Angelika Gebannt verfolgten wir in der Wahlnacht am 2. November die amerikanische Landkarte und hofften, dass sich der Bundesstaat "Ohio" doch noch blau einfärbt und dem Präsidentschaftskandidaten Kerry zufällt, nachdem uns schon Florida im bösen Rot entgegen blinkte.
Denn die Farbe Rot steht für die republikanische Partei und Bush, während Blau den Demokraten Kerry repräsentiert. Wie passend, denn die Hochburgen der demokratischen Patei liegen am Wasser: den Küsten der West- und obereren Ostküste, den Gebieten um die großen Seen und nicht zu vergessen Hawaii. Aber aus der Traum: Wir müssen Bush für vier weitere Jahre mit knirschenden Zähnen ertragen. Seufz!!! Zwar gewann Bush nicht haushoch wie Michael in böser Weltuntergangsstimmung prophezeit hatte, aber er ergatterte dieses Mal nicht nur die benötigten Wahlmännerstimmen, sondern sackte 3.5 Millionen mehr direkte Stimmen ("popular vote") als Kerry ein.
Da tröstet auch nicht, dass im tiefblauen San Francisco fast 85% Kerry ihre Stimme gaben. Die Gelehrten streiten sich, warum Bush gewann. Die Debatte um die moralischen Werte steht hoch im Kurs. Der wiedergeborene Christ Bush, der seine Schäflein in der Landesmitte um sich schart, weil er gegen Abtreibung und gegen die Ehe für Homosexuelle wettert. Da spielt es dann keine Rolle mehr, dass diese Schäflein sich ihr eignes wirtschaftliches Grab schaufeln, indem sie für einen Präsidenten stimmen, der Reiche und Großunternehmen favorisiert und sich am liebsten gleich zum Kaiser krönen lassen würde. Gerechterweise ist zu erwähnen, dass das mechanische Einfärben der amerikanischen Landkarte zu groben Vereinfachungen führt. Nevada ging z.B. an Bush und leuchtet deshalb rot, aber der Wahlausgang war denkbar knapp: 51 Prozent wählten Bush, 49 Prozent Kerry. Ähnliches findet man auch in anderen Bundesstaaten. Lila wäre in vielen Fällen also die bessere Farbe.
Wie tragisch nur, dass Bush nun Oberwasser hat, denn auch in beiden parlamentarischen Häusern wurde die Mehrheit der republikanischen Partei ausgebaut. An die bevorstehenden Nominierungen zum obersten Gerichtshof unter Bush denke ich mit Grausen, denn die Richter werden auf Lebenszeit ernannt und prägen über Jahrzehnte die rechsstaatliche Landschaft.