Angelika/Mike Schilli |
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Es gibt eigentlich kaum jemanden, der fundiert und ausgewogen über die USA berichtet. Zwei Extreme fallen auf: Zum einen die "Hurra!"-Schreier, meist gutsituierte Unternehmertypen, die in Deutschland alles annervt und die die amerikanischen Verhältnisse idealisieren. Am anderen Ende der Skala stehen die Amerika-Hasser, die noch nie in den USA waren, aber Schauergeschichten über den "American Way of Life" zu erzählen wissen.
Unser Rundbrief versucht ja, eine Balance zu finden. Wir wohnen zwar in den USA, aber wir verschließen nicht die Augen vor den Problemen.
Das Buch "Amerikanische Verhältnisse" von Olaf Gersemann, das ich kürzlich auf Englisch gelesen habe, wo es "Cowboy Capitalism: European Myths, American Reality" heißt, ist auf der "Hurra!"-Schreier-Seite der Skala zu finden. Der Gersemann-Olaf hat sich aber zumindest bemüht, einige interessante Fakten zusammenzutragen.
Er analysiert typisch deutsche Vorurteile über die USA und widerlegt sie dann anhand von interpretierten Statistiken. Dass zum Beispiel nur 5.3% der amerikanischen Bevölkerung zwei oder mehr Jobs haben. Auch seine Sichtweise, dass die deutschen Studiengebühren mehrheitlich von Leuten getragen werden, die nicht studiert haben, fand ich interessant. Oder dass in Deutschland die Reichen erstaunlich viel wieder vom Staat zurückerhalten, während die Umverteilung von Staatseinnahmen in Amerika tatsächlich mehr den Armen zugute kommt.
Und er gibt auch zu, dass etwa 1% der USA-Bevölkerung hinter Gittern sitzt, dass die Pharmaindustrie die Politiker schmiert und enorme Gewinne einstreicht, dass das Gesundheitssystem das teuerste und eines der schlechtesten auf der ganzen Welt ist und dass die Gehaltsunterschiede zwischen Arm und Reich enorm sind.
Allerdings ist der Gersemann-Olaf eine Art Michael Moore der Finanzmagnaten, der's auch mit der Wahrheit nicht so genau nimmt. Wenn er nur ein Vorurteil widerlegen kann, biegt er die Statistiken teilweise schon ziemlich nach seinen Wünschen zurecht. Einmal demonstriert er einen Trend mit drei verschiedenen Einkommensgruppen, aber um eine weitere Tendenz zu zeigen, kann er nicht das unterste Drittel nehmen, sondern wechselt schnell ohne Begründung ins untere "Fünftel" über. Oder er argumentiert abenteuerlich, dass es schon in Ordnung ist, wenn die Pharmaindustrie überhöhte Preise fordert, weil damit bessere Medikamente entstehen und das Bruttosozialprodukt steigt, wenn die Leute länger leben.
Von diesen Ausrutschern mal abgesehen, ist das Buch aber durchaus interessant, es stehen eine Menge Fakten drin, die kaum jemand kennt, der nicht längere Zeit sowohl in Deutschland als auch in den USA gelebt hat. Wenn ihr eher auf der linkeren Seite der politischen Skala zu finden seid, werdet ihr bei der Lektüre allerdings teilweise toben, haltet Baldriantropfen bereit.
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