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Michael In unserer Reihe "San Francisco Ansichten" besuchen wir heute das gefürchtete Doppelviertel "Bayview"/"Hunters Point". Es liegt so weit im Süden, dass sich dort nie ein Tourist hin verirrt, und das ist auch gut so. Alteingesessene Einwohner von San Francisco zucken zusammen, wenn sie nur den Namen des Viertels hören, würden dort unter keinen Umständen hineinfahren und raten jedem Neuankömmling dringend davon ab, sich der Gegend auch nur zu nähern.
Das Buch zu Bayview/Hunters Point (Abbildung 3) aus der bekannten Stadtteil-Reihe, die jedem Viertel San Franciscos einen eigenen Band widmet, zeigt allerdings nur olle Schwarzweiß-Fotos und schwelgt in vergangenen Zeiten, als Hunters Point noch eine relativ normale Arbeitergegend mit einer Schiffswerft war.
Nach dem 2. Weltkrieg wurde die Werft allerdings sofort dichtgemacht. Die größtenteils schwarzen Werftangestellten entließ man und brachte sie im Viertel in kasernenähnlichen Gebäuden des sozialen Wohnungsbaus unter. Über die Jahre verschlimmerten sich die Zustände dramatisch, und in den siebziger Jahren hatte sich ein regelrechtes Slum entwickelt, in dem rivalisierende Straßengangs ihr Unwesen trieben.
Die Dokumentation Straight out of Hunters Point gibt einen recht guten Einblick in die katastrophalen Verhältnisse dort. Es gibt zwar eine Handvoll engagierter Leute, die versuchen, das Viertel herumzureißen, aber es ist für die Bewohner nicht so leicht, dem Strudel aus Gewalt und Drogen zu entrinnen. Und nachdem in Amerika die Schulen eines Viertels hauptsächlich von den Anwohnern über Grundsteuern finanziert werden, sieht's in den Schulen von Hunters Point aus wie bei Hempels unterm Sofa. Die Kinder lernen nichts und die Eltern kümmern sich nicht drum -- die nächste Gangstergeneration ist vorprogrammiert. Im Musik-Video "Straight out of Hunters Point brüsten sich einige Gangsta-Rapper aus dem verlotterten Viertel mit ihren Schandtaten.
Obwohl heutzutage nicht mehr täglich Meldungen über Schießereien in Hunters Point in die Nachrichten kommen, kann man dort als Normalbürger praktisch nicht herumfahren. Der als Gefahrensucher bekannte Rundbriefreporter wagte sich natürlich dennoch mit Auto, Kamera und GPS hinein -- an einem Sonntagmorgen, an dem die schlimmsten Gauner ja bekanntlich noch schlafen. Einige waren dennoch da und schauten etwas verduzt. Ein Auto mit zwei finster dreinschauenden Gestalten drehte sogar um und folgte dem Reporterwagen, der aber seine Fotos schon gemacht hatte und mit Vollgas davonbrauste.
Das Phänomen total heruntergekommener Viertel hängt in den USA meist mit den sogenannten "Projects" zusammen. Bei diesem sozialen Wohnungsbau wurden früher einfach barackenartige Gebäude in solide Wohngegenden gestellt und mit sozialen Randgruppen bevölkert. Sehr zum Verdruss der ansässigen Bevölkerung, versteht sich, die den Wert ihrer Häuser in schwindelerregende Tiefen plumpsen sah. Die Stadtplaner hofften, dass sich die Neuankömmlinge integrieren würden, stellten aber fest, dass die Häuser nach einigen Jahren total verkamen und die Kriminalitätsrate im Viertel steil nach oben ging.
Auch im Viertel "Portrero Hill" in San Francisco gibt es ein solches "Project", auch dort geht es noch heute ziemlich ab. Wer mit dem 48er Bus, dem von mir so getauften "Erlebnisbus" von der Caltrain-Station an der 22. Straße nach Noe Valley fährt, erlebt besonders abends das ein oder andere Abenteuer.
Heutzutage sind "Projects" meist kleinere Häuser, die architektonisch anspruchsvoller gebaut sind. An der Cesar-Chavez-Straße bei uns um die Ecke ist so eines, das einigermaßen okay zu laufen scheint -- wenigstens besser als vor zehn Jahren, als wir nach San Francisco zogen und man die Gegend dort "Todeszone" nannte. Die kleinere Bauform hat auch den Vorteil, dass sich die Bewohner etwas mehr mit ihren Häusern identifizieren und nicht alles nach dem Motto "eh scheißegal" verlottern lassen.
Und Hunters Point hat sogar einige schöne Ecken, in denen Anwohner sich engagieren und Zeichen gegen den tristen Project-Alltag setzen. Das Video "Hunters Point Heroes" stellt Leute vor, die kleine Projekte durchziehen (z.B. einen Schrebergarten anlegen), damit kleine Verbesserungen erzielen und gleich als Held des Alltags gefeiert werden. Amerika und sein Optimismus!
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