Angelika/Mike Schilli |
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Occupy Oakland
Abenteuer Verkaufssteuer
Wie Amazon die Sales-Tax umgeht
Der Helm zum Fußballspielen
Namen und Herkunft
Wahlkampf Primaries
Mit den Fingern zählen
Das Ende des Papierbuchs
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Angelika Wir befinden uns einmal wieder im Wahlkampf. Zwar stehen die Präsidentschaftswahlen erst im November 2012 an, aber das amerikanische System der Vorwahlen ("Primaries", Rundbrief 02/2008) hat den Wahlkampf eingeläutet. Denn in den Vorwahlen bestimmen die eigenen Parteimitglieder, wer für ihre Partei ins Rennen um das Präsidentenamt geschickt wird. Die ersten Vorwahlen finden Anfang 2012 statt. Da bei den Demokraten sowieso schon alles klar ist, denn nur Obama kandidiert und seine Nominierung ist nur noch eine Formalität, konzentriert sich alles auf die republikanischen Kandidaten. Die republikanische Basis bewegt nur eins: Wer kann es schaffen, Obama zu schlagen?
Mitt Romney gilt als der Kandidat mit den größten Chancen, zumindest wenn es um die allgemeine Präsidenschaftswahl und nicht die Vorwahlen geht. Natürlich nützt ihm diese Prognose nichts, wenn er die Vorwahlen nicht gewinnt. Hier ist das Dilemma: Um in den USA ins Weiße Haus zu gelangen, muss man die politische Mitte ansprechen, also Wählerstimmen von sogenannten Unabhängigen ("Independents") ergattern. Diese Wähler fühlen sich keiner Partei zugehörig und wählen durchaus republikanische oder demokratische Kandidaten, je nach eigener Stimmungslage oder der im Land. In der Regel vertreten die unabhängigen Wähler aber keine extremen Ansichten, strafen also Kandidaten mit zu linken oder zu rechten politischen Parolen ab. Um die republikanischen Vorwahlen zu gewinnen, muss Romney sich im heutigen Klima allerdings auch den extremeren Elementen in seiner Partei zuwenden, zum Beispiel der religiösen Rechten und der "Tea-Party-Bewegung".
Allerdings bekleidete er von 2002-2007 das Amt des Gouverneurs von Massachusetts und wirkte mit, die Krankenkasse für alle in seinem Bundestaat einzuführen. Das Modell in Massachusetts ähnelt dann auch sehr dem Obama-Modell. Da aber fast alle republikanischen Kandidaten strikt gegen die von Obama initiierte Gesundheitsreform sind und sie sogar zurückrollen wollen, steht Romney jetzt unter Erklärungsdruck. Auch seine für einige Republikaner ehemals zu moderaten Ansichten bezüglich Abtreibung und Gleichstellung von Homosexuellen passte er schnell der Situation an, um seine Gewinnchancen zu erhöhen. Viele werfen ihm nun vor, dass er seine Fahne stets nach dem Wind dreht. Auf der Plusseite sehen viele, dass Romney ein erfolgreicher Geschäftsmann war bevor er politische Ambitionen zeigte und einige Unternehmen aus der Misere führte sowie die Olympischen Winterspiele 2002 nach Salt Lake City holte. Viele erhoffen sich, dass er den staatlichen Schuldenberg und die hohe Arbeitslosigkeit in den Griff bekommt. Außenpolitisch hat Romney allerdings kaum Erfahrung. Auch bringen seine Gegner immer wieder ins Spiel, dass Romney Mormone ist. Allerdings scheint dies weniger ins Gewicht zu fallen als noch 2008, als Romney schon einmal kandidierte, aber McCain als Sieger bei den Vorwahlen hervorging.
Eine weitere schillernde Persönlichkeit ist Herman Cain, dem niemand zunächst irgendwelche Chancen einräumte, der aber mittlerweile bei Umfragen relativ gut abschneidet. Der ehemalige Geschäftsführer von "Godfather's Pizza" ist für seine pragmatischen Ansätze bekannt und gilt als charismatischer Redner. Ein Mann aus dem Volk, aus sehr einfachen Verhältnissen stammend, der es zu etwas gebracht hat. Amerikaner lieben solche Geschichten. Seine in der Presse vielfach zitierte vorgeschlagene Steuerreform "9-9-9", die Experten für völlig undurchführbar halten, gefällt dennoch vielen, denn Amerikaner hassen die komplizierten, verschlungenen Steuergesetze mit den dazugehörigen Ausnahmen. Herman Cains Plan sieht nur einen Pauschalsteuersatz von 9% vor, daher der Name. Alle zahlen 9% Einkommenssteuer, eine nationale Verkaufssteuer von 9% wird eingeführt und Unternehmen werden ebenfalls mit 9% besteuert. Cain hat momentan allerdings andere Probleme, denn die Presse grub eine alte Geschichte aus den 90ern aus, als er der National Restaurant Association vorstand und drei Frauen Beschwerden gegen ihn wegen sexueller Belästigtigung am Arbeitsplatz einreichten. Einer der Betroffenen zahlte er damals eine Abfindung. Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz wird in Amerika recht streng gehandhabt, dahinter können sich schlüpfrige Witze im Kollegenkreis aber auch ernstere Vergehen verbergen. Auch das ist typisch für den amerikanischen Wahlkampf: Die Presse und die Gegenseite stochern so lange im Leben der Kandidaten herum, bis sie etwas finden, das dem Kandidaten Schaden zufügen und Stimmen kosten kann.
Der Texaner Rick Perry möchte gern noch einmal in die Fußstapfen von George W. Bush treten, denn er übernahm im Jahr 2000 das Amt des texanischen Gouverneurs von Bush und hofft nun auf das Präsidentenamt. Der Sohn eines Viehzüchters brüstet sich gern damit, dass er in Texas einen wahren Wirtschaftsboom in Gang setzte, indem er Arbeitsplätze trotz einer Wirtschaftsflaute im übrigen Land schuf. Nun ist Texas ein ganz eigenes Pflaster und was dort gut ankommt, funktioniert im Rest des Landes nicht unbedingt. In den ersten Debatten trat Perry gleich in mehrere Fettnäpfen, weil er oft Fakten durcheinander brachte und munter drauflos redete, ohne voher über das Gesagte nachzudenken. Er lehnt Obamas Gesundheitsreform strikt ab, was Perrys Kritiker immer wieder darauf hinweisen lässt, dass Texas unter seiner Führung mit 26% den traurigen Rekord der meisten unversicherten Bürger aufstellte.
Michele Bachmann galt lange als die zweite Sarah Palin und bekam viel Aufmerksamkeit durch die Presse bevor Rick Perry seine Ambitionen auf das Präsidenschaftsamt kundtat. Wohl auch deshalb, weil sie wie Palin oft mit konservativen politischen Platitüden um sich wirft. Sie befürwortet niedrige Steuern, wenig Staat, ist gegen die Gesundheitsreform, gegen gleichgeschlechtliche Partnerschaften und Ehen und glaubt, dass Klimaveränderungen ein Mythos sind. Sie hängt der Tea-Party-Bewegung an und sitzt seit 2007 im Repräsentantenhaus der USA als eine der Abgeordneten des Bundesstaats Minnesota.
Ron Paul ist Arzt und texanischer Abgeordneter im amerikanischen Repräsentantenhaus. Er gilt als Freidenker mit Prinzipien, die etwas utopisch anmuten. Sein Ziel ist es, sich streng an die Prinzipien der Gründungsväter der Nation zu halten. Er möchte den Staat so klein wie möglich halten, glaubt an Selbstverwaltung und Deregulierung, die Vereinfachung des Steuersystems, die Abschaffung der US-Notenbank, die starke Verkleinerung des amerkanischen Militärs und eine Außenpolitik der Nicht-Einmischung. Viele sehen ihn als Vordenker der Tea-Party-Bewegung an, wobei nicht alle seine Prinzipien mit der Bewegung übereinstimmen. Er hat treue Anhänger, die nicht nur aus dem rechten Lager kommen, gilt aber als Außenseiter, denn Präsident wird er mit diesen Prinzipien selbst im extremen Amerika wohl nicht werden. Konsequent ist der Mann allerdings. Er weigert sich zum Beispiel beharrlich, die Pensionszahlungen, die Kongressmitgliedern in einem bestimmten Alter und nach Dienstjahren zustehen, anzunehmen.
Jon Huntsman ist vielleicht der einzige Republikaner, der auch bei den Europäern Zuspruch finden könnte. Er gilt als moderater (zumindest für amerikanische Verhältnisse und im Vergleich zu den anderen Kandidaten) und verfügt als einziger Kandidat über außenpolitische Erfahrung. Zuletzt war er von 2009-2011 als amerikanischer Botschafter in China tätig, also unter der Regierung Obamas. Er arbeitete in verschiedenen Funktionen unter Ronald Reagan, George H.W. Bush und George W. Bush und war ein äußerst beliebter Gouverneur in Utah. Auch er ist wie Romney bekennender Mormone.
Newt Gingrich hatte seine besten politischen Jahre Mitte der Neunziger, als er 1994 maßgeblich daran beteiligt war, dass die Republikaner nach einer langen Durststrecke die Mehrheit im US-Repräsentantenhaus erlangten. Von 1995 bis 1999 fungierte er als Sprecher des Repräsentantenhaus. Er gilt als äußerst polarisierender Politiker mit nicht ganz privater weißer Weste, was vielen Parteifreunden ein Dorn im Auge ist. So ist er bereits das dritte Mal verheiratet und hatte, während er das Amtsenthebungsverfahren von Bill Clinton wegen der Lewinski-Affäre vorantrieb, selbst ein außereheliches Techtelmechtel mit einer Mitarbeiterin, die er später heiratete.
Einige Kandidaten gelten mittlerweile als völlig chancenlos und tauchen vielfach nicht einmal bei den politischen Debatten auf: Rick Santorum, ein ehemaliger Senator aus Pennsylvania, Buddy Roemer, ein ehemaliger Demokrat, der nicht nur die Partei wechselte sondern auch schon als Gouverneur von Louisiana amtierte und im Repräsentantenhaus saß, und der ehemalige Gouverneur von New Mexico, Gary Johnson, der in New Mexico versuchte, Marihuana zu legalisieren. Ein erstaunlich liberaler Vorstoß für einen Republikaner.
An Kandidaten mangelt es also nicht. Allerdings trennt sich, wenn die eigentlichen Vorwahlen dann endlich anlaufen, schnell die Spreu vom Weizen, denn der amerikanische Wahlkampf ist teuer und viele halten es nur bis zu den Vorwahlen in den ersten Bundesstaaten durch. Denn die Kandidaten haben es schwer, Spendengelder für den Wahlkampf zu mobilisieren, wenn sie bei den Vorwahlen nicht vorne liegen. Zwei weitere Kandidaten, Thaddeus McCotter und Tim Pawlenty gaben deswegen schon im August und September auf.
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