Angelika Trotzdem wir hier nun schon fast 13 Jahre leben, kommt es immer noch vor, dass uns auf einmal Sachen auffallen, die einfach anders sind. Zu meinem Aufgabenbereich gehört zum Beispiel, Materialen für die autistischen Kinder zu erstellen, mit denen ich arbeite. Nun spielen wir seit geraumer Zeit das sogenannte Ratespiel und da wir für alles Symbolkarten anfertigen, machte ich eine mit einem Fragezeichen drauf. Als ich das Kärtchen allerdings meiner Kollegin zeigte, fragte diese ganz unschuldig, ob ich immer derart lustige Fragezeichen malen würde?
Ich begriff das erst gar nicht, denn seit Jahr und Tag sieht mein Fragezeichen aus wie ein seitenverkehrtes großes "S" mit einem Punkt darunter. Hier in den USA schreiben die meisten es aber eher wie ein nach links unten offenes "U" mit einem ganz geraden Strich nach unten, plus dem darunterliegenden Punkt. Die ganze Geschichte brachte mich so ins Grübeln, dass ich Michael zu Hause tatsächlich fragte, ob er mal eben ein Fragezeichen für mich schreiben könnte. Und siehe da, es sah genauso aus wie meins.
Es muss sich also um einen kleinen aber feinen kulturellen Unterschied handeln. Auch mein großes Druckschrift-"I" belächelt hier so mancher, denn es sieht aus wie eine eckige schließende Klammer, ist also näher am Schreibschrift-I. In den USA kreieren die meisten das gedruckte "I" wie die römische Zahl Eins. Ich dachte erst, dass dies meine persönliche Note sei, denn über die Jahre entwickelt ja jeder seine eigene Handschrift, aber eine Internetrecherche ergab, dass ich das sogenannte bayrische Druckschrift-"I" schreibe, allerdings die ältere Fassung. Hmm, ich bin aber doch in Niedersachsen in die Grundschule gegangen ... vielleicht kann mich mal einer von den Grundschullehrern aus der Leserschaft aufklären.
Es fällt allerdings auf, dass Schreibschrift hier anders aussieht und das scheint tatsächlich neben dem individuellen Stil daran zu liegen, wie das Schreibschriftschreiben in den unterschiedlichen Ländern in der Schule gelehrt wird. Ein faszinierendes Thema. Das fand übrigens auch der Typologe Florian Hardwig, der Schreibschriften aus mehreren Ländern in einem Forschungsprojekt verglich.