01.04.1999   Deutsch English

  Rundbrief Nummer 14  
San Francisco, den 01.04.1999


Doppelte Staatsbürgerschaft

(Angelika) Auch die Diskussion um die doppelte Staatsbürgerschaft erschien mir "typisch deutsch". Ich habe nämlich nicht so ganz verstanden, warum es eine Katastrophe ist, wenn man zwei Pässe hat. Das Argument, das ich am meisten gehört habe, war, dass man sich schließlich entscheiden muss, was man sein will. Daß man vielleicht beides sein will, scheint für viele nur schwierig nachzuvollziehen zu sein. Selber im Ausland lebend, kann ich gut verstehen, dass man nicht so einfach seine Staatsbürgerschaft abgeben will. Man möchte sich immer irgendwie noch die Tür offenhalten, ohne Probleme jederzeit zurück zu können, auch wenn man dies vielleicht nie in die Tat umsetzt. Das ist mehr eine psychologische Geschichte. Die doppelte Staatsbürgerschaft spiegelt eigentlich genau wieder, wie man sich fühlt, wenn man für viele Jahre in einem anderen Land lebt. Man ist ein Stück beides. Schade, dass es jetzt nur zu einem Kompromiss gekommen ist in Deutschland.

Amerika kennt übrigens im allgemeinen die doppelte Staatsbürgerschaft auch nicht. Nur die Behörde, die dafür sorgen müsste, den alten Pass einzuziehen, geht dem nicht nach, so dass viele eben doch zwei Pässe haben. Wird ein Kind auf amerikanischem Boden geboren und hat ausländische Eltern, erhält das Kind die amerikanische Staatsbürgerschaft und in der Regel auch die Staatsbürgerschaft seiner Eltern und muss sich dann bei Erreichen der Volljährigkeit für eine entscheiden. Ansonsten kann man als Ausländer erst dann amerikanischen Staatsbürger werden, wenn man fünf Jahre lang in Besitz einer amerikanischen Greencard ist und während dieser fünf Jahre konstant im Land war. Außerdem muss man nachweisen, dass man einigermaßen Englisch kann und die Grundlagen der amerikanischen Geschichte und den Aufbau der Regierung kennt. Das Ganze findet dann als Test statt. Fragen sind z.B.: Welche Farben sind die Farben unserer Flagge? Wieviele Sterne sind drauf? Wieviele Streifen? Für was stehen die Sterne? Für was die Streifen? Wer ist gerade Präsident? Wer ist gerade Vize-Präsident? Wieviele Repräsentanten sitzen im Kongress? Da kommt so mancher ins Grübeln. Die Anworten lauten freilich rot/weiß/blau, 50, 13, die Bundesstaaten, die 13 Bundesstaaten zur Gründung der USA, Bill Clinton, Al Gore, 435. Ist doch logisch! Natürlich darf man nichts ausgefressen haben bzw. darf nicht dabei erwischt worden sein, wenn man amerikanischer Staatsbürger werden will. Ihr seht schon, die Staatsbürgerschaft wird einem auch nicht gerade hinterhergeschmissen. Fünf Jahre hören sich zwar auf den ersten Blick nicht allzu lange an, man darf aber nicht vergessen, dass man die Greencard haben muss und diese ist auch nicht mehr so einfach zu bekommen. Außerdem hat natürlich nicht jeder die Greencard. Wir z.B. haben nur ein ordinäres Visum.

Das bringt uns zur Fragestellung zurück, wie es ist, im Ausland zu leben, und wie man aufgrund dieser Erfahrung sein eigenes Land beurteilt. Am ehesten läßt es sich vielleicht so beschreiben, dass man in beiden Ländern die Vor- und Nachteile sieht, beiden Ländern kritisch gegenüber steht, anderes aber auch mehr zu schätzen lernt.

Seitdem ich wieder hier bin, verbringe ich viel Zeit in der Dunkelkammer der Uni Berkeley, da ich dieses Semester zwei Fotokurse belegt habe. Ich wurde schon mit dem Titel "Queen of the Darkroom" (Königin der Dunkelkammer) belegt, übrigens nicht von Michael, sondern von einem Mitstreiter, der schon einmal einen Kurs mit mir zusammengemacht hat. Mein Zertifikatprogramm "Children and the Changing Family" habe ich ja letztes Semester abgeschlossen und, siehe da, schon trudelte per Post das Zertifikat ins Haus. Das sieht richtig schick aus: Stempel, Wappen der Uni usw. Da der Amerikaner praktisch denkt, hat das Zertifikat gleich eine bilderrahmenfreundliche Größe. Das Ganze sieht auf jeden Fall besser aus als mein Abitur- und Unizeugnis.

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