Michael An meinen ersten Besuch beim Elektronik-Discounter "Fry's Electronics" vor 24 Jahren kann ich mich noch gut erinnern. Wir waren gerade nach Kalifornien gezogen, der Goldrausch im Silicon Valley war in vollem Gange, und jeder, der Computerkomponenten käuflich zu erwerben suchte, hang regelmäßig in einer der vielen verstreuten Fry's-Filialen herum, um die unglaublichen Preise und die noch unglaublicheren Rabatte zu bestaunen. Bei Fry's sah ich zum ersten Mal, dass eine Ware in einem Kaufhaus zu einem negativen Preis angeboten wurde, ein Packerl Disketten zum Preis von $0.99, wobei man $1.99 als Mail-In-Rebate zurückerstattet bekam.
Jede Filiale war nach einem bestimmten Motto dekoriert, der Laden in San Jose an der Brokaw Road als Pyramide im Land der Pharaonen, an der Ladenzeile in Burbanks brach ein monströses UFO durch die Mauer, und in der Filiale in Palo Alto zeigten Cowboys und Indianer des wilden Westens wie es im 19. Jahrhundert in der Gegend zuging. Konzertflügel in Originalgröße standen herum, automatisch klassische Werke klimpernd. Und nicht zu vergessen der gigantische Zeitschriftenstand, der das aktuelle "Linux Magazine" führte, das Vehikel der Programmier-Kolumne eures bescheidenen Schreiberlings. Aber das Wichtigste: Die Kette war ein Riesenerfolg, Kaufwillige drängten bis spät in die Nacht hinein in die Läden, luden gekaufte brandaktuelle PC-Hardware in ihre Autos, und eine regelrechte Geeks-Szene florierte dort.
Diese Zeiten sind natürlich längst passé, die Online-Riesen haben den Präsenzkaufhäusern in den letzten zehn Jahren das Wasser vollständig abgegraben. Verrückterweise hielten sich die Fry's-Filialen aber immer noch, obwohl kaum noch Kunden kamen und in den Regalen kaum noch Produkte standen. Da Fry's als private Firma nicht an der Börse notiert war, konnte auch niemand in die Bücher gucken und abschätzen, wie lange das Imperium sich noch halten würde.
Allerdings operierte der Laden immer schon am Rande der Legalität, es war allseits bekannt, dass sie umgetauschte Produkte einfach wieder in Plastikfolie einschweißten und als neu verkauften, was in Amerika illegal ist. Auch sah ich bei meinen spärlicher werdenden Besuchen immer missmutigere und verzweifelte Angestellte, sodass ich seit bestimmt fünf Jahren Geld darauf gewettet hätte, dass der Laden bald dichtmacht. In letzter Zeit machten sich sogar einige Youtuber auf, um verstreute Filialen zu besuchen und mit den Fingern und besorgter Miene auf die leeren Regale zu deuten.
Nun ist es offiziell: Fry's hat im Februar 2021 endgültig Bankrott angemeldet und alle Läden geschlossen. Die Schlacht ist verloren, aber "It was good while it lastet", wie der Amerikaner sagt.