14.11.2011   Deutsch English

  Rundbrief Nummer 94  
San Francisco, den 14.11.2011


Abbildung [1]: Oft geben Eltern ihrem Nachwuchs herkunftsbezogene Vornamen.

Michael Die Bevölkerung in San Francisco ist bunt gemischt. Wie schon einmal im Rundbrief 07/2005 erwähnt, leben hier 44% Weiße, 31% Asiaten, 14% Latinos und 8% Schwarze. Die Karte in Abbildung 2 zeigt, dass sich Angehörige einer "Ethnicity" oft in bestimmten Stadtvierteln konzentrieren. Es sollte niemanden überraschen, dass sich in Chinatown hauptsächlich Asiaten niederlassen und in den Vierteln der Superreichen wie bei uns in Noe Valley hauptsächlich Weiße wohnen. Die Latinos (hauptsächlich Südamerikaner) leben mehrheitlich im Stadtviertel Mission sowie in der Südstadt "South San Francisco", einer etwas preiswerteren Gegend, in der sich interessanterweise ein sehr ausgeglichenes Hautfarbengemisch findet. Bei den blauen Zentren auf der Karte mit überwiegend schwarzer Bevölkerung handelt es sich um die Viertel Tenderloin, Hunters Point und Sunnydale, die leider teilweise als soziale Brennpunkte bekannt sind.

Abbildung [2]: Hautfarben in San Francisco: Rot: Weiß, Blau: Schwarz, Grün: Asiatisch, Orange: Latino. Grafik: Eric Fischer

Trifft man nun zum Beispiel eine Person zum ersten Mal, und hat noch nie ein Bild von ihr gesehen, machen sich die meisten Leuten unweigerlich schon mal ein Bild im Kopf: Männlich oder weiblich, alt oder jung? Führt die Person nicht gerade einen exotischen Namen würde man sich in Deutschland gar keine Gedanken um die Hautfarbe machen, denn die wäre mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit weiß.

In den USA leiten die meisten Leute vorab schon mal die Herkunft einer Person, die sie noch nie zu Gesicht bekommen haben, basierend auf Vor- und Nachnamen ab. Ein "Tim O'Reilly", ist mit 100%iger Wahrscheinlichkeit irischer Abstammung, ein "John McLaughlin" Ire oder Schotte. Ein "Joshua Rosenzweig" ist jüdischer Abstammung, eine "Jessica Chang" meist Chinesisch, ein "Srivasan Venkataraman" Inder. Ein "Manuel Rodriguez" stammt meist aus Südamerika, eine "Latisha Smith" ist höchstwahrscheinlich schwarze Amerikanerin, ein "Eric Schmidt" könnte ein deutscher Einwanderer dritter Generation sein.

Abbildung [3]: "Freakonomics" von Steven D. Levitt und Stephen J. Dubner

Das führt unweigerlich zu interessanten Fragen, zum Beispiel beim Einstellungsprozess in einer Firma: Lebensläufen liegt in den USA kein Lichtbild bei, um Ungleichbehandlung aufgrund des Aussehens auszuschließen. Beim Vor- oder Nachnamen scheint dann allerdings oft die Herkunft durch und es stellt sich die Frage, welche Vornamen Eltern benachteiligter Bevölkerungsgruppen für ihre Kinder wählen sollten, um deren beruflichen Karriere anzukurbeln. Eher einen weißen Vornamen wie "Greg" oder "Britney", oder doch eher der Tradition folgend, wie "Rigoberto" oder "Guadalupe" in der Latino-Community, oder "Tyrone" oder "Latisha" im schwarzen Kulturkreis?

Die Schreiber des Bestsellers "Freakonomics" (schon mal besprochen im Rundbrief 09/2005) haben nun schon seit mehreren Jahren herausgefunden, dass man Vornamen allein nicht direkt mit Erfolg oder Misserfolg im Leben in kausalen Zusammenhang bringen kann. Erwiesenermaßen schneiden die Tyrones und die Latishas dieser Welt aber schlechter ab als die Gregs und Britneys. Wie kommt das? Laut Freakonimics liegt der Grund vielmehr bei den Eltern und im Milieu: Jemand, der seinem Kind den Namen Tyrone oder Latisha gibt, lebt häufig in einem problematischen sozialen Umfeld und nimmt's oft nicht so genau mit dem Kontrollieren der Hausaufgaben wie die Eltern von Greg und Britney.

Wie immer bei Vorurteilen kommt es allerdings vor, dass man total daneben liegt. Die Comedy-Serie Seinfeld nahm das Thema schon vor langer Zeit auf die Schippe. In einer Episode ist Jerry Seinfeld nämlich ganz aufgeregt, weil er sich mit einer "Donna Chang", die er nur vom Telefon her kennt, verabredet hat. Er nimmt an, es handle sich um eine Asiatin, fällt aber später aus allen Wolken, als die neue Bekanntschaft sich als Weiße entpuppt.

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