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  Rundbrief Nummer 132  
San Francisco, den 24.12.2019


Abbildung [1]: Weihnachten 2019

Angelika Der Weihnachtsbaum ist gekauft und wartet auf dem Balkon auf seinen großen Auftritt am 24.12., der letzte Arbeitstag ist vollbracht und ich habe jetzt 2 Wochen Weihnachtsferien: Zeit wird es für den Weihnachtsrundbrief.

Weihnachen stellt traditionell eine Zeit des Gebens dar, was wir auch darin sehen, dass uns um diese Jahreszeit mehr Briefe ins Haus flattern, die um eine Spende zum Jahresende bitten. In den USA können viele Organisationen ohne Spenden nicht überleben, weil der Staat oft eine untergeordnete Rolle bei der Finanzierung von Sozial- und Kulturprojekten spielt. Für meinen Weihnachtsrundbrief möchte ich euch zwei immer populärer werdende Trends vorstellen, die sich nicht unbedingt auf die USA beschränken, aber sich doch als uramerikanisch darstellen, nämlich den Anstieg von privaten Museen, die gebaut werden, um die Kunstsammlungen von Privatleuten der Öffentlichkeit zu zeigen und das sogenannte "Service Learning", das auch an unserer Schule, wo ich arbeite, ansatzweise versucht wird.

Zunächst zu den Museen. Über Thanksgiving hatten wir beide eine Woche frei und verbrachten diese in Los Angeles, genauer gesagt in Venice Beach. Da wir immer versuchen, etwas Neues zu entdecken, besuchten wir dieses Mal das private Museum "The Broad" in Downtown Los Angeles. Das Museum wurde eigens für 140 Millionen Dollar gebaut, um die private Kunstsammlung von Eli und Edythe Broad zu zeigen. Es eröffnete im Herbst 2015 und zeigt die modernen Kunstwerke, die das Ehepaar über Jahrzehnte erworben hat, sowie zusätzlich unterschiedliche Austellungen. Das Gebäude ist architektonisch interessant, modern und imposant. Eli Board suchte lange nach einem geeigneten Platz in Los Angeles, um seine Sammlung zu zeigen und beschloss dann, ein Gebäude in Downtown zu bauen. Downtown L.A. erlebt unter anderem auch wegen Institutionen wie "The Broad" so etwas wie eine Wiedergeburt, nachdem die Stadtmitte lange Zeit dahin vegetierte mit vielen leer stehenden Gebäuden. Eli Broard schaffte es zum mehrfachen Milliardär, weil er sich zunächst in Detroit eine goldene Nase verdiente beim Häuserbauen und -verkaufen. Das war ihm aber nicht genug, und er ging dann in die Versicherungsbranche und war mit seiner Firma Sun America ein zweites Mal sehr erfolgreich. Seine Frau Edythe ist und war allerdings die treibende Kraft beim Erweben von Kunst. Das Ehepaar (beide sind mittlerweile weit über 80 Jahre alt) widmet sich nun ganz der Philantrophie. Sie sind Teil der Gruppe der Milliardäre (=The Giving Pledge), die sich verpflichtet haben, mindestens die Hälfte ihres Vermögens zu spenden. Melinda und Bill Gates, Warren Buffet, Mark Zuckerberg und seine Frau gehören auch zu diesem Kreis.

Aber zurück zu dem Broad-Museum. 2000 Kunstwerke besitzt das Museum, darunter Werke von Joseph Beuys, Andy Warhol, Jeff Koons, Yayoi Kusama und Roy Lichtenstein. Der Eintritt ist frei, nur für Sonderausstellungen muss der Besucher zahlen. Man kann Karten für den Museumsbesuch online vorbestellen und für eine bestimmte Uhrzeit buchen, sodass man sich nicht in der Schlange der Spontanbesucher aufzureihen braucht. Sonst kann die Wartezeit schon einmal 2 Stunden betragen. Das Museum erfreut sich großer Beliebtheit. "The Broad" ist wie gesagt nur eines von vielen Museen in den USA, das sich nicht nur in privater Hand befindet, sondern auch exklusiv eine private Sammlung zeigt. Allgemein finde ich es löblich, wenn Kunstwerke nicht in privaten Villen verschwinden, sondern sich eine breite Öffentlichkeit daran erfreuen kann. Es gibt allerdings auch kritische Stimmen, die zu Bedenken geben, dass private Sammlungen oft ein Sammelsurium von Werken zeigen, die den Geschmack des Besitzers widerspiegeln, aber nicht unbedingt kuratorischen oder kunsthistorischen Gesichtspunkten folgen. Wir waren auf jeden Fall begeistert, Werke im Original zu begutachten, die wir vorher nur als Reproduktionen kannten.

In den USA ist es relativ üblich, dass auch Schüler sich schon ehrenamtlch betätigen. Das hat oft durchaus pragmatische Gründe, denn will man später auf ein gutes College gehen, reichen gute Noten nicht immer aus, sondern persönliches soziales Engagement zählt ebenso. Mittlerweile haben viele Schulen das Konzept des "Service Learning" (frei übersetzt etwa "Lernen durch soziales Engagement") übernommen. Dabei geht es darum, Schülern Erfahrungen durch soziales Engagement zu vermitteln, um ihre Sozialkompetenz zu stärken. Idealerweise engagieren sich die Schüler dabei in ihrer eigenen Nachbarschaft oder der der Schule. Dabei kann es zum Beispiel darum gehen, dass Schüler in der Kleiderkammer einer gemeinnützigen Organisation helfen oder den Spielplatz im Viertel von Müll befreien oder Senioren im Altersheim mit den neuen Technologien vertraut machen. Beim Service Learning wird der Schüler allerdings nicht einfach losgeschickt, sondern vorher im Unterricht darauf vorbereitet. Es werden Ziele gesetzt und die Erlebnisse und Erfahrungen reflektiert. Der neue Konrektor an meiner Schule ist begeisterter Anhänger dieser pädagogischen Methode. Da unsere Schüler allerdings noch relativ jung sind, ist es oft nicht so einfach, entsprechende Projekte zu finden, denn viele setzen ein Mindestalter voraus, bevor Schüler sich ehrenamtlich engagieren dürfen. Wir fangen also klein an an unserer Schule. Vor den Weihnachtsferien sammelten wir Winterjacken, denn einer unserer Mitarbeiter arbeitet ehrenamtlich mit Obdachlosen. Die Idee war, dass die Kinder entweder eine Jacke, die noch im gutem Zustand war, von zuhause spenden oder mit ihrem erspartem Taschengeld eine Jacke in einem Second-Hand-Laden kaufen. In der Klasse sprachen wir mehrmals mit den Kindern über das wie, warum und weshalb. Wie gesagt, das Ganze steckt bei uns noch etwas in den Kinderschuhen, aber ein Anfang ist gemacht.

In diesem Sinne wünschen wir euch alle frohe Weihnachten und ein zufriedenes Jahr 2020:

Angelika und Michael

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Letzte Änderung: 23-Dec-2019