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  Rundbrief Nummer 52  
San Francisco, den 29.11.2004


Abbildung [1]: Ein Gebäude der Yahoo!-Zentrale in Sunnyvale

Mir waren ja schon Gerüchte über Yahoo! bekannt, aber was ich dann am ersten Tag erfuhr, haute mich schon um. Mir kam es vor, als sei's auf einmal wieder 1996 und die Internet-Aufbruchstimmung auf ihrem Höhepunkt.

Beim Vertragunterschreiben war mir schon aufgefallen, dass die HR-(Human-Resources = Personalabteilungs-) Typen allesamt total unangepasste Leute sind. Äußerlich genau das Gegenteil von einem deutschen Personalchef, fast hippiemäßig, aber total auf Zack und professionell. Überhaupt sieht man diese Spezies neuerdings öfter in Spitzenfirmen im Valley: Alt-Hippies, Leute, die sicher in der Schule nicht die Besten waren, aber dann die Kurve gekriegt haben und ganz groß rauskommen.

Allgemein ist das Niveau bei Yahoo! ein ganzes Stück höher als bei AOL, da springen hochkalibrige Leute rum, man glaubt es kaum: Beim ersten Mittagessen in der Kantine wurde mir mit einem Dutzend anderer Leute ein "Jeremy" vorstellt, und ich dachte mir nichts weiter dabei, bis ich am nächsten Tag herausfand, dass es sich um den MySQL-Guru und -Schreiber Jeremy Zawodny handelte. Wahnsinn! Und auch PHP-Erfinder Rasmus Lerdorf, ein Däne mit kanadischem Pass, arbeitet in unserer Gruppe und geht regelmäßig zum Mittagessen mit! Das Signal zum Essengehen gibt übrigens jemand mit einer Ziehharmonika, die dann eine bestimmte Melodie spielt.

Abbildung [2]: Teil des Yahoo!-Campus in Sunnyvale

In der Einführungsklasse wurden wir aufgepeitscht, ja kein Blatt vor den Mund zu nehmen und forsch unsere Ideen durchzudrücken. Und als ich die ersten paar Male in der neuen Gruppe noch fragte: "Können wir das so machen?" und die Antwort immer "Ja, klar!" lautete, war ich doch überwältigt. Wer mich kennt, weiß, dass da unter Umständen etwas unorthodoxe Methoden drankommen.

Für Yahoo! statt für AOL zu arbeiten hat weiter den Vorteil, dass ich nicht mehr auf zweifelhafte Geschäftspraktiken wie zum Beispiel das massenweise Aussenden von CDs angesprochen werde. Vielmehr genießt Yahoo! das uneingeschränkte Vertrauen Vieler, ja die Leute lieben Yahoo! regelrecht.

Einmal verpasste ich den Paketboten zuhause, und rief daraufhin beim Paketdienst UPS an, um die Sendung nicht mehr in San Francisco, sondern im 50 Kilometer entfernten Sunnyvale in der Arbeit zustellen zu lassen (ja, sowas geht in Amerika!). Als ich die neue Adresse durchsagte und "Yahoo!" angab, rief die Telefondame erfreut: "Yahoo! I love it! I'm using it all the time!". Da war ich dann doch gerührt.

Und der Pförtner der Raketenfirma Lockheed Martin, durch deren Gelände ich mit Spezialgenehmigung mit dem Fahrrad brausen darf (viel sicherer als an den Autobahnabfahrten im Silicon Valley entlangzufahren), rief mir neulich, nachdem ich meinen Passierschein gezeigt hatte, lachend nach: "Yahoooooo!".

Das Wort beschreibt übrigens das Geräusch, das ein Jodler von sich gibt. So wurde bei Yahoo! vor einigen Jahren der Weltrekord im Massenjodeln (mit Guinness-Buch-Eintrag) aufgestellt, als alle Mitarbeiter sich in der Cafeteria versammelten und zusammen jodelartige Geräusche von sich gaben.

Abbildung [3]: Der Yahoo!-Campus mit Basketballfeld

Die Firmenpolitik ist darauf ausgerichtet, den Mitarbeitern eine Umgebung bereitzustellen, in der sie befreit an verrückten Ideen arbeiten können. Die Leute sind total motiviert, auf Email-Listen wird heftig diskutiert, wie man den Yahoo!-Service verbessern kann. Und im Falle geistiger und körperlicher Erschöpfung gibt es Ruheräume, in denen man ein Nickerchen machen kann.

Weiter stehen ein Fitness-Center, Basketball-Felder, Beach-Volleyballfelder mit Sand zur Verfügung. Zur Kaffeeversorgung gibts ein Cafe in denen Baristas (so heißen bei Starbucks die Kaffee-Zubereiter) einem Lattes, Espressos oder heißen oder kalten Chai zaubern. Und das Ganze kostet keinen Cent, man geht einfach mit seinem Becher hin!

Wer zuhause keine Zeit zum Waschen hat, kann seine Wäsche abgeben, die dann gegen geringe Gebühr an eine Wäscherei geht, die die Sachen dann prompt sauber und schön gebügelt zurückliefert. Einmal pro Woche kommt ein fahrender Frisör in einem omnibusartigen Mobil auf den Campus, der die Haare schneidet. Und sogar ein rollendes Zahnarztmobil kommt einmal die Woche angefahren, wenn man mal wieder keine Zeit hat, zum echten Doktor zu gehen. Da war ich aber bislang skeptisch und werde wohl weiterhin einen herkömmlichen Zahnarzt aufsuchen.

Oh, und zu meinem "Background-Check" gibt es noch etwas Lustiges nachzutragen: Der Spezialist hat tatsächlich bei meinen früheren Arbeitgebern und sogar im Prüfungamt meiner Uni angerufen! Und sogar die Polizei in München, die bestätigte, dass gegen mich nichts vorliegt. Und auch mein Credit-Report (Rundbrief 05/2004) wurde eingeholt, um zu sehen, ob meine Finanzen in Ordnung sind. Ich weiß das alles, weil ich (das kann man ankreuzen, wenn man sich mit dem Background-Check einverstanden erklärt) eine Kopie des Reports erhielt. Detailliert stand da drauf, dass sie's ewig bei der TU München im Prüfungsamt klingeln ließen und keiner abhob, zum Totlachen!

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