfrei, denn Carfax wusste zum Beispiel nicht, dass unser PERLMAN schon einmal einen Unfall hatte (Rundbrief 09/2001).

Nach Abschluss der Preisverhandlungen füllt man eine "Bill of Sale" aus, ein Formular, das man als PDF von der kalifornischen Kraftfahrzeugbehörde DMV herunterladen kann. Es ist nur eine halbe Seite lang und man trägt nur die Namen und Adressen von Verkäufer und Käufer ein, den Kaufpreis und die VIN. Der Verkäufer unterschreibt. Um Haftung auszuschließen, sollte man ein Dokument aufsetzen, das den Satz "Sold 'As-Is' without Warranty" ("Verkauft wie besichtigt, ohne Gewährleistung") enthält.

Der Käufer bezahlt dann. Aber wie? Ein paar tausend Dollar trägt man nicht einfach so in der Tasche rum, außerdem hat jeder Angst vor Falschgeld, weil Dollarscheine nur wenig Sicherheitsmerkmale führen. Außerdem hinterlässt Bargeld keine nachweisbaren Spuren im Bankgewerbe und der Nachweis, wieviel Geld tatsächlich den Besitzer gewechselt hat, ist hinterher fast unmöglich, sollte es zu Streitereien kommen.

Amerikanische Schecks über größere Beträge nimmt niemand an, der einigermaßen bei Verstand ist. Sie sind oft nicht gedeckt und "bouncen" (platzen), was heißt, dass der Empfänger einfach das Geld nicht ausgezahlt bekommt. Selbst wenn alles gut geht, dauert es oft bis zu einer Woche, bis ein Scheck "cleared" also das Geld aus der Transaktion auf dem Empfängerkonto eintrudelt. Meist kommt das Geld schon früher an, aber man darf es nicht abheben, weil die Transaktion noch nicht bestätigt ist. Haarsträubend.

Abbildung [3]: Ein Cashier's Check.

Für Autokäufe nutzt man deswegen sogenannte "Cashier's Checks" (Kassierer-Schecks). Der Käufer geht zur Bank (die hier in den USA auch am Samstag auf hat), verlangt vom Kassierer einen Cashier's Check über den ausgehandelten Autopreis und lässt ihn auf den Namen des Empfängers (!) ausstellen. Der auf dem Scheck stehende Betrag geht dann sofort vom Konto des Käufers ab. So ist sichergestellt, dass der Scheck nicht platzt. Der Scheck wird übrigens nicht vom Käufer, sondern vom Kassierer unterzeichnet. Beim Kauf händigt der Käufer dem Verkäufer den Cashier's Check aus, worauf der Verkäufer ihn bei seiner Bank einzahlt. Verlieren sollte man den Scheck nicht, er lässt sich nicht so einfach sperren. Es gab auch schon Betrugsfälle mit gefälschten Cashier's Checks, sodass der Verkäufer den Käufer manchmal bittet, mit ihm zur Bank zu gehen um den Scheck einzuzahlen. So flöge ein etwaiger Schmuh gleich auf.

Damit ein Auto rechtlich den Besitzer wechselt, muss der Verkäufer auf dem "Certificate of Title" genannten Kraftfahrzeugschein (Abbildung 2) zweimal unterschreiben. Einmal zur Freigabe des Autos ("the signature below releases interest in the vehicle") und einmal zur Bestätigung des angegebenen Kilometerstands. Daneben unterschreibt auch der Käufer, damit bewiesen ist, dass beide wissen, wie weit die Mühle schon gelaufen ist. Der "Certificate of Title" war früher rosa und wurde "Pink Slip" genannt. Nicht zu verwechseln übrigens mit der ebenfalls "Pink Slip" genannten Entlassungsnotiz für Arbeiter, die ebenfalls auf rosa Papier gedruckt wurde. "To get the pink slip" bedeutet in Amerika "entlassen werden". Aber ich schweife ab.

Später war auf dem KFZ-Schein eine zeitlang ein buntes Farbengemisch zu sehen und man nannte ihn "Rainbow Title". Heutzutage ist er wieder rosa mit blauem Rand, meist sagt man nur "Title" dazu. Ganz unten ist nochmal ein Unterschriftsfeld für einen "Lienholder", aber das ist nur relevant, falls das Auto gar nicht dem Verkäufer gehört, sondern der Bank, z.B. weil es finanziert wurde. Sonst bleibt dieses Feld einfach leer.

Der "Title" geht dann in den Besitz des Käufers über, nachdem der Verkäufer den oberen Teil mit den roten Kästchen abgetrennt hat. Dieses Formular füllt der Verkäufer aus und schickt es per Post an die Kraftfahrzeugbehörde DMV, damit diese von der Transaktion erfährt. Das ist wichtig, denn die Verantwortung für das Fahrzeug (Unfälle, Strafzettel) geht damit vom Verkäufer auf den Käufer über.

Abbildung [4]: Die Rückseite des "Rainbow Title", die der Käufer ausfüllt, um das Auto anzumelden.

Verkauft eine Privatperson ein Auto, muss sie übrigens sicherstellen, dass ein Zertifikat über eine nicht länger als drei Monate zurückliegende bestandene Abgasuntersuchung ("Smog Test") vorliegt. Dem DMV liegen diese Daten elektronisch vor, schummeln ist unmöglich. Der Käufer hat ein Recht auf das entsprechende Zertifikat, muss dieses aber vom Verkäufer explizit verlangen.

Auf der Rückseite des KFZ-Scheins 4 trägt der Käufer seine Daten ein und geht damit zur DMV-Behörde. Dort zahlt er eine Ummeldegebühr (etwa $30) und eine "Use Tax" (Verbrauchssteuer) auf den Kaufpreis. Diese Steuer ist genauso hoch wie die Verkaufssteuer in Kalifornien (in San Francisco 8.5%). Kauft man ein Auto beim Händler, schlägt dieser ja bekanntlich die Verkaufssteuer drauf, aber nachdem der unersättliche Staat Kalifornien auch beim privaten Verkauf von Kraftfahrzeugen Zaster sehen will, treibt der DMV diesen ein. Das läppert sich: Bei einem Verkaufspreis von $5.000 zahlt man so $425 an die KFZ-Behörde, das schmerzt im Geldbeutel! Die Höhe des Verkaufspreises erfragen die DMV-Angestellten übrigens vom Käufer, schwindelt dieser und der Preis ist ganz und gar unangemessen, wird der im "Kellys's Blue Book" festgesetzte Wert des Autos herangezogen.

Der Verkäufer sollte übrigens darauf bestehen, dass der Käufer das Auto baldmöglichst anmeldet. Strafzettel gehen solange nämlich immer noch zum Verkäufer. Dieser haftet zwar nicht, muss aber dem DMV jedesmal umständlich erklären, dass der Wagen schon verkauft wurde und das oben erwähnte vom Verkäufer eingeschickte Formular ist ein wasserdichter Beweis. Der Käufer ist verpflichtet, das Auto innerhalb von 10 Tagen anzumelden, sonst hagelt's Strafen. Auch hier kommt es vor, dass der Verkäufer den Käufer bittet, mit ihm zum DMV zu gehen, damit der Verkäufer mit eigenen Augen sieht, dass sein Auto umgemeldet wird und die Transaktion damit abgeschlossen ist.

Der DMV behält den Title dann übrigens ein und schickt dem neuen Besitzer binnen zwei Wochen einen neuen zu. Auf diesem sind die Unterschriftenfelder dann wieder leer und der neue Besitzer kann das Auto später wieder nach dem gleichen Verfahren weiterverscherbeln.

Auch ist es üblich, das Auto von einer Autowerkstatt zum Preis von etwa $50 untersuchen zu lassen. Die Kosten trägt der potentielle Käufer. Ganz sicher kann man natürlich nie sein, dass man nicht über'n Tisch gezogen wird, deswegen empfehle ich, Geschäfte dieser Art am besten mit Arbeitskollegen abzuwickeln.

So ist die Hemmschwelle für Betrug relativ hoch, schließlich weiß jeder wo der andere arbeitet und kann gehörig Stunk machen, falls sich wider Erwarten Probleme einstellen. Ich habe das Auto einer Kollegin bei Yahoo abgekauft und alles lief wie am Schnürchen. Es war das Lieblingsauto ihres Mannes, aber nachdem sie kein Auto mit Gangschaltung fahren konnte, musste er es verkaufen!

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Letzte Änderung: 27-Apr-2019