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Angelika/Mike Schilli |
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Corona-Impfen in San Francisco
Fry's Electronics pleite
Amazon-Retouren im Supermarkt
Schiffsstau auf der Bay
Saison für Dungeness Crab
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Angelika Das ganze letzte Jahr saßen wir gefühlt im Dauerlockdown, und alle Welt hat die USA zurecht bemitleidet. Denn es sah so aus, als ob dieses große Land die Pandemie nicht in den Griff bekommen würde. Jetzt scheint sich alles umgedreht zu haben, denn nach anfänglichen Stolpersteinen ist die Impfkampagne gut angelaufen. In San Francisco haben mittlerweile 60% ihre erste Impfung erhalten und fast 40% sind vollständig geimpft. Es gibt mittlerweile keine Priorisierung mehr, sondern jeder ab 16 kann einen Impftermin ausmachen.
USA-weit sind mittlerweile fast 30 Prozent vollständig geimpft. Das Gleiche gilt für Kalifornien. In den USA erhält der Impfwillige entweder Moderna, Pfizer/Biontech oder Johnson and Johnson. Letzteren hat die Gesundheitsbehörde kurzfristig ausgesetzt wegen einiger schwerer Thrombosefälle, aber jetzt ist er wieder verfügbar. Andere Impfstoffe wie zum Beispiel Astra Zeneca sind in den USA noch nicht zugelassen. Außer bei dem Impfstoff von Johnson and Johnson braucht jeder zwei Dosen, die hier im Abstand von 3-6 Wochen gegeben werden. Ich habe den Impfstoff von Pfizer im Abstand von vier Wochen erhalten und bin mittlerweile vollständig geimpft. Michael erhielt seine erste Dosis von Moderna an Ostern und die zweite gibt es am 1. Mai. Lustigerweise sagt hier keiner Pfizer/Biontech sondern meist immer nur Pfizer, während uns auffällt, dass es in der deutschen Presse stets Biontech/Pfizer heißt.
Wie läuft das Impfen hier nun genau ab? Auch in den USA lag es in der Verantwortung der einzelnen Bundesstaaten, das Impfen zu organisieren und zu bestimmen, wer zuerst den Impfstoff bekommt. Die staatliche Gesundsheitsbehörde (CDC = Centers for Disease Control) veröffentlichte dazu Richtlinien. In Kalifornien lief das zunächst etwas chaotisch ab. Man einigte sich zwar schnell, dass das medizinische und Pflegepersonal, das Coronapatienten versorgt, sowie die über 80-Jährigen zuerst an der Reihe sind, aber dann ging das Zerren und Feilschen los. Wer gehörte in die zweite Prioritätengruppe? Die Frau an der Kasse im Supermarkt, der Lehrer in der Schule, der Obdachlose, der Feldarbeiter, der das Gemüse erntet? Oder doch vielleicht erst die Jüngeren mit schweren Vorerkrankungen? Oder sollte man einfach nur nach Alter vorgehen, wie in einigen anderen Bundesstaaten, zum Beispiel Connecticut und Maine?
Unser Gouverneur Gavin Newsom geriet dann auch etwas in Stress, weil er gerade mit einem Abberufungsverfahren zu kämpfen hat, und er nicht ins Fettnäpfchen treten wollte. In San Francisco diskutiert eh jeder gern. Wir haben oft den Eindruck, dass es mehr darum geht, wer Recht hat, als etwas auf die Reihe zu bringen, aber schließlich raufte man sich zusammen und legte folgende Reihenfolge fest: In Phase 1A waren Personen berechtigt, die mit Patienten oder in Pflegeheimen arbeiten, sowie die Bewohner von Altenheimen und Senioren im betagten Alter. In Phase 1B folgten Bürger ab 65 und Menschen, die in Schulen oder in der Lebensmittelindustrie und Landwirtschaft arbeiten, sowie Polizisten und Feuerwehrleute. Mitte März kamen Menschen, egal welchen Alters, mit chronischen Erkrankungen dran, sowie Inhaftierte, Obdachlose und Menschen im Transportwesen. Ab 1. April durften sich Bürger ab 50 Jahren freuen. Seit 15. April kann sich jeder ab 16 zum Impfen anmelden.
Da ich in einer Schule arbeite war ich ziemlich schnell an der Reihe. Allerdings lief zu der Zeit auch noch alles nicht so rund, und ich musste mich durch das Chaos von dezentralisierten Bestimmungen wühlen. Auch hier weiß die eine Hand oft nicht, was die andere tut. Zunächst einmal konnte ich mich bei der Stadt San Francisco über die städtische Webseite registrieren. Ich beantwortete ein paar Fragen online: Alter, Beruf, eventuell vorhandene Vorerkrankungen und ob ich in beengten Verhältnisse lebe (z.B. im Obdachlosenasyl). Dann gab ich meine E-Mail an, sodass die Stadt mich benachrichtigen konnte, sobald ich an der Reihe war. Prompt kam dann auch die Bestätigung, dass ich zu den Personen in der Phase 1B gehöre.
Parallel gab es auch eine Registrierungsseite vom Bundesstaat Kalifornien. Da meldete ich mich auch an, frei nach dem Motto, doppelt hält besser. Dann hieß es abwarten. In Kalifornien entschlossen sich die Verantwortlichen, mit großen Gesundheitsorganisationen wie Kaiser Permanente, Sutter Health, Stanford Health und in San Francisco auch UCSF (Universitätskrankenhaus) zusammen zu arbeiten. Mein Hausarzt ist mit UCSF verbandelt, und da das Krankenhaus einen guten Ruf in der Forschung hat, schaute ich mir immer wieder regelmäßig deren Covid-Informationen an. Und auf einmal sah ich dort, dass es dort für Schulpersonal bereits Impfangebote in einer extra eingerichteten Impfklinik gab, obwohl San Francisco noch nicht in Phase 1B war.
Also machte ich schnellstens einen Termin über das Patientenportal "Mychart" aus. Ich konnte mein Glück kaum fassen, und dachte am Anfang, dass es sich um einen Fehler handeln könnte. Aber am Sonntag, dem 14. Februar fuhren wir zum UCSF-Komplex an der Parnassus Avenue (UCSF hat Gebäude und Krankenhäuser über die ganze Stadt verteilt), und ich erhielt die Spritze mit dem Pfizer-Impfstoff. In der Impfklinik musste ich schnell den üblichen Covid-Fragenkatalog beantworten, mich mit meinem kalifornischen Führerschein ausweisen, und sagen, um welche Uhrzeit mein Termin war. Dann führten mich Angestellte in einen Raum, der wie ein Klassenzimmer ohne Pulte aussah. Es gab mindestens neun solcher Impfzimmer. In meinem waren drei Stühle großzügig im Raum verteilt, auf denen zwei bereits Geimpfte zur Beobachtung saßen. Dann gab es noch einen Stuhl auf dem geimpft wurde und auf den ich mich setzte.
Der Impfer fragte mich noch einmal nach meinem Namen und nach meinem Geburtsdatum. Dann klärte er mich auf, dass ich den Impfstoff von Pfizer bekäme, was ich vorher nicht gewusst hatte. Er fragte, ob ich damit einverstanden wäre und ob ich schon einmal allergisch auf einen Impfstoff reagiert hätte. Ich musste nicht beweisen, dass ich an einer Schule arbeite, obwohl bei der Terminvergabe aufgelistet war, was man als Beweis mitzubringen hätte (Gehaltsabrechnung oder Dienstausweis). Dann bekam ich auch schon das Spritzlein. Zum Abschluss überreichte mir mein Impfer eine Impfkarte, in der er von Hand eingetragen hatte, wann und welche erste Dosis ich gerade erhalten hatte. Das Dokument ist zwar offiziell von der CDC gestellt, aber sieht wie eine weiße Karteikarte aus, die natürlich null fälschungssicher ist, weil noch nicht einmal ein offizieller Stempel darauf prangt.
Ich hatte sogar meinen deutschen Impfpass dabei, aber damit kann hier keiner etwas anfangen. Danach gesellte ich mich zu den anderen schon Geimpften und wartete die vorgeschriebenen 15 Minuten brav auf dem Stuhl, während ich mich nett mit meinen Mitstreitern unterhielt und Michael schon ungeduldig im Auto draußen auf mich wartete. Alle Geimpften waren euphorisch. Wir tauschten natürlich unsere Erlebnisse aus, wie wir den heiß begehrten Termin ergattert hatten. Nach der ersten Impfung spürte ich rein gar nichts, außer dass der Arm mit der Einstichstelle einige Tage etwas weh tat, was aber nicht der Rede wert war. Nach vier Wochen machte ich mich das zweite Mal auf den Weg in die Impfklinik. Auch das war eine Zitterpartie, denn der Impfstoff war immer noch knapp, und es gab immer wieder Meldungen von Engpässen, die zum Absagen der Zweitimpfungen führten. Aber auch dieses Mal hatte ich Glück. Ich bekam die zweite Spritze wie vorgesehen am 14. März. Zunächst fühlte ich mich bombig, fast ein wenig aufgedreht, aber am nächsten Tag setzten leichte Gliederschmerzen und eine bleierne Müdigkeit ein. Das Ganze dauerte aber nur 24 Stunden und war danach wie weggeblasen.
Michael lässt mir bei Dingen, die mit etwas bürokratischem Aufwand verbunden sind, ja gern den Vortritt. Da es aber äußerst unpraktisch ist, wenn einer in der Familie geimpft ist und der andere nicht, drängte ich darauf, dass er sich, sobald er dran ist, impfen lässt. Mittlerweile gab es zwei große Massenimpfzentren in San Francisco, eines im Messecenter, dem Moscone Center, in der Innenstadt, und eines am City College beim Balboa Park. Letzteres ist ist ein "Drive Thru", das heißt, man wird im Auto sitzend geimpft. Das passte für Michael.
Obwohl das Impfzentrum am City College auch vom Unikrankenhaus UCSF verwaltet wird, konnte man sich dieses Mal nicht über ihr hauseigenes Patientenportal anmelden, sondern nur über die kalifornische Seite "myturn.ca.gov", die einen dann an einen Drittanbieter weiterleitete, was unserem Datenfuchs Michael natürlich nicht gefiel. Wie gesagt, auch hier macht man es den Impfwilligen nicht unbedingt einfach. Allerdings gab es tatsächlich Termine, und wir brausten mit dem Auto Anfang April zur vereinbarten Uhrzeit dorthin. Alles war hochprofessionell organisiert. Zunächst fuhren wir durch ein Labyrinth aus Verkehrshütchen. Dann musste Michael seinen Führerschein zeigen und den Barcode, den er Online erhalten hatte. Der freundliche Mann klebte dann einen roten Post-it-Zettel an unsere Windschutzscheibe, zum Zeichen dafür, dass eine Person im Auto einen Impftermin hat; bei zweien wären es dementsprechend zwei Post-it-Zettel gewesen. Dann fuhren wir auf einen weiteren großen Parkplatz. Ein Dutzend Spuren, führten jeweils zu zeltartigen Gebilden zur Einfahrt mit dem Auto.
Am Zelt angelangt, wurden zunächst ein paar Dinge abgefragt, die Michael schon online beantwortet hatte, aber das ist hier immer so, da sich jeder lieber doppelt absichert. Bei den Fragen ging es unter anderem um mögliche Allergien. Geprüft wurde weiter, ob Michael schon Covid hatte oder diesbezüglich bestimmte Behandlungen erhalten hatte. Dann gab es die Spritze, wobei Michael nicht einmal aus dem Auto aussteigen musste, sondern nur die Autotür zu öffnen hatte. Dann erhielt auch er sein Impfkärtchen und fuhr auf einen Parkplatz, um wie angewiesen 15 Minuten zu warten. Ein Krankenpfleger, der zwischen den parkenden Autos herumsprang, sagte ihm, dass er einfach auf die Hupe drücken sollte, falls ihm irgendwie komisch würde. Nach Ablauf der 15 Minuten brausten wir einfach mit dem Auto wieder nach Hause.
Neben den großen Impfzentren bieten mittlerweile auch die Drogerieketten "Walgreens", "CVS" und "Rite-Aid" Impftermine an (Rundbrief 12/2020). Auch der Megamarkt "Costco" impft in der hauseigenen Apotheke. Hausärzte impfen hier allerdings zur Zeit nicht. Aber es gibt auch kleinere Impfstellen, bei denen man keinen Termin braucht. Man findet sie häufig in dichtbesiedelten Gegenden, oder dort, wo hauptsächlich Menschen leben, die der englischen Sprache nicht mächtig sind, oder mit dem Navigieren der verschiedenen Anbieter überfordert sind.
Interessanterweise sind wir jetzt bereits in der Phase, in der es mehr Termine als Impfwillige gibt. Leute, die ganz heiß auf die Impfung waren, und keine Mühen scheuten, einen Termin zu ergattern, sind mittlerweile durch mit der zweiten Impfung. Wir kriegen jetzt fast täglich E-Mails oder Telefonanrufe, um uns darauf hinzuweisen, dass Termine frei sind. Wie gesagt, mit der Kommunikation hapert es ein wenig. Das bedeutet nun aber nicht unbedingt, dass es ein Heer von Impfgegnern gäbe, aber viele warten einfach noch ab, oder kümmern sich nicht aktiv um einen Termin. In der New York Times las ich auch, dass acht Prozent ihren zweiten Termin nicht wahrnehmen, weil sie entweder Angst vor den Nebenwirkungen haben, oder meinen, dass eine Dosis reicht. Bei manchen wurde auch der zweite Termin abgesagt, weil der Impfstoff fehlte, und sie danach einfach aufgaben, was kein Problem bei Johnson and Johnson ist, da braucht man nur eine Dosis. Dann hoffen wir mal, dass die Leute das Vertrauen nicht verlieren. Ich kann es nämlich gar nicht mehr abwarten, bis der Corona-Spuk endlich vorbei ist.
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