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Rundbrief
  Rundbrief Nummer 4  
San Francisco, den 23.08.97
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Rundbrief


Abbildung [1]: Angelika auf dem Flug nach Deutschland.

Hallo, ihr Lieben!

(Angelika) Nachdem ich nach meinem Deutschlandbesuch schon wieder seit vier Wochen in San Francisco bin, ist -- so glaube ich -- einmal wieder ein Rundbrief fällig. Bei uns hat sich wieder eine Menge ereignet. Es ist doch immer wieder erstaunlich, dass, trotzdem wir jetzt schon eine ganze Weile in San Francisco leben, viele Dinge immer noch neu für uns sind, andererseits nehmen wir bestimmte Dinge mittlerweile auch anders wahr, was ich immer merke, wenn ich mir die alten Rundbriefe durchlese.

Deutschland als Ausländer

Zurück zu meinem Deutschlandbesuch: Ich habe die vier Wochen in Deutschland sehr genossen und mich besonders darüber gefreut, dass ich so viele von euch sehen und sprechen konnte. Auch wenn meine Besuche bei vielen von euch nur kurze Stippvisiten waren und somit natürlich viel zu kurz. Diejenigen, die ich nicht geschafft habe, zu besuchen, mögen bitte nachsichtig mit mir sein; vier Wochen sind eben nur eine begrenzte Zeit.

Viele von euch haben mir in Deutschland immer wieder diese zwei Fragen gestellt: a) Kannst Du noch deutsch? b) Erlebst Du Deutschland jetzt anders?

Ich glaube Frage a) brauche ich gar nicht richtig zu beantworten, wer mich reden gehört hat, weiß, dass ich genauso viel wie vorher quassele. Ich glaube, dass mir das in der deutschen Sprache nach wie vor perfekt gelingt (Der Korrekturleser: "Bescheidenheit, Bescheidenheit ..."). Vielleicht hätte sich so manch einer von euch gewünscht, dass mich die Zweisprachigkeit etwas verschwiegener machen würde, da muss ich leider passen und ich glaube, diesbezüglich braucht ihr euch keine Hoffnungen zu machen.

Die zweite Frage ist schon etwas schwieriger zu beantworten. Mit Deutschland verbinde ich in erster Linie ganz viel Vertrautes: meine Familie, gute Freunde, viele vertraute, wunderschöne Orte. Dies hat sich natürlich überhaupt nicht verändert, auf der anderen Seite sind mir schon einige Dinge negativ aufgestoßen, die ich sonst vielleicht nicht so wahr genommen hätte. Das Problem ist natürlich, wenn man über die Deutschen oder Deutschland schreibt, muss man immer pauschalisieren; das lässt sich einfach nicht vermeiden und wie ihr alle wisst, gibt es nicht den Deutschen oder den Amerikaner und Ausnahmen bestätigen bekanntlich die Regel. Und doch sind bestimmte Charakterzüge der einen oder anderen Nation stärker zuzuschreiben. Zunächst ist mir aufgefallen, dass die Deutschen ein Volk von Nörglern und Pessimisten sind (wobei ich mich zumindest bei den zuletzt genannten durchaus mit einschließen würde). Das habe ich gleich beim Umsteigen in Atlanta gemerkt. Das Flugzeug war ungefähr zur Hälfte mit Amerikanern und deutschen Urlaubern besetzt. Da Atlanta bekanntlich einer der größten Flughäfen der USA ist und somit relativ viel Flugverkehr hat, standen wir beim Starten auf Warteplatz 46, was hieß, dass das Flugzeug mit einer Stunde Verspätung losgeflogen ist. Für mich war es nun sehr interessant, zu beobachten, wie unterschiedlich die Deutschen und Amerikaner mit dieser Situation umgegangen sind. Die Amerikaner saßen meist entspannt da und lasen, keiner schaute permanent auf seine Uhr oder regte sich sonst wie auf. Vor mir saßen hingegen vier Deutsche, ca. 25-jährig und gerade aus dem Urlaub kommend. Nicht nur, dass diese lauthals auf Deutsch (gut, dass die Amerikaner in der Regel kein Deutsch verstehen) über die Verspätung schimpften, so dass ich schon ganz peinlich berührt war, sondern alle zwei Minuten wurde auf die Uhr geschaut, gebracht hat das natürlich auch nicht viel. Später bestellten sich diese besagten Deutschen nicht nur ein Bier, sondern bestanden darauf, dass die Stewardess jedem von ihnen gleich zwei brachte. Peinlich!!!! Kein Wunder, dass jeder Amerikaner denkt, dass jeder Deutsche mit dem Bierfass geboren wird. ihr werdet jetzt natürlich einwenden, dass diese Deutschen die berühmten Ausnahmen waren, aber ich muss sagen, dass mich die Nörgelei auch weiterhin verfolgt hat. Der Tenor war allerortens, dass es Deutschland so schlecht wie noch nie geht, da wurden richtige Horrorszenarien beschrieben (und ich meine jetzt nicht nur in den Medien).

Ich möchte jetzt auf keinen Fall falsch verstanden werden. Natürlich gibt es in Deutschland -- wie überall -- ernsthafte Probleme, die unbedingt bald in Angriff genommen werden müssten, damit sich keine größere Krise anbahnt. Unter ernsthaften Problemen verstehe ich aber nicht, sich erbittert über eine Rechtschreibreform zu streiten und mit dieser Thematik Gerichte zu beschäftigen. Allerdings sei hier fairerweise angefügt, dass der Amerikaner auch gern wegen jeder Bagatelle vor's Gericht zieht. Das ist aber wieder ein ganz anderes Thema, was ich lieber ein anderer Mal abhandeln möchte. Zurück zur deutschen Rechtschreibreform: Ich bekenne, ich bin für eine Rechtschreibreform und wäre für viel radikalere Veränderungen gewesen. Das halte ich mittlerweile übrigens auch für eine deutsche Spezialität: Sich an unwichtigen Dingen festklammern und nicht einen Millimeter bereit sein, richtige, notwendige Veränderungen anzustreben. Da erinnert man sich plötzlich wieder daran, dass man ja schließlich das Volk von Goethe und Schiller ist, wobei deren Sprache dann ja vielleicht doch auch etwas anders ausgesehen hat.

Wenn man mit etwas Abstand die Diskussion um die Rechtschreibreform verfolgt, fragt man sich echt, ob Deutschland zur Zeit nicht andere Probleme hat. Ich denke da z.B. an die hohe Arbeitslosenquote, die immer stärkere Armut, den gefährdeten Sozialstaat usw. Damit müsste man sich meiner Meinung nach dringend auseinandersetzen.

Sozialleistungen im Vergleich

Ich habe bei meinem Deutschlandbesuch immer wieder zu hören bekommen, dass in Deutschland bezüglich der sozialen Absicherungen sowieso bald amerikanische Zustände herrschen würden. Freunde, diesbezüglich muss ich heftigst widersprechen und ich hoffe inständig, dass in Deutschland nie solche Zustände wie hier herrschen werden. Da ist zum Beispiel das leidige Thema Krankenversicherung. Erstens sind ca. 40 Millionen Amerikaner gar nicht versichert und da ja das gesamte Versicherungswesen hier in privater Hand ist, kommt es vor, dass z.B. Leistungen für Aidskranke nicht übernommen werden, weil deren Behandlung zu kostenintensiv ist oder bei einem Versicherungswechsel, der meist automatisch mit dem Wechsel des Arbeitsplatzes verbunden ist, jede Erkrankung oder auch Schwangerschaft, die ein halbes Jahr vor dem Versicherungswechsel existiert, von der neuen Versicherung bis zu einem Jahr nicht übernommen wird. Chronisch Kranke sind in so einem System echt verloren. Außerdem habe ich gelesen, dass eine amerikanische Krankenversicherung die Kosten für ein behindertes Kind nicht übernommen hat, weil die Eltern vorher wussten, dass sie mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 % ein behindertes Kind kriegen würden. Und ich möchte noch einmal betonen, dass dies keine Einzelfälle sind. Aber man braucht gar nicht so weit ausholen. Auch wenn man hier krankenversichert ist, kann es passieren, dass die Krankenversicherung nicht das volle Arzthonorar bezahlt, weil es der Versicherung zu hoch erscheint. Und in diesen Fällen ist letztendlich immer der Patient der Dumme, d.h. er muss die Differenz zahlen. Genau aus diesem Grund gibt es immer mehr das sogenannte "managed care", d.h. man darf nur zu bestimmten Ärzten gehen, die Verträge mit der Versicherung haben. In diesen Verträgen wurde festgelegt, dass die Ärzte nur ein bestimmtes Honorar für eine bestimmte Leistung nehmen dürfen. Dann gibt es noch so Sachen wie Selbstbeteiligung oder Begrenzung der Leistungen auf 1 Million Dollar über das gesamte Leben des Patienten, d.h. ist die Million aufgebraucht, wird nicht mehr gezahlt und so eine Million kann unter Umständen schnell weg sein, wenn man schwer erkrankt. Und ich unterstreiche noch einmal, das sind in der Regel schon die besseren Konditionen. Ich denke, dass es in Deutschland da doch noch etwas anders zugeht. Nicht auszudenken, wenn man diese Diskussion noch auf die anderen Sozialleistungen in Amerika (z.B. Arbeitslosenversicherung, Rentenversicherung, Sozialhilfe, Urlaubsanspruch) ausweiten würde!

Um meinen Standpunkt noch einmal ganz klar zu machen: Ich halte es für extrem wichtig, dass die Sozialleistungen und das Solidaritätsprinzip in Deutschland erhalten bleiben, d.h. jeder -- egal ob Sozialhilfeempfänger, Bankdirektor oder Angestellter bei Siemens; schwarz, weiß oder grüngestreift -- ist krankenversichert und bekommt dieselben Leistungen und hat Anspruch auf Sozialleistungen, wenn es ihm schlecht geht. Und ich bin gerne bereit, mehr zu zahlen, wenn es mir gut geht, wenn ich die Sicherheit habe, dass ich nicht total fallen gelassen werde, sollte ich selbst in eine Notsituation kommen.

Ich merke gerade, dass ich mich jetzt doch wieder länger über dieses Thema ausgelassen habe, aber es beschäftigt mich einfach immer wieder. Wer übrigens ein gutes Buch zum Thema "Deutschland" lesen möchte, sollte sich das Buch von der ehemaligen ARD-Korrespondentin Gabriele Krone-Schmalz "Jetzt mal ehrlich! -- Gedanken über Deutschland" zu Gemüte führen. Krone-Schmalz hat das Buch nach ihrer Rückkehr aus Russland geschrieben und ihr sind dabei ganz ähnliche Sachen wie mir aufgefallen.

Nörgelei und Pessimusmus

Um noch einmal auf die Nörgelei und den Pessimusmus zurückzukommen: Der Amerikaner ist da vielleicht das andere Extrem, nämlich der ewige, fast schon unrealistische Optimist. Der glaubt nämlich unerschütterlich daran, dass man alles schaffen kann, wenn man nur will. Hier wird immer noch der Traum "vom Tellerwäscher zum Millionär" gelebt. Selbst der Obdachlose auf der Straße oder der Schwarze, der im schlechtesten Viertel der Stadt lebt, in dem Bandenkriege, Gewalt und Drogen das tägliche Brot sind, vertritt noch diese Philosophie. Angesichts der Tatsache, dass viele Schwarze aber nie dieses Ghetto verlassen werden und nicht einmal einen Highschool-Abschluss haben, ist dies schon bittere Ironie. Meiner Meinung nach führt diese Einstellung auch dazu, dass jeder meint, er schaffe es alleine und es der Amerikaner es gar nicht gern hat, wenn bestimmte Sachen staatlicherseits reguliert werden (z.B. Einführen einer Krankenversicherungspflicht).

Nur noch eine Sache möchte ich bezüglich meines Deutschlandbesuches anführen. In einem sind die Amerikaner uns wirklich meilenweit voraus, nämlich in ihrer Freundlichkeit. Hierbei beziehe ich mich hauptsächlich auf den mitmenschlichen Umgang im Dienstleistungsgewerbe, aber auch auf den alltäglichen Umgang miteinander. Zugegeben: Es war vielleicht auch ein Kulturschock, nach München einzufliegen, wo es ja bekanntlich herzlich, aber auch ein wenig bayerisch derb zugeht. Also erfreue ich euch schnell mit einem Erlebnis aus der Weltstadt mit Herz. Bei meinem Domus-Besuch bat man mich, in einer Münchener Bäckerei für alle Domus-Kinder Brezeln und Semmeln zu kaufen, d.h. für eine Summe von ungefähr 50 DM. Die Verkäuferin händigte mir zwar die gewünschte Bestellung aus, bemerkte aber gleichzeitig bissig, dass ich das nächste Mal gefälligst bei so einer Menge einen Tag vorher bestellen sollte, schliesslich hätte sie ja jetzt kaum noch Ware für ihre Kunden, was zwar nicht stimmte, weil ich mich in einer Bäckerei befand, die ständig selber neue Semmeln und Brezeln aufbackt, aber sei's drum. So etwas wäre einem in Amerika nie passiert. Hier wäre man eher dankbar, dass ich soviel Geld in ein und demselben Laden ausgebe und selbst, wenn ich nur etwas für 50 Cent gekauft hätte und es das letzte Brötchen im Regal gewesen wäre, hätte man es mir in Amerika doch gerne verkauft. In Deutschland hatte ich hingegen oft das Gefühl, dass man als Kunde froh sein kann, wenn man überhaupt etwas bekommt. Hier kann man wirklich dem Verkäufer ein Loch in den Bauch fragen und 10 Paar Schuhe anprobieren, ohne etwas zu kaufen, oder die Jeans, die man gekauft hat, am nächsten Tag wortlos ohne Begründung zurückbringen, man wird immer noch mit einem Lächeln begrüßt und das Lächeln ist in der Regel nicht gekünstelt oder aufgesetzt.

Im Restaurant, beim Frisör, im Supermarkt -- überall stößt man auf die gleiche Freundlichkeit. Viele meinen allerdings, dass die Amerikaner im Dienstleistungsgewerbe nur so freundlich sind, weil sie auf das Trinkgeld bzw. die Verkaufsprovision angewiesen sind. Da mag ja etwas dran sein, ich glaube aber mittlerweile eher, dass es sich um eine Einstellungssache handelt. Man hat hier das Gefühl, verkaufen macht denen Spaß und der Kunde wird nicht als lästiges Übel betrachtet. Und selbst wenn die Freundlichkeit nur wegen des Trinkgeldes ist, ist mir das immer noch lieber als von einem Muffelkopf bedient zu werden.

Es gibt in Amerika übrigens einen Ort, an dem man auch hier die Freundlichkeit verzweifelt sucht, nämlich auf der Behörde. Das scheint allerdings ein weltweites Phänomen zu sein.

Nun bleibt mir noch anzufügen, warum ich meine, dass auch der alltägliche Umgang miteinander freundlicher ist. Das liegt meiner Meinung nach daran, dass der Amerikaner äußerst gesprächig ist und den Small Talk meisterhaft beherrscht. Egal ob man im Fahrstuhl steht, auf den Bus wartet oder in der Schlange am Postschalter ansteht, der Amerikaner richtet ganz unbefangen auch an Wildfremde einige freundliche Worte. Zugegeben sind diese Gespräche oft über belanglose Themen wie das Wetter, aber mir ist es auch schon passiert, dass mir auf der Straße eine Frau zugerufen hat, dass ich heute aber ein besonderes fröhliches T-Shirt anhätte oder die Kassierin meine Ohrringe bewunderte. Egal, ob dies nun ehrlich gemeint ist oder nicht, man fühlt sich dabei irgendwie besser.

Local News

Ja, was hat sich sonst bei uns ereignet?

Zunächst einmal habe ich mich um eine Praktikumsstelle bemüht und mein erstes Vorstellungsgepräch findet nächste Woche statt. Ich habe mich in einer Einrichtung beworben, in der Kinder zwischen 2 und 5 Jahren betreut werden. Da die Einrichtung sich in einem sehr schlechten Viertel von San Francisco befindet, sind viele Kinder von großer Armut und sogar von Obdachlosigkeit betroffen. Andere haben Drogenmissbrauch und Gewalt in der Familie erlebt und als Folge davon emotionale Probleme. Ein weiterer Teil der Kinder stammt aus Immigrantenfamilien aus der ganzen Welt, die gerade nach San Francisco gekommen sind und somit noch kaum oder gar kein Englisch können. Es hört sich alles auf jeden Fall sehr spannend an und ich bin schon ganz aufgeregt, weil es schließlich doch nicht so einfach ist, ein Vorstellungsgepräch in einer anderen Sprache zu führen. Ich möchte, wenn ich in der Einrichtung genommen werde und mir die Einrichtung gefällt, drei Vormittage in der Woche dort arbeiten.

Parallel habe ich mich um Fortbildungsmöglichkeiten bemüht und bin an der Universität Berkeley fündig geworden. Die Universität Berkeley hat einen ziemlich guten Ruf und bietet genialerweise ein Fortbildungsprogramm für Berufstätige und sonstige Interessierte an. Die Kurse finden entweder in Berkeley (was ca. 20 km von San Francisco entfernt ist und mit der U-Bahn gut zu erreichen ist) oder in San Francisco selbst statt. Das Programm, an dem ich teilnehmen möchte heißt "Children and the Changing Family" (Kinder und die sich verändernde Familie). Es werden in diesem Studienprogramm ganz unterschiedliche Kurse zu Themen wie Elternberatung, Interventionsmöglichkeiten bei auffällig gewordenen Jugendlichen, sexueller Missbrauch, soziale Einrichtungen in Kalifornien usw. angeboten. Man kann sich die Kurse je nach Interesse aussuchen. Die Kurse werden von Leuten aus der Praxis gehalten und richten sich an alle Berufsgruppen, die mit Kindern/Jugendlichen und den zugehörigen Familien arbeiten. Wenn man möchte, kann man auch einen Abschluss in diesem Studienprogramm erhalten. Dazu muss man bestimmte Pflichtveranstaltungen belegen und 105 Stunden innerhalb von drei Jahren abgeleistet haben. Zusätzlich muss man jeden einzelnen Kurs mit der Note C (entspricht der deutschen Zensur 3) oder besser abschließen. Ich habe zum Ausprobieren ab November den Kurs "African American Children and Their Families" belegt. In diesem Kurs geht es um das Leben schwarzer Familien in Amerika, z.B. darum, unter welchen Bedingungen Schwarze heute in Amerika leben, welchen Formen von Rassismus und gesellschaftlichen Vorurteilen sie ausgesetzt sind usw. Ich bin wirklich sehr, sehr gespannt auf den Kurs. Die Kurse kosten übrigens je zwischen $ 150 und $ 200 und gehen entweder über mehrere Abende oder werden als Wochendseminar angeboten.

Und dann leiste ich mir noch den Luxus und mache einen Fotographiekurs, was schon lange mein Traum war. Der Kurs wird ebenfalls über das Berkeley Fortbildungsprogramm angeboten. Er wird von einer Frau gegeben, die schon Ausstellungen im Museum of Modern Art in San Francisco hatte.

Ihr seht, ich bin in den letzten Wochen richtig aktiv geworden. Mein Englischkurs am City College ist seit Ende Juni beendet. Ich hätte zwar einen neuen belegen können, habe mich aber lieber auf die eben beschriebenen Aktivitäten verlegt, bei denen man natürlch auch kräftigst Englisch sprechen muss und sicher auch lernen kann.

Abbildung [2]: Am Meer bei Timber Cove.

Nächstes Wochenende feiern wir dann unseren 1. Hochzeitstag. Wir haben beschlossen, das Datum unserer kirchlichen Trauung als unseren offiziellen Hochzeitstag zu nehmen. Das hat vor allen Dingen den pragmatischen Grund, dass dieses Datum in unsere Ringe eingraviert wurde und somit Michael eine gute Gedächtnisstütze hat. Wenn wir auf dieses Jahr zurückblicken, ist wirklich unglaublich viel passiert und irgendwie ist das Jahr nur so verflogen. Natürlich wollen wir unseren Hochzeitstag entsprechend feiern. So fahren wir an die Küste in Richtung Norden und haben uns dort für zwei Nächte in ein romantisches Hotel mit Blick auf den Ozean eingemietet. Um an die Küste zu gelangen, werden wir uns den Weg durch das Weingebiet bahnen und vielleicht noch eine Weinprobe machen. Ein echt kalifornisches Wochenende also! Wir freuen uns auf jeden Fall schon sehr darauf.

Abbildung [3]: Ein Waschbär schaut auf dem Balkon vorbei.

Unsere Freunde Sylvia und Richard sind übrigens Ende Juli nach Portland umgezogen, da Richard dort eine neue Arbeitsstelle angetreten hat. Portland liegt im Bundesstaat Oregon und ist ca. 10 Autostunden von San Francisco entfernt. Für uns ist natürlich sehr schade, dass die beiden jetzt so weit weg wohnen, da spontane Treffen nun einfach nicht mehr möglich sind. Das Baby von Sylvia und Richard soll ja Ende September auf die Welt kommen und Sylvia und ich hatten schon davon geträumt, eine eigene Krabbelgruppe aufzumachen. Das geht jetzt natürlich nicht mehr.

Zum Abschluss dieses Rundbriefes möchte ich euch noch mit zwei unendlichen Geschichten unterhalten: die eine betrifft Michaels Firma , die andere meinen amerikanischen Führerschein.

Arbeitssuche in den USA

Zunächst aber zur Firma. Die meisten sind diesbezüglich schon auf dem neuesten Stand, aber einige von euch eben noch nicht, deshalb schreibe ich vollständigkeitshalber die Geschichte noch einmal schnell auf. In meinem letzten Rundbrief habe ich ja ausführlich beschrieben, dass Michael jetzt zu Hause arbeitet, weil das Büro in San Francisco geschlossen worden ist, dass die Finanzierung aber bis Anfang 1998 gesichert ist. Nachdem Michael nun gerade alle Computer in unserer Wohnung installiert und ich mich daran gewöhnt hatte, dass er unsere Wohnung in ein Großraumbüro verwandelt, kam die nächste Schreckensmeldung (kurz vor meinem Abflug nach Deutschland), nämlich, dass die Finanzierung wieder gekippt wurde und die Firma wahrscheinlich Ende Juni oder Ende Juli alle ihre Tore schließt (also auch das Büro in München). Michael hat man dann geraten, sich bei einer anderen Firma in San Francisco oder Umgebung zu bewerben, da bei ihm ja die besondere Schwierigkeit hinzukommt, dass er für die potentielle neue Firma auch ein neues, amerikanisches Visum braucht. Michael hat also nicht lange gezögert und sofort seinen Lebenslauf auf's Internet gehauen. 30 Sekunden später rief der Erste an und unterbreitete ihm ein Stellenangebot. Im Zeitalter des Internets läuft das hier nämlich so (zumindestens in der Software-Branche), dass sogenannte "Recruiter" (Anwerber) für die Firmen das Internet durchforsten, um geeignete Bewerber herauszukristallisieren und an die entsprechende Firma weiterzuleiten. Der "Recruiter" hat ungefähr dieselbe Funktion wie ein Makler, d.h. kommt ein Arbeitsvertrag zustande, bekommt er von der Firma eine Provision. Also hat Michael zunächst mit dem Recruiter gesprochen und dann mit einem zuständigen Menschen aus der Firma, dabei hat ihn zunächst einmal irritiert, dass man nicht einfach nur ein Gespräch für ein Vorstellungsgespräch ausmacht, sondern ihm richtige Prüfungsfragen gestellt wurden, wie er was in einer bestimmten Computersprache programmieren würde. Dies liegt daran, dass der Amerikaner in seinen Lebenslauf gern hineinschreibt, er hätte dies und jenes schon gemacht, was dann aber gar nicht stimmt. Überhaupt telefoniert der Amerikaner allgemein recht gern, was beim Prozess des Bewerbens voll durchschlägt. So ist es durchaus passiert, dass Michael zunächst mit zwei oder drei Menschen aus der Firma telefoniert hat, immer wieder die gleichen Fragen beantworten musste, bis man ihn schliesslich zum Vorstellungsgespräch einbestellt hat. Auch hier musste er mit oft bis zu 7 unterschiedlichen Leuten reden (allerdings schon persönlich und nicht am Telefon). Nach diesen Geprächen setzt dann allerdings die zweite Telefonphase an. Ist die Firma an einem interessiert, möchte sie nicht etwa Arbeitszeugnisse sehen, sondern Telefonnummern von Leuten haben, mit denen man schon einmal zusammengearbeitet hat, um diese dann anzurufen und über den Stellenbewerber auszuquetschen. Teilweise wird sogar die Universität angerufen, um zu überprüfen, ob der Bewerber dort studiert hat. Ihr könnt euch vielleicht vorstellen, dass das eben Beschriebene nicht so leicht vonstatten geht, wenn man aus Deutschland kommt. In Deutschland anrufen wollten die Amis dann doch nicht so gerne.

Auf jeden Fall hat Michael sich dann bei Oracle, der NASA (aber leider nicht, um als Astronaut zu arbeiten, was sein Traum wäre), zwei kleineren Firmen und America Online vorstellen können. Wir waren überhaupt überrascht, dass er zu so vielen Vorstellungsgesprächen einbestellt wurde, weil ja von vornherein klar war, dass die Firma einen Rechtsanwalt bezahlen muss, um das neue Visum zu beantragen und 6 bis 8 Wochen auf ihn warten muss, bis die Visaformalitäten durch sind, was für eine amerikanische Firma Ewigkeiten sind. Glück ist eben, dass es hier zur Zeit viel zu wenig Software-Entwickler gibt. Nun ja, Michael hat sich dafür entschieden zu America Online (weltgrößter Internet-Provider) zu gehen. Die Firma ist in San Mateo, was von San Francisco gut zu erreichen ist. Der Visumsantrag läuft bereits und so warten wir auf einen positiven Bescheid.

Die Geschichte ist aber noch nicht zu Ende: Zum guten Schluss kommt jetzt nämlich ein weiterer Knaller: Die Firma hat sich wieder berappelt und die Finanzierung steht wieder bis Anfang 1998. Gut daran ist, dass Michael, bis das neue Visum durch ist, weiter arbeiten kann und wir nicht am Hungertuch nagen müssen.

Behördenschlamperei bei der Führerscheinstelle

So, und nun zu meinem Führerschein. Nachdem ich ihn nun endlich bestanden habe, habe ich brav darauf gewartet, dass man ihn mir aus der kalifornischen Hauptstadt Sacramento zuschickt, was bis zu 6 Monate dauern kann, weil bei uns Ausländern noch geprüft wird, ob wir legal im Land sind. Nach fast 7 Monaten habe ich nun endlich Bescheid aus Sacramento bekommen, dass ihnen die Unterlagen zur Prüfung fehlen! Im Klartext bedeutet dies, dass man bei der Führerscheinstelle vergessen hat, meinen Pass und mein Visum zu kopieren. Also, musste ich mit meinem Pass wieder zur Führerscheinstelle in San Francisco, wo man diesen kopiert hat und mir versicherte, dass die Papiere in Ordnung sind. Ich fragte dann höflich, wie lange es dauern würde, bis mir nun der Führerschein zugeschickt würde. Woraufhin ich wieder die Antwort "bis zu 6 Monate" bekam. Das Problem ist nun aber, dass ich meine theoretische Prüfung schon im Januar gemacht habe und man innerhalb eines Jahres seinen Plastikkartenführerschein erhalten haben muss, weil man den Führerschein nach Ablauf dieser Frist noch einmal machen darf. Ihr könnt euch vielleicht vorstellen, wie ich getobt habe, weil im schlechtesten Fall diese Frist bei mir überschritten wird. Wenn ich wegen der Behördenschlamperei meinen Führerschein noch einmal machen muss, drehe ich echt durch. Michael hat natürlich seine diebische Freude an dieser Geschichte und zieht mich ständig damit auf.

So, ihr Lieben, jetzt habe ich genug von hier berichtet. Drückt mir die Daumen für mein Vorstellungsgespräch.

Euch allen noch einen wunderschönen Sommer!

Alles Liebe!!!

Angelika

Abbildung [4]: Keith Haring und Steve Young.
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Letzte Änderung: 26-Nov-2012