20.11.1998   Deutsch English

  Rundbrief Nummer 11  
San Francisco, den 20.11.1998


Abbildung [1]: Das Flugzeug nach Molokai

(Michael) Die Hälfte unseres diesjährigen Jahresurlaubs (eine Woche) haben wir auf der kleinen Insel Molokai im Hawaii-Archipel verbracht. Hawaii ist für uns deswegen günstig, weil es zwar mitten im Pazifischen Ozean liegt, aber dennoch ein Bundesstaat der U.S.A. ist, man dorthin also einfach mit einem amerikanischen Führerschein ohne Visums-Hickhack hinfliegen darf. Mit unserem Spezial-Visum, das ja für den Firmenwechsel von Blaxxun nach AOL angepasst wurde, müssen wir von Pontius zu Pilatus, falls wir mal das Land verlassen wollen. Hawaii ist also Inland, insofern die Wahl. Auf Molokai gibt's ungefähr zwei Restaurants, zwei Hotels und eine Leprakolonie. Wir sind viel an den kilometerlangen Sandstränden entlangspaziert und haben uns zum Sonnenuntergang jeweils in eine Bar zurückgezogen, um einen Cocktail zu schlürfen. Das schöne an Hawaii ist, dass das Klima ideal ist: Es ist zwar warm, aber nie brüllheiß, da immer ein leichtes Lüftchen weht. Es regnet mal für fünf Minuten und dann scheint wieder die Sonne für fünf Stunden. Das ist echt so genial, dass, wenn man mal dort war, man sich immer wieder dahin zurücksehnt. Die Reise dorthin war etwas abenteuerlich: Da nur ein paar handvoll Touristen am Tag in Molokai aufschlagen, fliegt natürlich keine Boeing 747 von Honolulu (auf der Hauptinsel von Hawaii, Oahu) dorthin, sondern eine zweimotorige Propellermaschine aus dem zweiten Weltkrieg oder so.

Wir saßen direkt hinter dem Piloten und konnten durch die Vorderscheibe raussehen. Verblüfft stellten wir fest, dass so ein kleiner Flitzer keinen großen Anlauf braucht, um abzuheben, der Pilot schiebt nur kurz die Gashebel nach vorn, und nach 20 Metern zischt das Gerät ab in den Himmel.

Abbildung [2]: Propeller und hawaiianische Insel

Aber die Landung, oh weh! Nachdem auf den hawaiianischen Inseln stets ein frischer warmer Wind weht, schaukelte das kleine Ding recht arg hin und her und der Pilot -- wie wir live mitverfolgen konnten -- ruderte ganz schön an seinen Hebeln, um die Kiste irgendwie wieder sicher auf den Boden runterzubringen. Wie in einem Flugsimulator mit Günter Speckhofer am Steuer wippte die Landebahn im Frontfenster wild hin und her, schließlich kam der Kasten heile runter.

Abbildung [3]: Die Landebahn aus dem Cockpit

"Sorry 'bout the bumps", ("T'schuldigung für die Hopser"), sagte der Pilot, als wir ausrollten, und wir erwiderten natürlich, dass es uns ü-hü-berhaupt nichts ausgemacht hätte, da wären wir schon auf weit schlimmeren Flügen gewesen. In der Tat erinnere ich mich noch mit Schaudern daran, als ich einmal mit dem Chef einer Firma, für die ich mal zu arbeiten die Ehre hatte, nach Düsseldorf in einer Cessna fliegen musste. Co-Pilot war übrigens damals Günter Wille, der Chef vom Dallmayer in München, und der kleine Michael saß käsebleich zwei Sitze weiter hinten. Zum Glück ging alles gut. Aber ich schweife ab!

Nach der Landung auf dem Flughafen, der kleiner war als der Oberhausener Bahnhof zu Augsburg (wem das nichts sagt: "der kleiner war als die Windthorststraße zu Oldenburg") -- suchten wir die Autovermietung auf: Ein freundlicher älterer Herr in kurzen Hosen, der uns in aller Seelenruhe den Mietvertrag erklärte, denn jeglicher Zeitdruck war ihm fremd, da er pro Tag vielleicht zwei Touristen abfertigte. Jeder Tourist auf Molokai kriegt ein silberfarbenes Auto der Marke "Dodge", Modell "Neon" ausgehändigt. Auf der Insel gibt es ungefähr fünfzig Autos, und zehn davon sind silberfarbene Dodge Neons. Kommt man des Abends an einem der beiden Restaurants vorbei, stehen drei Dodge Neons davor. Manchmal kommt man zum Parkplatz zurück und weiß nicht, welchen silberfarbenen Dodge Neon man nehmen soll und muss erst den Schlüssel an allen ausprobieren.

Die Erwähnung der Lepra-Kolonie war natürlich kein Scherz, tatsächlich gab es vor einem halben Jahrhundert auf Molokai eine Leprakolonie. Dort wurden alle Leprakranken hingebracht, da man Angst vor Ansteckung hatte und keine Kur bekannt war. Heute gibt's längst medizinische Mittel gegen Lepra, aber es leben immer noch Leute in der Kolonie, nicht, weil sie das müssten, sondern weil sie dort bleiben wollen. Der Weg dorthin ist eine Riesen-Treppe, die von einem Berg ungefähr tausend Höhenmeter in das abgelegene Tal führt. Wer dorthin zu Besuch will, nimmt sich ein Maultier (eine Mischung aus Esel und Pferd), und reitet im Pulk mit einem Touristenführer dort runter. Man kann allerdings auch zu Fuß runtergehen, was wir denn auch taten, unten wurden wir mit einem Bus von einem ehemaligen Lepra-Kranken durch die Lepra-Kolonie gefahren. Auf dem Rückweg nach oben starteten wir lange vor den Mulis, aber da Angelika auf halber Strecke schwer zu schnaufen anfing, mussten wir langsam gehen und uns von den Maultieren überholen lassen. Nie war ich tiefer gesunken. Egal!

Zu Wasser und Wetter: Nachdem mich beim letzten Hawaii-Aufenthalt beinahe eine Welle derschlog'n hätte, blieb euer werter Erzähler diesmal den Surfbrettern fern. Statt dessen fröhnten wir dem Hobby des "Wie-es-die-Einheimischen-in-den-Wellen-derbatzt"-Fotografierens.

Abbildung [4]: Den Einheimischen schmeißt's vom Brett, harhar!

Statt zu surfen, schwammen wir nur im wohltemperierten Wasser. Das Wasser in Hawaii hat ganzjährig eine Temperatur von ungefähr 25 Grad, ist also gerade richtig zum rumplanschen, richtig angenehm, in San Francisco kann man nicht baden, denn da sind's nur 13 Grad, wenn's warm ist. Die Wellen in Hawaii können aber brutal reinkrachen, die sind schnell, drei, vier Meter hoch und am Strand muss man extrem aufpassen, dass einen die Rückströmung nicht mit reinzieht. Das schöne an den langen Stränden von Molokai ist freilich, dass man auf fünf Kilometer vielleicht zwei Leute trifft, so einsam ist das. Wir haben auch mal eine Ecke untersucht, in der Treibgut aus aller Welt angeschwemmt war, viele Flaschen (allerdings ohne Flaschenpost) und losgerissene Bojen waren darunter. Das Foto unten zeigt, wie ich eine gefunde Krabbe mutig in die Hand nehme. Uaaaah!

Abbildung [5]: Ich halte einen Krebs in der Hand, schauder, schauder!

An dem Tag, als wir zur Hauptinsel zurückkehrten, fand gerade ein Wettrudern statt: Traditionell paddeln die Frauen einmal im Jahr in Kanus von Molokai nach Oahu. Das dauert, wenn man gut rudert, ungefähr sechs Stunden. Die Kanus brechen im Morgengrauen auf, und etwas später hoben wir mit unserem kleinen Flugzeug ab, um ebenfalls auf die Hauptinsel zuzusteuern, weil da der Bomber zurück nach USA abging. Nach einer Weile konnten wir die Boote sehen, und der Pilot wich, nachdem auf Hawaii anscheinend die allgemeinen Luftfahrtgesetze keine Gültigkeit haben, von seiner Fluglinie ab, tauchte hinab zu den Kanus, umrundete sie ein paarmal unter dem Johlen der Passagiere und setzte dann seinen Weg nach Oahu fort. Zur Belohnung erhielt er von einer Passagierin, die anscheinend Schiedsrichterin im Rennen war, nach der Landung ein T-Shirt mit dem Rennmotiv geschenkt.

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