Michael Deutsche, die im Ausland unterwegs sind, gehen anderen reisenden Deutschen ja bekanntlich aus dem Weg. "Schau nicht hin, dort drüben sind Deutsche!" hört man oft oder "Mein Gott, der Akzent dieses Einfaltspinsels ist ja peinlich!". Aber nach einigen Jahren im Ausland sucht selbst der hartgesottenste Auswanderer den Kontakt mit Gleichgesinnten.
Deutschen, die in San Francisco wohnen, steht hierzu der sogenannte San Francisco Stammtisch zur Verfügung, eine Yahoo-Gruppe, bei der man sich per Email anmelden kann. Auf der Mailing-Liste trudeln dann die typischen Fragen der Neuankömmlinge ein, die die weisen Graubärte unter den Auswanderern gutmütig beantworten. Allerdings reglementieren die Listeneigner die Kommunikation mit eiserner Hand, und lassen Leute keinesfalls alten Krempel verkaufen oder extreme politische Standpunkte vertreten. Vor ein paar Jahren war es mal ganz schlimm, da wurden die Postings von einem autoritären Zensor ausgesiebt, der sich in der Rolle des unfehlbaren Herrschers gefiel. Zum Glück ist der mittlerweile weg vom Fenster.
Ein weiteres Kuriosum sind die vom Betreiber ermunterten Kurzvorstellungen der Neuankömmlinge, die sich immer lesen wie "Hallo, also, ich bin der Martin aus Buxtehude und wohne jetzt in Palo Alto. Meine Hobbies sind Schwimmen, Wandern und mal ein gepflegtes Bier trinken. Würde mich freuen, mal Gleichgesinnte zu treffen!". Aber, hey, ich will mich nicht über die Leute lustig machen, die Mailingliste des San Francisco Stammtisch ist gigantisch groß und der Zuwachs ist enorm, ich habe mal irgendwas von 100 im Monat gehört! Irgendwas müssen die Betreiber richtig machen. Und das ist sicher nicht das Webdesign der Homepage, das muss man deutlich sagen, man kommt sich vor wie auf einer Zeitreise ins Jahr 1990!
Einmal im Monat kommt eine Email, in der steht, dass man sich am ersten Montag des Monats zum Stammtisch zusammenfindet. Dann marschieren die Auslandsdeutschen in San Francisco und Umgebung ab 19 Uhr ins Lokal "Wish", das an der Adresse 1539 Folsom Street (im SoMa) residiert und für diesen Zweck reserviert wird. Das Glas Bier kostet während der "Happy Hour" nur $3 (bis vor kurzem noch $2, aber die Krise, die Krise!), und das ist schon recht zivil, üblicherweise zahlt man für eine Pint (ungefähr 0.5l) in den Bars der Stadt schon so um die $5.
Der Andrang ist enorm! Wir waren ein paarmal da und da waren jeweils geschätzte 100 Leute zugange! Die meisten sind Deutsche, die die Gelegenheit nutzen, mal tüchtig Dampf über das katastrophale amerikanische Krankenkassensystem abzulassen. Manchmal verirren sich einige Amerikaner dorthin, die ihre Deutschkenntnisse aufpolieren wollen. Das ist naturgemäß aussichtslos, aber man will die Leute ja nicht entmutigen. Doch, Spaß beiseite, die Veranstaltung ist recht gut gemacht, und wir haben dort tatsächlich schon echt nette Leute kennen gelernt, mit denen wir mittlerweile befreundet sind.