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  Rundbrief Nummer 30  
San Francisco, den 01.05.2001


Abbildung [1]: Kabelbox, Video-Rekorder und TiVo-Kasten

Und hier das Rundbrief-Top-Produkt: Der TiVo-Kasten. Ihr in Deutschland habt ja mittlerweile auch das Problem, dass nur noch Kacke im Fernsehkasten kommt, die auch noch laufend von Werbung unterbrochen wird. In Amerika ist das noch viel schlimmer und deswegen hat sich die Firma TiVo einen Kasten ausgedacht, der einen kleinen Computer enthält, der das Fernsehprogramm laufend auf eine Festplatte aufzeichnet, während man fernsieht.

Hat man dann einen Satz in einer Fernsehsendung überhört, weil man wieder viel zu laut Kartoffelchips gefuttert hat, kann man schnell auf die TiVo-Fernbedienung drücken und in der Zeit zurückspringen -- bis zu einer halben Stunde. Dann sieht man das Programm allerdings zeitversetzt: Man sieht sich die Vergangenheit an, während der TiVo-Kasten weiter die Gegenwart aufzeichnet. Eine geschickte Möglichkeit, die immer wieder eingestreute Werbung auszublenden ist natürlich, TiVo die Sendung aufzeichnen zu lassen, etwas zeitversetzt anzusehen und die Werbeblöcke im Schnelldurchlauf zu überspringen.

Da schreien die ersten: Hahaha, das kann mein Videorekorder auch! Dazu sagt euer Onkel aus Amerika: Nicht so voreilig, Kinder. Der TiVo-Kasten kann gleichzeitig eine Sendung aufnehmen und eine andere, schon gespeicherte, abspielen. Oder sogar den Anfang einer aufgezeichneten Sendung abspielen, während diese noch gar nicht zu Ende ist! Kommt man also zu spät nach Hause und die Lieblingsfernsehshow hat schon angefangen, muss man nicht gleich durchdrehen und zum Waffenschrank rennen (siehe vorletzer Rundbrief), sondern lässt einfach den TiVo-Kasten den Anfang der Sendung abspielen, während er das Ende weiter aufzeichnet. So sieht man die Sendung lediglich etwas zeitversetzt! Bei den Werbepausen kann man dann durch Vorspulen immer wieder ein paar Minuten aufholen, bis man wieder in der Gegenwart ist!

Diese Zeitverzögerung kommt auch dann zum Einsatz, falls man live etwas im Fernsehen sieht, aber schnell zum Telefon rennen muss, weil wieder ein Depp zur besten Fernsehzeit anruft. Da drückt man einfach die "Pause"-Taste und der TiVo-Kasten nimmt die Sendung weiter auf. Drückt man später die "Play"-Taste, fährt der TiVo-Kasten am Unterbrechungszeitpunkt mit dem Abspielen fort, zeichnet aber weiterhin die Gegenwart auf.

Außerdem kennt der Kasten auch noch das ganze Fernsehprogramm auswendig, weil er in der Nacht heimlich in der TiVo-Zentrale anruft und sich das aktuelle Tagesprogramm runterlädt. Dem TiVo-Kasten muss man dann dank schlauer Software nicht sagen "Schalte am Dienstag um 19:00 auf Kanal 2 ein und nimm eine halbe Stunde auf", sondern man sagt ihm den Namen der Sendung. Sage ich zum Beispiel "Seinfeld", fragt er mich, ob ich nur die nächste Sendung will, die gleich irgendwo läuft oder vielleicht sogar einen sogenannten "Season Pass", eine "Dauerkarte", mit dem er dann jede "Seinfeld"-Sendung aufzeichnet, die irgendwann irgendwo auf den 60 oder so Kanälen läuft, die wir empfangen können. In dem Kasten haben 30 Stunden Fernsehen Platz und man muss nicht mühselig mit Video-Kassetten hantieren, da der Computer in dem Kasten das auf seiner Festplatte speichert.

Abbildung [2]: Der TiVo hat fleißig aufgezeichnet und bietet ein individuell zusammengestelltes Fernsehprogramm an.

Man kommt abends heim, schaltet den Fernsehkasten ein und kriegt ein Menü mit Sendungen angeboten, die während der letzten Nacht und des vergangenen Tages aufgezeichnet wurden. In meinem Fall steht da eine Liste mit "Seinfeld", den "Simpsons", den 6-Uhr-Nachrichten und diversen Spielfilmen, die auf dem PayTV-Sender HBO (wie Premiere in Deutschland) liefen.

Man zeichnet einfach alles auf, lieber zuviel als zuwenig (löschen kann man's immer noch) -- auch Nachrichtensendungen. Weil selbst das nicht reicht, den ganzen TiVo-Speicher zu füllen, versucht der Kasten, falls noch Platz ist, Sendungen aufzuzeichnen, die denjenigen ähnlich sind, die man selbst ausgewählt hat. Auf der Fernbedienung des TiVo-Kastens sind dann zwei Tasten: Daumen nach unten und Daumen nach oben. Damit kann man dem Kasten Bonus- oder Strafpunkte geben, je nachdem wie gut die ausgewählten Sendungen gefallen. Der Kasten lernt ständig und wird immer besser.

Abbildung [3]: Der TiVo kennt das Fernsehprogramm und kann auf Knopfdruck sogar sagen, um was es in der aktuellen Episode geht. Der Balken unten zeigt an, wie weit man das aufzeichnete Programm bereits abgespult hat. Kann man natürlich wegklicken.

Außerdem teilt er diese Entscheidungen während der nächtlichen Telefonate der TiVo-Zentrale mit, die diese Informationen angeblich anonymisiert und an die werbetreibende Wirtschaft weiterverkauft -- ein Videorekorder und Allensbach-Institut in einem. Man kann allerdings dort anrufen und verlangen, dass seine Daten nicht verwendet werden, das wird prompt erledigt. Ich mag den Kasten aber richtig gern und er hat meine Fernsehgewohnheiten total verändert, denn ich warte nicht mehr, bis irgendwas im Fernsehen kommt, sondern habe soviel auf Konserve, dass ich, falls ich mal Zeit zum Fernsehen habe, sofort einschalten und alles das "wegkucken" kann, was der Kasten aufgezeichnet hat und mich interessiert. Auch Angelika hat sich mittlerweile mit dem Kasten angefreundet und rennt gar nicht mehr überstürzt zum Fernseher, wenn eine Sendung kommt, sondern sieht dank meiner TiVo-Intensivkurse dann fern, wenn sie Zeit hat! Außerdem bin ich immer derjenige, der am lautesten seine Kartoffelchips schmatzt und deswegen öfter mal einen Dialog verpasst. Kein Problem mehr. Danke, TiVo! Ein echtes Rundbrief-Top-Produkt!

Oder auf amerikanisch: "The best thing since sliced bread". Das Beste seit der Erfindung geschnittenen Brotes. Das ist eine gängige Redewendung, mit der man andeutet, dass man etwas für eine großartige Erfindung hält. In Amerika kann man sich nämlich in Bäckereien und Supermärkten einen soeben gekauften Brotlaib von einer Maschine in supergleichmäßige Scheiben schneiden lassen. In der Tat eine großartige Erfindung, an der die Deutschen noch lange kauen werden. Übrigens sagt Angelika öfter mal "Das sind ja wieder Bemmen!", wenn ich Brot in extradicken Scheiben aufschneide -- kann mir jemand die ethymologische Herkunft dieses anscheinend norddeutschen Wortes nahebringen? Bis zum nächsten Mal!

Angelika und Michael

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