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  Edition # 122  
San Francisco, 11-12-2017


Figure [1]: Eine traditionelle Krankenkasse mit freier Arztwahl wie United Healthcare?

Angelika Trump und Konsorten hatten sich ja bemüht, Obamacare abzuschaffen, sind aber damit nicht durchgekommen. Das war kürzlich ein Dauerbrenner in den Nachrichten. Nicht so bekannt ist, dass die meisten Arbeitnehmer in den USA ihre Krankenkasse nicht über Obamacare sondern immer noch durch den Arbeitgeber erhalten.

Auch wir sind über Michaels Arbeitgeber krankenversichert. Ich könnte auch über die Einrichtung, für die ich arbeitete, eine Krankenkasse erhalten, bin aber statt dessen bei Michael mitversichert, da er bessere Konditionen bekommt. Der Arbeitgeber wählt nämlich eine oder mehrere Krankenkassen aus und bietet sie dann den Angestellten an, die sie jedes Jahr neu im sogenannten "Open Enrollment" auswählen müssen.

Große Firmen bieten in der Regel nicht nur verschiedene Krankenkassen an, sondern auch noch verschiedene "Pläne", also Verträge mit unterschiedlichen Leistungen. Michaels Arbeitgeber bietet zum Beispiel die Krankenkassen "United Healthcare" und "Kaiser" an. Wir wählen immer "United Healthcare" als unsere Kasse und können dann wiederum zwischen zwei verschiedenen Plänen auswählen. Meist geht es um die unterschiedliche Höhe der Praxisgebühr, die Höhe der Selbstbeteiligung, die freie Arztwahl und die Höhe der monatlichen Beiträge. Der Arbeitgeber beteiligt sich in der Regel an den monatlichen Beiträgen, aber es gibt keine festgeschriebenen Prozentsätze über Arbeitgeber- oder Arbeitnehmeranteil. Die Firma zahlt in der Regel einen wesentlichen höheren Prozentsatz der Beiträge als der Versicherte, aber bei meinem Arbeitgeber wäre es deutlich weniger als bei Michaels.

Jedes Jahr, in der Regel im Herbst, fordert die Firma die Angestellten dazu auf, die Versicherung neu festzulegen, dabei kann man die Krankenkasse wechseln oder einen anderen Plan wählen. Natürlich gilt das nur für die Krankenkassen und -pläne, die die Firma anbietet. Auch kann die Firma die Konditionen verändern, zum Beispiel kommt es häufig vor, dass die Beiträge steigen, die Selbstbeteiligung oder die Praxisgebühren sich verändern. Das Ganze nennt sich wie gesagt "Open Enrollment". Der Arbeitnehmer entscheidet sich im Herbst und die neuen Konditionen gelten dann ab dem 1. Januar.

Figure [2]: ... oder doch lieber die günstigere Sozialkasse Kaiser Permanente mit weniger Wahlmöglichkeiten?

Die meisten Firmen bieten noch andere Zuckerl für den Arbeitnehmer an, für die man sich in dieser Phase ebenfalls entscheiden kann. Bei Michael sind das zum Beispiel Zahnarzt- und Brillenkasse, die Möglichkeit, eine kostenlos angebotene Lebensversicherung durch Zahlung eines geringen Beitrags zu erhöhen oder eine Lebensversicherung für den Partner und die eigenen Kinder abzuschließen oder eine ebenfalls bereits angebotene Berufsunfähigkeitsversicherung aufzubessern.

Auch bestimmt der Arbeitnehmer, ob und wieviel er in den sogenannten "Flexible Spending Account" (Rundbrief 11/2009) einzahlen will, der steuerfreie Einzahlung für vorraussichtlich anfallende Behandlungskosten gestattet. Die steuerfrei erlaubte Höchstsumme beträgt zur Zeit $2600. Wie gesagt, nicht jede Firma bietet so einen großzügigen Katalog von Leistungen an. Bei mir gäbe es im Vergleich nur Kranken- und Zahnarztversicherung und die Möglichkeit in den "Flexible Spending Account" einzuzahlen. Da staatliche Sozialleistungen in den USA begrenzt sind, versuchen Firmen, gute Leute nicht nur über vernünftige Gehälter an Land zu ziehen, sondern auch durch die angebotenen Zusatzleistungen.

In vielen Gegenden, so auch im Silicon Valley, herrscht zur Zeit fast Vollbeschäftigung und dadurch ist es nicht immer einfach, Stellen mit qualifizierten Leuten zu besetzen. Neulich hörte ich im Radio, dass die ersten Firmen bei der Rückzahlung von Studentendarlehen helfen, um Leute zu kriegen und offene Stellen zu besetzen. Denn das Studieren kostet in den USA ja viel Geld und gerade Leute mit höheren Abschlüssen arbeiten nach abgeschlossenem Studium oft jahrelang einen riesigen Schuldenberg ab.

Auf ähnliche Weise ist das Krankenkassensystem in den USA übrigens erst entstanden, nachdem Arbeitgeber ihren Angestellten eine Krankenkasse anbieten. Im Zweiten Weltkrieg ging die Angst vor der Inflation um und die amerikanische Regierung beschloss, Löhne und Gehälter einzufrieren. Das gefiel den Gewerkschaften gar nicht, sie drohten mit Streiks und auch den Arbeitgebern war das Gesetz ein Dorn im Auge, da sie dringend Arbeiter brauchten, aber keine höheren Gehälter anbieten konnten, um diese zu rekrutieren. Daraufhin beschloss die amerikanische Regierung, dass eine vom Arbeitgeber angebotene Krankenkasse nicht als Gehaltszahlung anzusehen ist und somit von der Reglementierung ausgeschlossen war. Firmen boten dann eine Krankenkasse an, um ihre Firma attraktiver für Arbeitssuchenende zu machen. 1943 beschloss die amerikanische Steuerbehörde, dass vom Arbeitgeber angebotene Krankenkassenzuschüsse von der Steuer befreit sind und etablierte damit das heutige Krankenkassensystem der USA.

Übrigens macht es gerade dieses System so schwierig, ein nationales Krankenkassensystem für die USA zu etablieren, denn Firmen haben diese Leistungen stets freiwillig angeboten mit wenig staatlichen Regulierungen. Unter Obamacare müssen Firmen mit einer bestimmten Anzahl von Mitarbeitern diesen jetzt zwingend eine Krankenkasse anbieten, um Geldstrafen zu vermeiden, aber Obamacare steht immer noch auf wackeligen Füßen, wie ihr ja wisst. Doch es gibt wieder Hoffnung, dass die Bevölkerung jetzt doch Obamacare mehr schätzt. Auch für Obamacare kann man sich jedes Jahr im Herbst einschreiben und die ersten Zahlen sehen gut aus. Am 1. November startete die Einschreibphase für Obamacare und die Beitrittszahlen sind höher als im letzten Jahr. Schon verrückt: Erst schimpfte ein großer Anteil der Bevölkerung über Obamacare und jetzt, wo man es ihnen wegnehmen will, merken viele auf einmal, dass es besser ist als sein Ruf.

Grüße aus Smokeytown:

Angelika & Michael

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Latest update: 02-Feb-2024