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  Rundbrief Nummer 6  
San Francisco, den 12.12.97
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Abbildung [1]: Es weihnachtet wieder

Hallo, ihr Lieben!

Zwischenbilanz nach einem Jahr

(Angelika) Nachdem das Jahr 1997 seinem Ende entgegen geht und Weihnachten kurz vor der Tür steht, will ich euch einmal wieder mit einem Rundbrief beglücken. Letztes Jahr um diese Zeit habe ich, auf Umzugskisten sitzend, mit meinem ersten Rundbrief begonnen und seitdem fleißig über unsere Erlebnisse hier berichtet. Ja, es ist kaum zu glauben, aber wahr, Michael ist jetzt schon seit über einem Jahr hier und ich habe Jahrestag am 30. Dezember. Wir haben in dieser Zeit ziemlich viel erlebt, neue Erfahrungen gemacht, viel dazu gelernt und kennen uns doch insgesamt schon ziemlich gut aus, was Land und Leute betrifft. Hoffentlich denkt ihr jetzt nicht mit Schrecken, dass wir mittlerweile zu echten Amerikanern, was immer das ist, mutiert sind. Nein, keine Angst, ich laufe nicht mit rotlackierten Fingernägeln herum und Michael besitzt keinen Cowboyhut, nur sündhaftteure Turnschuhe, die er am liebsten Tag und Nacht trägt (also doch echt amerikanisch). Überhaupt ist man, wenn man in Kalifornien lebt, nicht Amerikaner, sondern Kalifornier. Apropos Kalifornien, Thomas Gottschalk (ja, ihr habt richtig gelesen), der ja bekanntlich in Malibu lebt, hat zu diesem Thema einen ziemlich witzigen Artikel im Spiegel Spezial "Kalifornien" geschrieben, aus dem ich schnell ein paar Zeilen zitiere:

"Du mit Deinem Kalifiornien", nörgelt meine Mutter bisweilen und fügt vorwurfsvoll hinzu, dass jemand wie ich, der weder Rügen noch die masurischen Alleen durchwandert hat, ohnehin nicht weiß, was landschaftliche Schönheit ist. Auch meinen wiederholten Hinweis, dass man in Malibu rund um die Uhr Lebensmittel kaufen kann, lässt sie nicht gelten: Wer tagsüber seine Gedanken beisammen hat, muss nachts um zwei Uhr keinen Senf kaufen ... Warum also? Wo liegt der Sinn kalifornischen Daseins? Wahrscheinlich im Unsinn! Wenn die Römer spinnen, ist das hier eine geschlossene Anstalt. Fast nichts ist vernünftig, nicht das Wetter, nicht die Menschen, nicht die Autos ...

Übrigens ist das Spiegel-Heft sehr lesenswert. Es beinhaltet sehr gute Reportagen über das Leben in Kalifornien, eine gute Mischung aus Lustigem, Sozialkritischem, Ungewöhnlichem. Also, wer eine Reise zu uns plant, sollte sich das Heft zulegen.

Um noch einmal auf das Thema Amerika versus Kalifornien versus San Francisco zurückzukommen: Wenn man seine Zelte in San Francisco aufgeschlagen hat, ist man wiederum eine ganz besondere Art von Spezie. Egal mit wem wir auch sprechen, ob es der Frisör, die Kassiererin an der Supermarktkasse, der Zeitschriftenhändler oder einer unserer Nachbarn ist, jeder liebt sein San Francisco und besteht darauf, dass es die schönste Stadt der Welt ist und dass jeder, der woanders lebt, verrückt sein muss. Trotz dieses vielleicht doch etwas überzogenen Lokalpatriotismus bleiben die Leute doch sehr kritisch und das gefällt Michael und mir so gut. San Francisco ist unserer Meinung nach eines der liberalsten Orte in den USA. Hier kann man wirklich mit fast jedem offen über die sozialen Probleme der USA diskutieren. Neben dieser Liberalität hat die Stadt natürlich auch noch einige andere Vorzüge, z.B. fantastische Ausblicke, an erster Stelle der Top 10 Liste der Ausblick von unserer Wohnung (wer uns dieses Jahr besucht hat, weiß, was ich meine), super Restaurants, gutes Wetter, Menschen aller Hautfarben und Kulturen, die Golden Gate Bridge, den Ozean, lustige bunte Häuser, verrückte Geschäfte ... ihr seht, hier kann man es schon ganz gut aushalten.

Viele fragen uns in letzter Zeit immer wieder, wann wir denn zurück nach Deutschland kommen werden. Zunächst einmal haben wir das immer noch fest vor. Unser neues AOL- Visum geht offiziell bis zum Jahr 2000, aber solange im voraus planen wir momentan gar nicht, weil man nie so genau weiß was passiert. Wenn alles gut weiterläuft bei AOL, werden wir auf jeden Fall noch 1998 San Francisco unsicher machen und dann "schaun wir mal", wie Michael zu sagen pflegt. Vieles hängt auch von meiner Situation ab. Zur Zeit bin ich sehr zufrieden damit, wie ich meine Tage verbringe (Kurse, Arbeiten im Tenderloin), aber irgendwann möchte ich doch auch wieder ganz gerne richtig arbeiten, das heißt eben auch für Geld.

Viele von euch haben auch angefragt, wann wir denn einmal wieder auf Besuch nach Deutschland kommen werden. Auch das ist noch nicht sicher. Es hängt hauptsächlich davon ab, ob Michael mitkommt, was zur Zeit eher unwahrscheinlich ist, da 10 Tage Urlaub im Jahr eben keine großen Deutschlandtrips erlauben. Weihnachten und auch Silvester werden wir auf jeden Fall dieses Jahr in San Francisco verbringen. Dann werden wir auch unseren ersten gemeinsamen Weihnachtsbaum haben. Michael hat zwar etwas die Augen gerollt, als ich ihm diesen Vorschlag unterbreitete und noch mehr Grimassen geschnitten, als ich ihm offenbarte, dass ich vorhabe, den Weihnachtsbaum in rot, blau und weiß (Farben der amerikanischen Flagge) zu schmücken, aber es ist beschlossene Sache, nächstes Wochenende wird unser Weihnachtsbaum gekauft. Es sei hier nur nebenbei bemerkt, dass ich natürlich jeden, der seinen Weihnachtsbaum in den bayerischen Farben dekoriert, für verückt halten würde. Unser Baum wird natürlich auch echte Kerzen haben und keine elektrische Lichterkette wie hier Sitte. Dafür musste ich extra deutsche Kerzenhalter einführen, da dem Amerikaner Kerzen am Weihnachtsbaum so suspekt sind, dass er sich weigert, diese Kerzenhalter zu verkaufen. Ich erwähnte übrigens meine Pläne mit den echten Kerzen auf einer Feier, als mich die Amerikaner fragten, wie wir in Deutschland Weihnachten feiern, was mir bemitleidenswerte Blicke einbrachte. Ich glaube, dass jeder fest damit rechnet, dass unser Appartement abbrennen wird. Dass man uns nicht gleich wegen groben Unfugs verklagt, ist wirklich verwunderlich.

Weihnachten in Amerika

Witzig und seltsam zugleich ist auch, dass die meisten Amerikaner ihren Weihnachtsbaum schon lange vor Weihnachten aufstellen, viele z.B. am ersten Advent. Der Baum ist dann in voller Pracht geschmückt. Man könnte jetzt natürlich neidlos anerkennen, dass das frühzeitige Aufstellen des Baumes durchaus praktisch ist, so hat man wenigstens länger was davon, wir werden unseren Baum aber trotzdenm erst am 24. Dezember schmücken. Auch werden wir am 24. feiern; hier wird Weihnachten ja am Morgen des 25ten gefeiert. Eine amerikanische Sitte werden wir aber doch einführen: Hier hängt man einen sogenannten Stocking (muss man sich wie einen großen Stoffstiefel vorstellen) auf, der dann mit kleinen Geschenken gefüllt wird. Der Stocking wird meist an den Kamin gehängt. Hat man keinen Kamin zur Hand, wie wir, tut es natürlich auch ein anderer Platz.

Abbildung [2]: Die Weihnachtsdekoration im Schaufenster des Kaufhauses Saks Fifth Avenue

Weihnachten ist hier übrigens auch ein ziemlich großes Ding, obwohl doch viele Menschen aus anderen Kulturen und mit anderen Religionen in San Francisco leben. Die meisten Familien feiern Weihnachten, auch wenn ihre Religion ein anderes Fest in den Mittelpunkt stellt. In der Tagesstätte, in der ich arbeite, bemüht man sich, die wichtigsten Feste der verschiedenen Religionen den Kindern nahezubringen. So wird momentan nicht nur über Weihnachten gesprochen, sondern über das jüdische Fest Hanukah (Fest des Lichtes), was auch im Dezember gefeiert wird, und über Kwanzaa, was einige afro-amerikanische Familien sozusagen als ihr Weihnachtsfest feiern. Für mich ist das alles hochspannend und ich bin schon etwas beschämt, wie wenig ich von den einzelnen Religionen und Traditionen bisher wusste.

Abbildung [3]: Künstlicher Schnee auf dem Union-Square in San Francisco

Ansonsten ist Weihnachten natürlich der Kommerz pur. Alles glitzert und funkelt und die Geschäfte überbieten sich mit ihren Schaufensterdekorationen. Vor dem Spielzeuggeschäft FAO Schwarz sind z.B. Absperrungen aufgebaut, damit sich Kunden brav in die Schlange anstellen können. Wenn der "Run" auf die Spielsachen zu groß ist, sorgt der Sicherheitsmensch dafür, dass Kunden nur noch dann Einlass gewährt wird, wenn andere Kunden das Geschäft verlassen. Vor diesem eben erwähnten Geschäft hat sich am Samstag, als wir in der Stadt waren, übrigens eine groteske Szene abgespielt. Ein Straßenhändler, der bunte Plastikrentiergeweihe (Viecher, die den Schlitten von Santa Claus, dem amerikanischen Weihnachtsmann, ziehen) verkaufte und auch eines aufgesetzt hatte, bekam von einem Polizisten Handschellen angelegt (wir wissen auch nicht warum). Nachdem der Polizist dies erledigt hatte, hielt er einen netten Plausch mit dem Straßenhändler, man hätte glauben können, sie wären die dicksten Freunde. Und ich schwöre, dass dort kein Film für Hollywood gedreht wurde.

Abbildung [4]: Die Verhaftung des Mannes mit Rentiergeweih vor dem Spielwarengeschäft FAO Schwarz

Im Tenderloin, wo ich arbeite, werden die Kinder gerade mit Geschenken überschüttet, weil irgendwelche Firmen Sachspenden machen. Leider konzentriert sich alles um die Weihnachtszeit und danach denkt keiner mehr so recht an die Kinder. Überhaupt wäre es meiner Meinung nach sinnvoller, Geld zu spenden, aber so haben die Kinder mittlerweile eine ganze Stofftiersammlung beisamen, mit der sie nicht viel anzufangen wissen. Auch müssen wir mit den Kindern andauernd zu irgendwelchen Weihnachtsparties. Das ist einerseits ganz nett. So waren die Kinder z.B. zu einem Kinderballet eingeladen und danach gab es für alle Kinder Lunch. Das war echt super-professionell aufgezogen. Die Kehrseite der Medaille ist allerdings, dass die Sponsoren natürlich sichergehen wollen, dass die Bevölkerung auch von ihrer großzügigen Spende erfährt. Also müssen die Kinder vor Fernsehkameras und Fotoapparaten posieren. Bei der einen Party kam zum guten Schluss noch der Bürgermeister und ließ sich mit einigen Kindern fotografieren, woraufhin er gleich wieder verschwand. That's life!

Michaels AOL-Weihnachtsfeier hat auch schon stattgefunden und selbst ich hatte von meiner Einrichtung aus eine Weihnachtsfeier. Meine Weihnachtsfeier war extra für die diversen Volunteers (freiwilligen Helfer) der Einrichtung als Dankesfeier organisiert. Die festen Mitarbeiter haben für uns das Essen zubereitet und es gab sogar Geschenke für uns. Das ist etwas, was ich sehr schätze an der Einrichtung: Man hat als Volunteer dort wirklich das Gefühl, dass das Engagement, was man einbringt, sehr geschätzt wird und eben nicht selbstverständlich ist. Menschlich gesehen fühle ich mich dort immer wohler, obwohl ich den pädagogischen Ansatz auch weiterhin nicht in vollen Zügen teilen kann, aber ich lerne viel und kann für mich selbst viel mitnehmen.

Kurse an der UC Berkeley Extension

Meine Kurse (Fotografiekurs, Kurs über afro-amerikanische Familien) waren ein voller Erfolg und haben mich sehr bereichert und mir viel Freude gemacht. Beide Kurse waren auf einem hohen Niveau und von sehr interessanten Leuten besucht. Ich musste auch ordentlich für die Kurse arbeiten (Literaturstudium, abschließendes Fotoprojekt, Abschlussarbeit über das Arbeiten mit afro-amerikanischen Familien), was mir bei Michael den Titel "Streberin" eingebracht hat. Der Fotokurs war so aufgebaut, dass wir zu jeder Stunde eine andere Aufgabe angehen mussten, die zuvor im Kurs besprochen wurde (z.B. Portraitaufnahmen, Nachtfotografie). In der nächsten Woche hat man sich dann die Fotos gemeinsam angeschaut und besprochen. So bin ich also viel mit meiner Kamera in San Francisco unterwegs gewesen. Michael musste mich oft begleiten, was er eigentlich ohne viel Murren gemacht hat. Nur als er dann mein Objekt für die Portraitaufnahmen werden sollte, hat er doch gestreikt. Ich habe daraufhin die Kinder aus meiner Einrichtung fotografiert. Um dem Fotografiekurs alle Ehre zu machen, haben wir das Foto auf unserer Weihnachtskarte natürlich selbst gemacht.

Der Kurs über afro-amerikanische Familien hat sich viel mit dem Thema Rassismus in Amerika und den Lebensbedingungen von schwarzen Familien beschäftigt. Was mir sehr gut gefallen hat, war der Praxisbezug, z.B. was ich als weißer Lehrer beachten sollte, wenn ich mit schwarzen Familien zusammenarbeite, wie kann ich Misstrauen abbauen, wie gehe ich mit meinen eigenen Vorurteilen um usw. Man muss dabei bedenken, dass die Thematik schwarz versus weiß sehr emotional besetzt ist in den USA und dass Rassismus tief verwurzelt ist in der amerikanischen Gesellschaft (wie in anderen Ländern auch). In meiner Abschlussarbeit habe ich mich dann damit beschäftigt, was man beachten sollte, wenn man mit afro-amerikanischen Kindern in einer Vorschuleinrichtung arbeitet. Zunächst habe ich ganz schön geschwitzt, weil ich die Arbeit ja auf Englisch schreiben musste. Gott sei Dank hat Sylvia sie korrigiert. Und die Mühe hat sich gelohnt, ich habe nämlich ein A (was der deutschen Note 1 entspricht) bekommen und muss sagen, dass ich schon sehr stolz darauf bin. Im Januar fangen dann die neuen Kurse an. Ich habe vor, drei zu belegen (einen über Entwicklung im Kindesalter; einen über sogenannte Patchwork-Familien, das heißt Familien, in denen Kinder aus verschiedenen Ehen oder Beziehungen zusammenleben; einen über multikulturelle Familien).

Erschreckendes Schulsystem

Im Zuge meiner Kurse habe ich übrigens eine amerikanische Therapeutin kennengelernt, die wiederum eine Schulleiterin in Oakland (Stadt auf der anderen Seite der Bay) kannte und mich als Volunteerin vermitteln wollte. So bin ich also in den Genuss gekommen, eine Middle School zu besuchen. Die Middle School entspricht der 6. bis 9. Klasse. Die Schule war wieder in einer ziemlich heruntergekommenen und armen Gegend. Ich habe in einer Klasse mit Schülern von 10 bis 12 Jahren hospitiert. Über die Hälfte der Schüler sprach Englisch nicht als Muttersprache, ein Drittel hatte zusätzlich Lernschwierigkeiten. Die meisten Schüler waren schwarz oder Immigranten aus Südamerika. Das ist übrigens ein sehr realistisches Bild einer öffentlichen Schule in einem armen Stadtteil. Da diese Schulen meist nicht den besten Ruf haben, schicken besser gestellte amerikanische Eltern (meist weiß) ihre Kinder auf private Schulen. Hier entsteht dann ein echter Teufelskreis: Bist du arm, kannst du dir nur eine öffentliche Schule leisten, wohnst du in einer schlechten Gegend, ist die Schule meist dementsprechend schlecht, weil die entsprechenden Mittel fehlen. Kritische Stimmen behaupten, dass einige Schulen in den USA einer Rassentrennung unterliegen wie sie früher in Südafrika anzutreffen war.

Aber nun zurück zu der Schule, die ich besucht habe. Die Klasse, in der ich war, wurde aus Platzmangel in einem Container unterrichtet. Rein äußerlich und gebäudemäßig hat die Schule sonst aber einen ganz guten Eindruck gemacht (bis auf die Container). Die Direktorin sagte mir, dass diese Kinder eigentlich einen Sonderpädagogen als Lehrer bräuchten und zusätzlich jemanden, der fließend spanisch spricht für die südamerikanischen Schüler. Beides stand aber nicht zur Verfügung. In den USA werden Schüler mit Lernschwächen in der Regel in die normale Schule integriert, wobei es sich dabei um eine Pseudointegration handelt, da Schüler mit Schwierigkeiten meist in eine Klasse gesteckt werden. Je nach Bundesstaat und Geld erhalten diese Schüler dann spezielle Unterstützung. Die Realität sieht aber oft wie oben beschrieben aus. Als ich in der Klasse hospitiert habe, haben die Kinder gerade lesen geübt und es war wirklich erschreckend, wieviel Schwierigkeiten alle dabei hatten. Keiner, obwohl zwischen 10 und 12 Jahre alt, konnte fließend lesen. Viele waren völlig desinteressiert und haben z.B. ihre Kapuzen tief ins Gesicht gezogen, so dass man ihr Gesicht nicht sehen konnte. Etwa fünf Jungen saßen die ganze Zeit mit einem Handschuh an einer Hand da, obwohl es ziemlich warm war. Ich habe allerdings nicht herausbekommen, ob der Handschuh für eine Gangzugehörigkeit steht, was durchaus sein kann. Wer den Film "Dangerous Minds" mit Michelle Pfeiffer gesehen hat, weiß so ungefähr, wovon ich rede, wobei die Disziplin erstaunlich gut war, das heißt, es herrschte nicht das totale Chaos. Nun ja, auf jeden Fall habe ich mich dagegen entschieden, dort mitzuhelfen, da ich es unverantwortlich finde, wenn jemand wie ich, der selbst Englisch nicht als Muttersprache spricht, im Englischunterricht (was meine Aufgabe gewesen wäre) unterstützen soll, obwohl es mich natürlich sehr gereizt hätte.

Local News

Und nun will ich euch noch mit einigen Infos versorgen:

Zunächst einmal haben Sylvia und Richard seit 9.10. einen ganz süßen Sohn mit dem Namen Nicholas Andrew. Michael und ich haben alle drei an Thanksgiving (hoher amerikanischer Feiertag) in Portland besucht.

Abbildung [5]: Auf der Autofahrt nach Portland -- der Berg Mount Shasta an der Grenze zu Oregon.

Zweitens haben wir neue Internet-Adressen. Ich habe jetzt eine ganz eigene. Sie lauten:

Mschilli1@aol.com Angekala@aol.com

Meine Adresse klingt vielleicht etwas ungewöhnlich, aber es war sehr schwierig einen Namen zu finden, den es unter 10.000.000 AOL-Benutzern noch nicht gibt. Und da habe ich darauf zurückgegriffen, wie mich mein Neffe Julian früher immer genannt hat (DANKE, JULE!).

Neues vom Führerschein

Und der beste Witz zum Schluss: Ich habe meinen amerikanischen Führerschein immer noch nicht erhalten. Ich warte jetzt fast ein Jahr auf ihn. Nachdem ich noch zweimal zur Führerscheinstelle in San Francisco musste, um meine Papiere zu zeigen und endlich klar war, dass alles in bester Ordnung ist, d.h. dass ich völlig legal im Land bin, bekam ich wiederum ein Schreiben aus Sacramento, diesmal mit dem Hinweis, dass mein Foto nicht auffindbar wäre. Also bin ich das dritte Mal zur Führerscheinstelle getrottelt, habe das Foto machen lassen und warte wiederum geduldig. Ich weiß jetzt aber sicher, dass ich den Führerschein nicht noch einmal machen muss, weil ich ja nichts für die Schlamperei kann. Der Manager der Führerscheinstelle, mit dem ich schließlich gesprochen habe, offenbarte mir übrigens, dass er einen Fall hat, da wartet der Betreffende schon seit 1995 auf seinen Führerschein. Wahrscheinlich erhalte ich ihn kurz vor unserem Umzug nach Deutschland. Sei's drum.

So, ihr Lieben, wir wünschen euch allen schöne Weihnachten. Denkt mal an uns!

Weihnachtsfeier mit der Firma

(Michael) Weihnachtsbaum, Weihnachtsbaum, Weihnachtsbaum. Ich kann es nicht mehr hö-ren! Zuerst schleppt man ein grünes Monstrum in die Wohnung, allein wie der stachlige Stamm sich anfasst: e-ke-lig! Und nach einer Woche, wenn der ganzen Zauber vorbei ist, schmeißt man ihn raus. Knirsch, knirsch, knirsch, machen die die Nadeln im Staubsauger. Man macht was mit.

Ja, meine lieben Freunde, ich bin's! Meine lieben Neandertaler, damit euch dieser Brief noch vor Weihnachten erreicht, müssen die Galeeren-Sklaven rudern wie die Blöden, der brutale Postkutscher peitscht die ausgemergelten Pferdchen und dem Briefträger hängt auch schon die Zunge raus! Nah, nah, Leidln, ihr braucht's eine I-Mehl. Am besten natürlich vom AOL aus Amärigaaaa. Man kann's nicht oft genug sagen.

Weihnachtsfeier mit AOL war im "Planet Hollywood" in San Francisco. Das ist so ein $15-Hamburger-Laden, so ähnlich wie's Hard-Rock-Cafe oder so, nur dass statt Musiker-Trophäen dort Film-Accessoires rumhängen (gibt's in München auch, ich weiß, ich weiß, aber dieser Brief geht auch an die Landbevölkerung und sogar in die norddeutsche Diaspora). Für die ältere Generation sei kurz erklärt, dass das Hard-Rock-Cafe eine Wirtschaft ist, wo die faule Jugend rumhängt und ihr Taschengeld leichtsinnig für viel zu teure Hamburger rauswirft! Und als Dekoration hängt dort so Zeugs rum, was halt so berühmte Katzenmusik-Macher fortgeworfen haben - Gitarren und so. Natürlich war ich - als überzeugter HardRock-Cafe-Gegner - noch nie im Leben im "Planet Hollywood", und erstaunenswerterweise sprang mir gleich am Eingang unser geliebter Arnie Schwarzenegger aus einem Schaukasten entgegen - als Terminator II.! "Eima Termineyydrrr! Eiwos meyyd for Deschtrakschn!"

Jedenfalls hatte AOL einen Teil des Planet Hollywood reserviert mit eigener Bar und so, da konnte man bestellen, soviel man wollte ("Another Margarita, please!" "Agaiiinn??"). Zum Glück fuhr die U-Bahn heim.

Ein neues Rad hab' ich gekauft! Ein Mountain-Bike der Marke 'GT', Modell 'Backwoods', ein ultra-cooles Teil aus einem bestimmt 5cm dicken superleichten Alurahmen, mit 21 Gängen und Schnicker-die-Klick-Schaltung. Jetzt haben Angelika und ich zwei Fahrräder und können nächstes Wochenende endlich mal die lang ersehnte Golden-Gate-Bridge-Überquerung in Angriff nehmen.

Mit dem Fahrrad durch SF und das Silicon Valley

Ich fahre ja weiterhin jeden Tag mit dem Fahrrad zur Arbeit, und mein altes Rösschen hat schon schwer geschnauft, brrr, brrr, braaaav. Der Regen blieb bislang aus, "El Ninjo", ein vielzitiertes Wetterphänomen, kristallisiert sich als Hirngespinst unterbeschäftigter Fernseh-Wetterfritzen heraus.

Und so geige ich jeden Tag zum Bahnhof, runter die 24te, zummm, und schwupp! wird aus dem Yuppie-Viertel, in dem wir wohnen, innerhalb von 500 Metern ein südamerikanisches! Da spielt mexikanische Volksmusik (die übrigens verblüffende Ähnlichkeit mit bayrischem Humpa-Dumpa hat) laut aus den Autoradios, die paar billigen Cafes, die um diese Zeit schon geöffnet haben, sind nur mit weißen Plastikstühlen ausgestattet, mehr Leute nehmen den Bus, mehr Obdachlose hängen rum. Mit dem Abfall geht's nicht so genau, da fegen schon mal alte Zeitungen durch die Seitenstraßen. Hin und wieder sieht man einen Indio mit Poncho und Cowboyhut lässig an der Straßenecke lehnen - ganz so wie Clint Eastwood in "Für eine Handvoll Dollars". Wenn ich dann links in die Hampshire-Straße, die in der Mitte ein böses Loch hat, abbiege, muss ich immer an das Münchner Busunglück denken - wie der Bus in der Baugrube versunken ist! Na, so schlimm ist's wohl nicht, aber für die Straßen von San Francisco braucht man dicke Profilreifen, soviel Glasscherben und Nägel wie da rumliegen!

Abbildung [6]: Ist zwar Ashbury Haights, könnte aber genauso gut in der Mission sein.

Rauf auf eine kleine Anhöhe, keuch, vorbei am UPS-Gebäude, wo morgens um halb acht die Paketboten schon in ihren braunen Uniformen rumgschafteln, den Berg runter, unter der 101er-Autobahn durch und vorsicht! Am Kreisverkehr zur Townsend-Straße steht neuerdings ein Polizist mit einem Fahrrad und passt auf, dass auch jeder brav am Stoppschild stehen bleibt. Keiner da? Rauf aufs Gas in die lange Gerade durch das SoMa-Viertel (South of Market), wo Lagerhallen und Kunstgalerien sich abwechseln - da kommt gerne mal der 21te Gang rein!

Abbildung [7]: Im Lagerhallenviertel "SoMa"

Dann: Rein in den Bahnhof, das Rad in den speziell dafür vorgesehenen Bike-Wagon gestellt, der Schaffner hat ein Auge drauf! Man kennt sich. Dann geht's noch schnell zur Kaffeeverkäuferin einen "Small Coffee" und eine mexikanische Zimtrolle geholt, rein in den Zug und ab geht die Post!

Abbildung [8]: Ein Aufkleber zeigt, wo das Fahrrad raus muss.

Laptop raus, rumgeklimpert oder die Zeitschriften weggelesen! Natürlich nur meine eigenen Artikel, die anderen schreiben eh nur Blödsinn, giggle! Neuerdings höre ich übrigens Cassetten von Antony Robbins im Walkman. "Personal Power II", das ist so eine amerikanische Motivationsserie, wie werde ich Millionär in 14 Tagen oder so. Superlustig!

Abbildung [9]: Im Fahrradwagon des Caltrain von San Francisco nach San Mateo

Wuuuuuups, nächste Station Hillsdale! Schnell raus mit dem Rad - ich krieg die Krise! Hat mich wieder ein Depp zugeparkt! Es ist nämlich so, dass jeder an seinem Rad ein Schild hat, auf dem steht, wohin er fährt. Bayshore, Palo Alto, San Jose, was weiß ich. In einem Radständer im Zug parken nämlich vier Räder. Damit der, der zuerst raus muss, nicht den ganzen Wagon auf den Kopf stellen muss, um an sein Radl zu kommen, parken die Leute die Räder so, dass der, der zuerst raus muss, sein Fahrrad vorne dran hat. Sagte ich, alle haben ein Schild an ihrem Rad? Nicht alle! M.S. z.B. hat einen total unauffälligen Aufkleber "San Francisco - Hillsdale" auf seinem, den sieht keiner! Aber andere Leute haben z.B. ueberhaupts keine Aufkleber nicht. Kommt jetzt jemand Neues in den Wagon, will sein Fahrrad abstellen und hat die Qual der Wahl zwischen mehreren Fahrradständern, in denen das vorderste Rad jeweils keinerlei Beschriftung aufweist, schreit er laut in den Wagon "Where's the red Specialized goin'??" und meint damit, dass er wissen will, wohin das rote Rennrad der Marke 'Specialized' mitsamt seinem Eigentümer denn fährt. Wenn der Eigentümer aufpasst, schreit der z.B. zurück "It's goin' to Belmont!" und jeder weiss Bescheid. Kommt keine Antwort, muss das Rad Herrn Schilli gehören, der gerade Walkman hört oder sonstigerweise geistig abwesend ist. Gnadenlos wird das Rad zugeparkt ... Ja, raus, raus, raus, aus dem Zug, gerade noch geschafft! Puh! Jetzt geht's durch das Hillsdale-Einkaufszentrum, das ist eine riesige Shopping-Mall mit so Giga-Kaufhäusern wie Mervyn's oder Macy's oder Sears. Die ersten Verkäuferinnen gehen zur Arbeit.

Die Gegend wird ruhiger, es geht durch durch die Einfamilienhaus-Kolonie in San Mateo. Das ist typisches Mittelklasse-Amerika: Bungalows mit 10 Quadratmeter Rasen vornedran, sauber vom mexikanischen Schwarzarbeiter gemäht. Doppelgarage Minimum. So sehen ungefähr 80% aller amerikanischen Häuser außerhalb der großen Städte aus. In der Frühe macht der Ami gerne die Garagentür auf und lässt das Auto schon mal warmlaufen, während er noch frühstückt, Benzin kost' ja nix.

Rauf auf die Anhöhe, wo das AOL-Gebäude steht! Der Berg ist ungefähr so hoch wie die Zugspitze, und so steil, dass der erste Gang rein muss (das heißt was bei einem Mountain-Bike!) und ich frage mich jeden Tag, wie lange ich gesundheitlich das noch machen kann. Aber oben ist es still wie auf dem Mount Everest, die Aussicht ist phantastisch und ich werfe ich noch einen kurzen Blick auf die Bay, summe leise "I lost my heart ... in San Francisco". Und auf geht's! Rein ins Büro, wo schon ein paar Jungs und Mädels in ihren Cubicles sitzen und es geht "Man, how are you?", "Hey buddy, how's it goin'?", "Man, I tell ya ...".

Rechner an! Die "Silicon Graphics Challenge S", auf der ich arbeite, hab' ich noch nie gesehen - sie steht in Virginia, an der Ostküste! Und die Arbeit beginnt ... hacking away ... yippieh!

So, liebe German Brothers & Sisters, ich hoffe, ihr hattet Euren Spaß an der Geschichte. Bis nächstes Jahr!

Gehabt's euch wohl, ois Guade, take it easy!

Angelika & Michael

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Letzte Änderung: 26-Nov-2012