Angelika/Mike Schilli |
(Michael) Und hier sind wir wieder -- eure rasenden Rundbriefreporter Angelika und Michael, die nun schon seit mehr als fünf Jahren in einer der aufregendsten Städte der USA leben, Land und Leute studieren und sich noch immer redlich bemühen, nicht total zu veramerikanisieren! Und ich platze gleich mit der Sensation heraus: Wir haben neulich, nach Jahren des Hoffens und Bangens endlich per Post die Greencard erhalten! Angelika wird ganz genau schildern, wie die letzten Schritte abgingen -- zuerst jedoch noch einige Lokalnachrichten:
Außer unserem mexikanischen Nachbarn natürlich, der begeistert zuschaute. Und mitlitt, als Mexiko gegen die USA verlor. Mexikaner sind in den USA nicht hoch angesehen, da die meisten mangels Alternativen in Mindestlohnjobs arbeiten müssen und es nur ganz wenige schaffen, dem Teufelskreis zu entfliehen.
In Kalifornien ernten Mexikaner Südfrüchte und Weintrauben, decken Dächer und führen private Abrissarbeiten durch, putzen Autos, mähen den Rasen und spülen in Gaststätten das Geschirr.
Ohne Mexikaner würde die kalifornische Wirtschaft sofort zusammenbrechen. In der Cesar-Chavez-Strasse in San Francisco, die ironischerweise den Namen eines Mannes trägt, der sich dafür eingesetzt hat, dass Niedriglohnarbeiter gerechtere Löhne bekommen, stehen jeden Tag hunderte von Mexikanern, die darauf warten, dass ein reicher Hausbesitzer im Pickup-Truck vorbeifährt, und drei, vier Leute auflädt, damit sie für fünf, sechs Dollar die Stunde Arbeiten erledigen, die sonst keiner machen will. Aber im Fußball hatten sie bislang die Nase vorn -- und da kommen die ausbeutenden USA und gewinnen, das war bitter und wurde hier und in Mexiko auch so diskutiert.
Was ich eigentlich sagen wollte: Die Mexikaner sind hier absolut fußballbegeistert und sprechen in den höchsten Tönen von der deutschen Mannschaft. Unser Nachbar hat mir neulich erzählt, dass der deutsche Super-Torwart Oliver Kahn im spanischen Sender in San Francisco "el gato volador" genannt wird -- die "fliegende Katze", die raubtierhaft umherschnellt und die Bälle nur so rausbugsiert. Seit neuestem ziehen die mexikanischen Kommentatoren im Fernsehen übrigens nicht mehr nur das Wort "Gooooool" über 20 Sekunden in die Länge (kein Schmarr'n, ich hab's gestoppt), nein topaktuell ist es "Gol Gol Gol Gol Gol Gol" zu skantieren, das klingt dann wie eine amerikanische Polizeisirene. Übrigens ist es egal, welche Mannschaft das Tor schießt, ge-goool!-t wird in jedem Fall.
Und in San Francisco gibt's bekanntlich mehr Ausländer als Amerikaner und deswegen hatten sogar einige Bars in den frühen Morgenstunden geöffnet, um den Fußballfans Gelegenheit zu geben, die Spiele live zu verfolgen. Bier gab's allerdings keins, denn zwischen 2 und 6 herrscht in San Francisco Ausschankverbot, das strikt eingehalten wird.
(Michael) Neulich dachte ich mir: Es wäre doch schön, wenn wir als Andenken an unsere Zeit in San Francisco einen Strafzettel bekämen, auf dem "PERL MAN" steht -- das personalisierte polizeiliche Kennzeichen unseres Autos (Rundbrief 03/2000). Am Sonntag Nachmittag war es dann soweit: Ich kam vom Supermarkt heim und stellte den treuen "PERL MAN" dreist auf den Gehsteig, um ihn auszuladen. Oben in der Wohnung signalisierte mir Angelika, dass sie mit Oldenburg am Telefon sei und wir in zwei Minuten zu einer Unternehmung aufbrechen könnten. Ausgelassen schaltete ich den Fernseher an. Eine Stunde später war's dann soweit und wir hatten einen Strafzettel am Auto, hurra! Für $25 zwar nicht ganz billig, aber ein einmaliges Souvenir, wie ihr in Abbildung 5 seht!
Personalisierte Strafzettel
Darauf seht ihr auch, dass es 250 Dollar kostet, falls man an einer Bushaltestelle parkt oder $275, falls man ein Auto ohne Behindertenausweis auf einen Behindertenparkplatz stellt -- oder einer Behindertenrampe nur drei Fuß (etwa einen Meter) zu nahe kommt! Ähnlich drakonische Strafen werden für das Fahren in der Car-Pool-Lane (Rundbrief 07/2001) verhängt ($274), wenn man allein im Auto sitzt. "Parking within 18 inches of curb" kostet 23 Dollar -- ich nehme an, dass damit gemeint ist, dass man nicht weiter als 18 Zoll (45.54 cm) vom Randstein weg parken darf. Und vor einem Hydranten zu parken, kostet nur den Dauerniedrigpreis von $33 -- das kann ich mir leisten, wartet ab, vielleicht demnächst im Rundbrief!
Auf der Website von Søren F. Ragsdale stehen übrigens alle absurden Zahlenwerte, die der kalifornische Autofahrer kennen muss, wenn er einen Führerschein beantragt: Parken darf man nur 7,5 Fuß von Eisenbahnschienen entfernt, 15 Fuß von einem Feuerhydranten und 3 Fuß von einer Gehsteigrampe.
(Michael) Heute: Der Garbage-Disposer E20 von Emerson. Schon mal habe ich geschrieben, dass es in amerikanischen Küchen üblich ist, dass unter der Spüle ein sogenannter Garbage-Disposer hängt. Zwischen Abfluss und Abflussrohr ist ein kleines Häckselwerk, das auf Knopfdruck anspringt und rohrverstopfende Abfälle so klein verkleinert, dass sie durch das Abflussrohr passen. Was man in der Küche so schnetzelt, kippt man einfach in die Spüle, stellt das Wasser an und das Schnetzelwerk -- und schwupps, rauscht es ins Abwasser!
Abbildung 6 zeigt, wie ich Obstabfall in den Ausguss gekippt habe, in Abbildung 7 seht ihr die daraus resultierende mittelmäßige Rohrverstopfung. Ein sattes halbes PS im Triebwerk des Emerson macht aber auch hartnäckigem Abfall gnadenlos den Garaus (Abbildung 8). Kraftvoll. Zuverlässig. Emerson.
Vor einiger Zeit habe ich's mal übertrieben und zuviel Unrat reingekippt, und prompt stellte Emerson seine Arbeit ein. Oh nein, dachte ich, jetzt muss ich den Vermieter anrufen und warten, bis sich ein Disposer-Spezialist erbarmt, bei uns verbeizuschauen. Ein Blick unter die Spüle offenbarte aber, dass dem Emerson E20 ein kleiner Imbusschlüssel beiliegt, den man einfach nur unten reinsteckt, einmal im Kreis dreht und manuell den Abfall verkleinert, schon läuft er wieder! Ein Super-Produkt!
(Michael) Mit Spannung erwartet, doch in letzter Zeit absent: Es gab einfach keine überzeugenden neuen Platten. Doch heute ist's passiert: Ich habe mir die Scheibe "This Is It" von "The Strokes" gekauft, die schon vor einem halben Jahr erschienen ist! Das Lied "Last Nite" kannte ich schon aus dem Radio, aber ich hatte keine Ahnung, dass "Hard to explain" und "SOMA" auch drauf sind -- zu beiden Songs fährt man am besten an einem heißen Tag in San Francisco in einem 11 Jahre alten Acura Integra ohne Klimaanlage mit heruntergekurbeltem Fenster mit kurzen Hosen und barfuß mit Vollgas das Hügel-Dreierset auf der Church Street zwischen 17ter und 22ster Straße hoch. Dann klingt's, als wäre die Musik in Kalifornien erfunden, dabei kommt sie aus New York City! Sofort kaufen und pausenlos anhören! Bis wir im nächsten Rundbrief die neue von den "Red Hot Chili Peppers", meiner Lieblingsgruppe, besprechen.
Die Osbournes sind Briten, wohnen aber in einem hässlichen Schloss für Neureiche im Nobelvorort Beverly Hills in Los Angeles. Ozzy Osbourne ist heute 53 Jahre alt und ein totales Wrack. Bei "Black Sabbath" -- in den Siebzigern absolute Superstars der Hardrockszene -- ging's rund: Ozzy zog sich die Drogen rein wie eine Kreiselpumpe. Heute schlurft er wie ein Zombie in der Wohnung rum, murmelt wirres Zeug und schreit nach seiner Frau (Sharon! Shaarooooon!!) wenn er was nicht findet, der Fernseher spinnt oder der Hund mal wieder auf den Teppich gekackt hat.
Eltern wie Kinder benutzen ständig schlimme Schimpfwörter, die nicht mal in einer Ghettofamilie ungestraft durchgingen. Bei den Osbournes ist es aber ganz normal, dass man das das so genannte F-Wort benutzt. Das Fernsehen muss deswegen (wie schon mal in Rundbrief 12/2000 beschrieben) die Dialoge mit Pieptönen zensieren: Ozzy: "What the --BLEEP-- is that?" Tochter Kelly: "The --BLEEP--ing dog --BLEEP-- on the --BLEEP-ing carpet again!".
Interessant wird's, wenn sich der von oben bis unten tätowierte Ozzy seinem Nachwuchs gegenüber als der verantwortungsbewusste Vater präsentiert und beispielsweise darauf besteht, dass die Kinder um eine bestimmte Uhrzeit von einer Party nach Hause kommen. Oder wenn er seiner liebenswürdigen Frau im mittelenglischen Arbeiterdialekt gesteht: "Sharon, I louv yoo moh than leyf itself ..." ("Sharon, I mog di liaba oisas Leb'n selba"). Das macht die Sendung so charmant.
MTV hatte sie mit kleinem Budget produziert, und überhaupt nicht mit Erfolg gerechnet. Sie schlug aber ein wie eine Bombe -- und verdrängte sogar die Mega-Millionen-Produktionen auf den anderen Kanälen in den Einschaltquoten. MTV verlängerte den Vertrag mit den Osbournes kürzlich für eine zweite Staffel. Die Verantwortlichen berichteten, die Verhandlungen seien total chaotisch verlaufen, Ozzys Frau Sharon habe die MTV-Leute immer wieder hingehalten und sich wild hin- und herentschieden. Ozzy selbst kriegt sowieso nur die Hälfte mit und wird sicher mit der verhandelten Gage zufrieden sein. Unter The Osbournes findet ihr mehr zu dieser ungewöhnlichen Familie.
Bahn frei für Angelika!
(Angelika) Hurra! Hurra! Die Greencard ist da! Es geschehen noch Zeichen und Wunder. Wir sind jetzt "Permanent Resident Aliens", wie es im schönsten Beamtenamerikanisch heißt. Wir fassen es immer noch nicht. Das Wort "Alien" amüsiert uns dabei immer köstlich, denn kein Mensch bezeichnet einen Ausländer im normalen Sprachgebrauch als "Alien", das riefe Stirnrunzeln hervor und wäre politisch unkorrekt. Es heißt "Foreigner". Bei "Alien" denkt hier jeder an Außerirdische und den Film "ET", aber das "INS" (INS = Immigration and Naturalization Services = amerikanische Einwanderungsbehörde) schert dies wenig. Huch, ich schweife ab.
Vor geraumer Zeit kündigte ich an, über unseren dritten und letzten - äußerst nervenaufreibenden - Greencard-Schritt zu berichten. Wer meine vorherigen Ausführungen über die Greencard noch einmal nachlesen möchte, kann im Rundbrief 09/2001 sein Gedächtnis auffrischen.
Und da ich mal nicht so sein will, hier noch schnell eine Kurzzusammenfassung der Schritte eins und zwei: Wir durften die Greencard beantragen, weil Michaels berufliche Qualifikationen der amerikanischen Wirtschaft von Nutzen sind, da ein Mangel an amerikanischen Software-Ingenieuren herrscht (bzw. herrschte), den man mit gut ausgebildeten Ausländern zu beseitigen suchte -- eine so genannte Einwanderung aus Beschäftigungsgründen ("green card through employment").
AOL beantragte also Michaels Greencard. Im ersten Schritt galt es, gegenüber den zuständigen Arbeitsbehörden zu beweisen, dass Michael keinem Amerikaner den Arbeitsplatz wegnimmt, d.h. dass tatsächlich ein Arbeitskräfte-Mangel in seiner Branche vorliegt. Die Behörden stellten das heiß begehrte "Labor Certificate" (= das Arbeitszertifikat) aus, das man braucht, um zum zweiten Schritt vorzudringen. Es ist mittlerweile übrigens wesentlich schwieriger geworden, ein Arbeitszertfikat zu erhalten. Durch die abgeschwächte amerikanische Wirtschaft kam es zu vielen Entlassungen, so dass sich der Mangel in Luft auflöste, also genügend Amerikaner auf den Arbeitsmarkt drängen.
Im zweiten Schritt prüfte die amerikanische Einwanderungsbehörde, ob Michael wirklich die notwendigen Qualifikationen besitzt, um den Posten bei AOL auszufüllen. Der dritte und letzte Schritt diente nun dazu, vom Nicht-Immigranten-Status (Leute mit Visa-Status) in den Immigranten-Status (Leute mit Greencards) überzugehen. Der Antrag wird in der Regel bei der zuständigen Einwanderungsbehörde in Amerika gestellt und heißt dann "Adjustment of Status" (= Anpassung des Status). Ich zog in diesem ganzen Prozess einmal wieder die Rockzipfelkarte (Orginalton Michael). Michael meint damit, dass ich die Greencard nur deshalb bekam, weil ich mit ihm verheiratet bin. Familie schreibt man in Amerika groß.
Auch beim letzten Schritt hieß es: Formlare über Formulare ausfüllen. Wecktet ihr mich aus dem Tiefschlaf, ratterte ich euch immer noch aus dem Stehgreif herunter von wann bis wann Michael seine Bundeswehrzeit absolvierte, für welche Firmen er jemals gearbeitet hat und wie lange; einschließlich der entsprechenden Firmenadressen, wie lange wir wo unter welcher Adresse wohnten usw. Aber ihr braucht jetzt nicht die Panik kriegen, ich werde nicht über jedes einzelne Formular des dritten Schrittes schreiben. Nur mit den Meilensteinen beglücke ich euch.Endlich die Greencard
Kurzer Hand suchte ich einen Doktor in unserer unmittelbaren Nähe heraus und landete deshalb in der tiefsten Mission, dem südamerikanische Viertel, das ja bekanntlich bei uns um die Ecke liegt. Wir gingen getrennt hin, und jeder erzählte nachher dieselbe Geschichte: Im Wartezimmer sprach niemand außer der Sprechstundenhilfe Englisch, aber der von den Philippinen stammende Arzt konnte es recht gut und machte einen erfahrenen Eindruck.
Er absolvierte zunächst eine ganz allgemeine Untersuchung. Ihr wisst schon: in den Hals gucken, abhorchen, Blutdruck messen, Grösse und Gewicht bestimmen etc. Dann spritzte er uns das Zeug für den Tuberkolose-Test unter die Haut und besprach ausführlich, welche Impfungen wir im Kindes-und Erwachsenenalter durchzogen bzw. welche Kinderkrankheiten wir durchlitten hatten. Auf seiner Liste standen für unsere Altersgruppe: Mumps, Masern, Röteln, Tetanus, Diphterie, Polio, Keuchhusten, Windpocken. Ach, wie freuten wir uns, dass ich ordentlicher Mensch alle Imfpässe (sogar die aus Kindertagen) vorweisen konnte. Michael biss allerdings in den sauren Apfel: Röteln übersprang er als Kind und bekam deshalb eine Impfung aufgedrückt. Für meine Untersuchung drückten wir $125 ab, für Michaels wegen der zusätzlichen Impfung $175.
Dann ging es ab zum Aidstest. In den USA schickt einen der Arzt für Blutuntersuchungen übrigens in spezielle Labors. Das ist zwar ein wenig lästig, aber die Leute sind Blutabnehm-Profis, denn die machen ja den ganzen Tag nichts anderes. Uns schickte der Arzt zu einer Außenstelle des St.Lukes-Krankenhauses mitten auf der Mission Street. Als ich dort ankam, dachte ich zunächst, irgendetwas stimmt hier nicht. Denn ich musste an Schaufensterauslagen vorbei, die in typischer Missiontradition billige, bunte Waren mit südamerikanischen Einschlag anpriesen, einen dunklen Gang hinunter gehen und stand schließlich vor einer Bürotür. Nach Labor sah das Ganze nicht aus. Das Schild an der Tür besagte allerdings, dass ich richtig sei. Mutig trat ich ein und befand mich in einem winzigen Raum, in dem sich ein Schreibtisch, ein Tisch mit Kanülen zum Blutabnehmen, ein Stuhl und eine Person im weißen Kittel befand. Der erste Gedanken, der mir durch den Kopf ging: Oh je, hoffentlich arbeiten die hier gewissenhaft und ich hole mir nicht irgendetwas (Michael hatte die gleichen Sorgen). Haltet uns jetzt nicht für arrogant, aber das amerikanische Gesundheitssystem liegt wirklich dermaßen im Argen, ihr macht euch keine Vorstellungen, was ich schon erlebt habe, aber davon vielleicht ein anderes Mal mehr.
Bevor sich die Arzthelferin ans Blutabnehmen machte, unterschrieb ich, dass ich verstanden hatte, dass es sich um einen Aidstest handelte. Das unterschreibt übrigens jeder und nicht nur die Greencard-Anwärter. Allgemein ist es ja fraglich, solch einen möglicherweise alles verändernden Test zu absolvieren nur weil man ihn für die Greencard braucht. Man stelle sich nur das Szenario vor, bei dem Aidstest positiv zu testen. Bezahlen mussten wir selbstverständlich auch im Voraus. Das Ganze kostete für jeden $126.90, wobei allein $77 auf den Aidstest entfielen. Den Rest berappten wir für den Test, der Syphilis aufspürt und einige andere undurchsichtige Posten. Typisch Amerikanisch gab es Rabatt, wenn wir bar oder mit Scheck bezahlten, und zwar satte 40%. Machten wir natürlich. "Aids-test on sale!"
Einige Tage später machten wir uns erneut auf den Weg zum Doktor, damit dieser unseren Tuberkulose-Hauttest begutachten konnte. Natürlich interessierte uns auch das Ergebnis der Blutuntersuchung. Als wir beim Doktor ankamen, fragte ich die Sprechstundenhilfe nach den Ergebnissen. Die wühlte wild in unserer Akte herum und sagte freudestrahlend, dass ihnen schriftlich noch nichts vorliege, sie aber gleich im St.Lukes-Krankenhaus anriefe, um die Ergebnisse zu erfragen, worauf sie das Telefon zückte und wählte. Ich erblasste etwas, als sie das Telefon auf Lautsprecher stellte, denn schließlich befand ich mich im vollen Wartezimmer. Sie besann sich aber und stellte den Lautsprecher ab, als sich jemand am anderen Ende meldete. Leider dauerte es eine Ewigkeit, bis die betreffende Person die Ergebnisse fand und mir lief es dann doch kalt und heiß den Rücken runter - man weiß ja nie. Schließlich beendete die Sprechstundenhilfe das Telefongespräch, bequemte sich aber nicht, mir die Ergebnisse mitzuteilen. Schüchtern fragte ich nach und sie zuckte lapidar mit den Schulter und sagte, dass alles okay wäre. Der Wahnsinn! Der Rest verlief dann kurz und schmerzlos: Der Arzt las den TB-Test ab und füllte das Formular für die Einwanderungsbehörde mit zittrigen Händen aus, wobei die Sprechstundenhilfe ihn hin und wieder korrigierte. Wir wundern uns heute noch, dass alles richtig war.
Wir hatten nämlich schon die ein oder andere Horrorstory auf dem Internet gelesen, dass die Einwanderungsbehörde beim späteren Begutachten des Formulars fehlerhaftes Ausfüllen bemängelte und die Greencard-Anwärter nicht nur die ärztliche Untersuchung wiederholen mussten, sondern sich dadurch auch der Prozess weiter in die Länge zog. Der Trick bei der Sache ist nämlich, dass das Formular in einen Briefumschlag wandert und der Arzt den Briefumschlag mit Stempel versiegelt. Nur die ehrenwerte Einwanderungsbehörde darf den Brief wieder öffnen.
Übrigens führt nicht jegliches Aufdecken einer Erkrankung dazu, dass der Greencard-Anwärter die rote Karte zieht. Handelt es sich um eine heilbare Krankheit, gilt nachzuweisen, dass der Betreffende wieder zu den Gesunden zählt, was allerdings wieder bedeutet: Papierkram, Papierkram, Papierkram.
(Angelika) Kein Greencard-Antrag ohne Lichtbilder. Und die Greencard-Fotos unterliegen den strengen Vorschriften der Einwanderungsbehörde. Der Rechtsanwalt gab uns ein maschinengetipptes DIN-A-4-Merkblatt mit Anweisungen samt einer Liste der Fotogeschäfte, die um die 100 und eins Bestimmungen wissen und Erfahrung mit deren Umsetzung haben. Hier einige Auszüge aus dem Merkblatt zu eurer Erheiterung: Brille, Ohrringe und Haarspangen sind tabu. Das Foto sollte 30 mm (1 3/16 inches) - vom Haar bis unterhalb des Kinns - lang und 26 mm (1 inch) - vom rechten Ohr zur linken Wange - breit sein. Der Hintergrund muss weiß sein. Das Foto darf keine Schatten haben oder retouchiert sein. Polaroid-Film #5 ist akzeptabel, SX-70-Film hingegen nicht. Das Foto muss das gesamte Gesicht der Person zeigen (3/4 Pose). Das rechte Ohr und linke Auge müssen zu sehen sein.
(Angelika) Und es falle niemand dem amerikanischen Staat auf die Tasche: die "Affidavit of Support" (lässt sich am ehesten mit "eidesstattlicher Versicherung über finanzielle Unterstützung" übersetzen) eines meiner Lieblingsformulare in unserem Greencard-Prozess. Ihr erinnert euch: Ich bekam die Greencard aufgrund der Tatsache, dass ich mit Michael verheiratet bin. Michael musste nun nicht nur versichern, dass er mich aushält, so dass ich dem amerikanischen Staat nicht zur Last falle, sondern auch dass er über genügend finanzielle Mittel verfügt, um uns beide durchzubringen: eine hochoffizielle Angelegenheit mit Notar und Schwur.
Im dritten Schritt eröffnet sich außerdem die Gelegenheit, eine vorläufige Arbeitsgenehmigung ("Employment Authorization Document") zu beantragen, bis der eigentliche Greencard-Antrag genehmigt ist. Denn der dritte Schritt dauert erfahrungsgemäß sehr lange und für viele Antragsteller kommt der Zeitpunkt, an dem das Visum und die damit verbundenen Arbeitsgehmigungen auslaufen, bevor die Greencard durch ist. Die Karte erlaubt es einem, temporär wie mit einer Greencard zu arbeiten. Der einzige Haken bei der Sache: Benutzt man das Arbeitsdokument, verliert man seinen H-1B-Visa-Status auch dann, wenn das Visum noch gilt. Deshalb beantragten wir zwar die vorläufige Arbeitsgenehmigung (für den Notfall), benutzten sie aber nicht.
Befindet man sich im Prozess des "Adjustment of Status" darf man ohne besondere Erlaubnis der Einwanderungsbehörde die USA nicht verlassen. Das gilt auch für Reisen nach Kanada und Mexico. Deshalb beantragt man besser die so genannte "Advance Parole". Übersetzen lässt sich das am besten mit vorläufiger Entlassung. Es handelt sich um ein Reisedokument, das man braucht, um wieder zurück ins Land zu kommen. Übrigens heißt es in Amerika auch "Parole", wenn ein Häftling auf Bewährung aus dem Gefängnis entlassen wird. H- und L-Visainhaber fallen unter eine Ausnahmeregelung: Solange die Visa noch gültig sind, ist die Ein- und Ausreise auf ihnen erlaubt.
Nicht nur die Einwanderungsbehörde quälte uns mit Formularen, auch das Finanzamt (in Amerika "Internal Revenue Service" genannt, abgekürzt IRS) bestand darauf, an unserem Greencard-Prozess teilzunehmen. Die Finanzbehörde prüft nämlich, ob wir auch brav in Amerika unsere Steuern zahlten und eine Steuererklärung abgaben. Dazu beantworteten wir Fragen auf dem Formular "IRS Form 9003". Die Einwanderungsbehörde gab die Angaben, die wir dort machten, dann ans Finanzamt weiter.Lichtbilder
Affidavit of Support
Nach 10 Minuten beschließe ich, zu dem anderen Eingang hinüberzuwandern, in der Hoffnung jemanden Kompetenten zu finden, der das Schlangenrätsel für uns löst, obwohl die Türen für das Fußvolk noch geschlossen sind (Erwähnte ich schon, dass nirgendwo Schilder stehen, die Hinweise geben?). Ich treffe auf Sicherheitspersonal, das am Eingang steht. Geduldig erkläre ich, dass die Einwanderungsbehörde unser I-485 (man wirft immer mit den Abkürzungen der Formulare um sich; es sieht dann so aus, als wüsste man wovon man spricht) genehmigt hätte und dass wir hier wären, um unseren Stempel in unseren Pass zu bekommen. Prompte Rückfrage: "Haben Sie einen Termin?" Etwas verzweifelte Antwort: "Nein, nicht wirklich", denn auf dem Schreiben, das wir in den Händen halten, ist kein konkretes Datum und keine spezifische Uhrzeit für unser Erscheinen angegeben. Zu erwartende Antwort: "Dann müssen Sie sich mit allen anderen anstellen!" Schwupps, und ich stehe wieder in der Schlange neben Michael, die stetig wächst. Während wir geduldig warten, frage ich mich, warum noch keiner auf die Idee kam, Kaffee und Bagels (so etwas Ähnliches wie ein Brötchen mit Loch) an die Wartenden zu verkaufen. Eine echte Marktlücke. Hinter unserem indischen Mitstreiter steht ein weiterer indischer Landsmann mit seiner Familie und seinem Kind -- jeder muss persönlich beim INS aufkreuzen. Erneut kommt das Schlangenproblem auf, wieder wandert jemand zum anderen Eingang, fragt die Fragen, die schon ich stellte, und kommt mit der gleichen Antwort zurück. Langsam weicht unsere Skepsis und wir beginnen zu glauben, dass wir tatsächlich in der richtigen Schlange stehen.
Um 6:45 Uhr kommt Bewegung in den Pulk der Menschen. Die Türen öffnen sich. Etwa 10 Leute erhalten jeweils Eingang ins Gebäude. Jeder muss sich ausweisen, Taschen werden durchleuchtet und man geht durch den Metalldetektor. Die Schlange bewegt sich eher im Schneckentempo, denn es gibt nur einen Metalldetektor und eine Durchleuchtungsmaschine. Hurra, um 7:30 Uhr betreten wir die heiligen Hallen. Die Sicherheitsleute kassieren Michaels digitale Kamera ein (keine Sorge, er bekam sie zurück, als wir das Gebäude wieder verließen) und wir gehen durch ein Labyrinth von Absperrungen, stoßen schließlich auf drei Schalter. Wir reichen dem Mann hinter dem Schalter unsere Papiere. Der schaut uns zunächst etwas verstört an, will uns aber dann zum nächsten Schalter schleusen, an dem es scheinbar Wartenummern gibt. Plötzlich schaltet sich ein anderer INS-Beamter (scheinbar ein Vorgesetzter) neben ihm ein und belehrt ihn, dass wir gleich zum Büro 200-B gehen könnten, denn unser positiver Bescheid käme einem Termin gleich. Ihr ahnt, was das bedeutet: Wir hatten in der falschen Schlange angestanden. Nach einigen leisen Stoßseufzern bahnen wir uns den Weg durch das Labyrinth von Gängen und stehen vor der Bürotür 200-B. Es ist mittlerweile 7:50 Uhr. An der Bürotür hängt ein Schild, das uns auffordert, den Brief, der unseren Termin anzeigt, durch den vorgesehenen Schlitz in der Tür zu schmeißen. Einziges Problem: Wir haben keinen festgesetzten Termin. Viele Leute sitzen mittlerweile im Vorraum - einige mit Termin, einige ohne - und die Diskussion beginnt, was die Leute ohne festen Termin in den Schlitz werfen sollen, denn wie wissen die zuständigen Beamten sonst, dass wir vor der Tür warten? Es bleibt nur die Möglichkeit, das Original (!) des positiven Bescheids, den wir in den Händen halten, einzuwerfen. Viele verzweifeln darüber allerdings, denn der Bescheid ist der einzige Beweis, dass die Einwanderungsbehörde dem Greencard-Antrag zustimmte. Michael macht natürlich dumme Witze, dass sich hinter dem Schlitz ein Reißwolf befindet, der alle Papiere vernichtet.
Kurz vor 8 Uhr schlüpft eine Beamtin aus einer der hinteren Türen und obwohl überall Schilder hängen mit der Aufschrift "NO QUESTIONS, NO INFORMATION" (KEINE FRAGEN, KEINE INFORMATION), spreche ich sie mutig an, um herauszufinden, was wir in den Schlitz einwerfen sollen. Zunächst schweigt sie beharrlich, aber nachdem ich sie verzweifelt anschaue, zeigt sie sich von ihrer großzügigen Seite -- der offizielle Bescheid ist einzuwerfen. Um 8 Uhr öffnet sich die Bürotür und INS-Beamte rufen die ersten Leute ins Interview, ganz so wie in dem Film "Green Card". Die Wartenden halten nicht nur Familien-Fotoalben bereit, um zum Beispiel zu beweisen, dass die Ehe mit einem amerikanischen Staatsbürger wirklich existiert, sondern haben in der Regel auch einen Rechtsanwalt im Schlepptau. Beantragt man eine Greencard mit Hilfe des Arbeitgebers, entfällt in der Regel das Interview, so wie auch in unserem Fall.
Um 8:05 beordert ein weiterer Beamter alle Personen, die bereits über einen positiven Greencard-Bescheid verfügen (also auch uns), in den Wartebereich eines anderen Schalters und beginnt seine Arbeit. Um 8:30 Uhr ruft er uns auf. Wir geben unsere Pässe und Lichtbilder ab, von einem einzelnem Finger wird zweimal ein Fingerabdruck genommen (diesmal mit Tinte) und wir unterschreiben ein dafür vorgesehenes Formblatt zweimal. Fingerabdruck, Unterschrift und Lichtbild befinden sich später auf der eigentlichen Greencard. Der Beamte bestätigt noch unsere Adresse, an die die Greencard geschickt werden soll, dann nehmen wir wieder im Warteraum Platz. Bis die Greencard dann im Briefkasten liegt, zieht man übrigens besser nicht um, denn Greencards darf die Post nicht nachsenden. Es besteht zwar die Möglichkeit, eine Adressenänderung der Einwanderungsbehörde mitzuteilen, aber das Risiko würden wir nach unseren Erfahrungen nicht im Traum eingehen, wer weiß, wo die Mitteilungen landen.
Um 9:30 Uhr ruft uns eine andere Beamtin auf. Sie hält unsere Pässe in den Händen, zeigt uns den Stempel, der als vorläufige Greencard gilt und ein Jahr (mit der Möglichkeit auf Verlängerung nach Ablauf des Jahres) gültig ist. Sie informiert uns noch, dass die eigentliche Greencard in sechs bis zwölf Monaten bei uns eintrudeln wird. Michael behauptet später, dass der rote Stempel wie Kartoffeldruck aussieht, was stimmt. Unsere Namen sind dabei handschriftlich unter den Stempel gesetzt, fast ein wenig enttäuschend nach all der Wartezeit. Um 9:40 Uhr verlassen wir das Gebäude glückstrahlend und gehen zur Feier des Tages fürstlich frühstücken, bevor Michael ins Büro fährt.
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