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  Rundbrief Nummer 94  
San Francisco, den 14.11.2011


Abbildung [1]: Demonstranten in Oakland: "Obama sei nicht die Marionette der Wall Street". Foto: David Shankbone

Angelika Sicher habt ihr schon von der amerikanischen Protestbewegung "Occupy Wall Street" gehört, die in New York begann und sich wie ein Lauffeuer in mehreren amerikanischen Städten ausbreitete -- schließlich sind schon Ausläufer nach Deutschland geschwappt. Ich habe ja schon lange darauf gewartet, dass die Leute in den USA endlich einmal auf die Straße gehen, denn die Schere zwischen Arm und Reich klafft hier besonders weit auseinander.

Das Privatvermögen ist hier besonders ungleich verteilt und soziale Errungenschaften wie gesetzlich geregelte und bezahlte Urlaubs- und Krankheitstage und eine vernünftige Arbeitslosen- und Krankenversicherung lassen im Vergleich zu anderen westlichen Ländern sehr zu wünschen übrig. Bisher schien aber jeder an dem Traum festzuhalten, dass auch er irgendwann sich aus der Masse der 99% löst und zu den 1% Superreichen gehört. Die Proteste setzte interessanterweise die rechtslastige Tea-Party-Bewegung in Gang. Sie kritisierte die finanziellen Rettungsaktionen im Zuge der Häuser-und Bankenkrise sowie Obamas Vorstoß bezüglich einer Krankenkasse für alle. Viele sehen die Tea-Party-Bewegung auch als den Protest von rechts und die Occupy-Wall-Street-Aktion als die Gegenbewegung von links an.

Der eklatante Unterschied besteht allerdings darin, dass die Tea-Party-Anhänger von Anfang an in der Politik mitmischen wollten und mittlerweile eine gewichtige Rolle im amerikanischen Kongress spielen. Sie nehmen sogar Einfluss auf die bevorstehende Präsidentschaftswahl, während die Occupy-Wall-Street-Truppe sich eher von politischen Parteien fernhält. Das ist meines Erachtens ein großer Fehler, da ich befürchte, dass sich die ganze Bewegung so irgendwann in Luft auflöst. Überhaupt stellen sie wenig konkrete Forderungen. Der gemeinsame Nenner scheint zu sein, dass man gegen die Großbanken ist, was dann doch etwas kurz greift, denn die Misere der anhaltenden Wirtschaftskrise ist wesentlich komplexer und nicht damit zu lösen, das Konto bei der Bank of America oder Wells Fargo Bank zu kündigen.

Abbildung [2]: Demonstranten belagern den Platz vor dem Rathaus in Oakland mit Zelten. Foto: Clay@SU

Interessanterweise hat Oakland, die Stadt auf der anderen Seite der Bay Bridge, die immer etwas im Schatten von San Francisco steht, San Francisco bezüglich der Protestbewegung den Rang abgelaufen. "Occupy Oakland" erhält viel Aufmerksamkeit von der Presse und nicht erst seitdem bei einer Schießerei, die wohl das Resultat eines persönlichen Disputs war, einer der Sympathisanten der Bewegung starb. Die Demonstranten harren nach wie vor in Zelten vor dem Rathaus in Oakland aus und schafften es bei einer Großdemonstration Anfang November, den Hafen von Oakland lahm zu legen, was sie in alle Fernsehkanäle katapultierte. Die Zelte sollen in den nächsten Tagen allerdings verschwinden, denn Bürgermeisterin Jean Quan gerät immer mehr unter Zugzwang. Nachdem der Platz vor dem Rathaus schon einmal von der Polizei geräumt wurde, erlaubte sie, dass sich die Demonstranten wieder in ihren Zelten auf dem Frank Ogawa Plaza ansiedelten.

Allerdings reicht es jetzt den mittelständischen Betrieben und Anwohnern rund ums Rathaus. Die behaupten nämlich, dass sich keiner mehr in die Innenstadt Oaklands traut und ihre Einnahmen dramatisch zurück gegangen sind. Quan hoffte, dass die Protestanten freiwillig das Weite suchen. Heute morgen wurde allerdings gemeldet, dass die sogenannte "Riot Police" den Platz geräumt hat.

Allgemein bleibt spannend, was aus der Bewegung in den verschiedenen Städten wird. Um nachhaltig EinflussĀ  zu gewinnen und etwas zu verändern, kommt man wohl nicht um politische Institutionen herum. Ich sage ja schon seit Jahr und Tag, dass die USA dringend eine buntere Parteienlandschaft braucht und vieles an der Eingefahrenheit des zur Zeit bestehenden Zweiparteiensystems liegt.

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