AOL kauft Netscape
(Michael) Und, vielleicht habt ihr's ja in den Nachrichten gehört, bei AOL geht's zur Zeit drunter und drüber. Für zehn Millarden Dollar hat AOL ja kürzlich den Internet-Pionier Netscape geschluckt. AOL ist ja hauptsächlich an der Ostküste vertreten (mit 9000 Leuten) und verfügt nur über einen kleinen Ableger (100 Leute) an der Westküste bei uns in San Mateo. Die gekaufte Firma Netscape hat ihren Sitz in Mountain View im Silicon Valley, etwa 30 Kilometer von San Mateo entfernt, dort arbeiten etwa 2500 Leute. Mit dem Zusammenschluss kam eine große Umstrukturierungsaktion, in der Presse waren 450 Entlassungen bei Netscape und 450 bei AOL angekündigt. So kam es: Plötzlich wurde bekanntgegeben, innerhalb zweier Wochen würde entschieden, wer bleiben dürfe und wer gehen müsse. Am Tag der Entscheidung, drei Tage später, waren die Konferenzräume, in die man sonst durch die sie umgebenden Glasscheiben schauen kann, mit Papier zugeklebt und die Leute wurden zu Meetings gerufen, vorher wurde den Entlassungskanditaten die traurige Nachricht übermittelt. Ich war ganz schön geschockt, zu erfahren, dass es meinen Cubicle-Nachbarn Dan und meinen Kollegen Jeff erwischt hatte -- zwei von zehn Ingenieuren wurde einfach gekündigt! Nun hat man den beiden eine Übergangszeit von 4 Monaten anberaumt, in denen sie sich neue Stellen suchen können und auch das Entschädigungspaket mit drei Monatsgehältern ist besser als anderswo üblich (wo man nämlich sofort rausgeworfen wird), aber dennoch war dieser Mittwoch ein "tougher" Tag. Auch von den anderen Abteilungen wurden schließlich die Kündigungen bekannt und es gab viele Tränen, ein trauriger Tag. Tja, die Arbeitswelt in Amerika ist hart. Äh, ja, ich vergaß: Das Ganze hat natürlich zur Folge, dass ich statt nach San Mateo künftig nach Mountain View ins Büro reisen muss, was statt einer halben Stunde mit dem Auto fast eine Stunde ist -- aber ich werd's überleben. Die positive Seite daran ist, dass bei Netscape um die zwanzig Gebäude mit viel Platz stehen und es sich um eine richtige Internetfirma der ersten Stunde handelt: Man muss nicht nur lange Haare haben und ein Skateboard besitzen, um dort zu arbeiten, es gibt auch einen Campus mit 20 Gebäuden einschließlich Garten und Teich, eine Cafeteria, viele Billardtische, Räume mit Sofas auf denen man sich zum Überlegen hingrunzen kann, eine Concierge, der man Aufträge zum Erledigen hinterlassen kann (z.B. "Bitte ein halbes Pfund Wurst einkaufen") und dergleichen mehr. Na, ich bin gespannt.
Bis zum nächten Rundbrief!
Eure Amerika-Abenteurer:
Angelika und Michael