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  Rundbrief Nummer 73  
San Francisco, den 03.02.2008


Abbildung [1]: Obama-Anhänger im Castro-Viertel in San Francisco

Angelika Amerikas Wahlkampfmaschine läuft auf Hochtouren und seit Monaten bombardieren uns die Medien mit Prognosen, Debatten und Werbespots der Kandidaten zum amerikanischen Präsidentschaftsamt. Am Ende der Vorwahlen kristallisieren sich zwei Kandidaten heraus, einer für die republikanische und einer für die demokratische Partei -- und einer davon wird dann bei den wirklichen Wahlen im November Präsident der USA. In der Regel ist das Interesse an diesen Vorwahlen relativ gering und die Wahlbeteiligung extrem niedrig, doch dieses Jahr sieht alles anders aus.

Das liegt zum einen daran, dass es bisher weder bei den Republikanern noch bei den Demokraten einen klaren Favoriten gibt. Bei den Demokarten liefern sich Hillary Clinton und Barack Obama ein spannendes Rennen. Obwohl sich die beiden in ihren politischen Konzepten gar nicht so sehr unterscheiden, fragen sich viele demokratische Wähler, wem sie ihre Stimme geben sollen. Dem jungen charismatischen Barack Obama, dem Senator aus dem Bundesstaat Illinois, der verspricht, das Land über alle politischen Gräben hinweg zu vereinen? Oder doch lieber Hillary Clinton, die immer wieder betont, das Weiße Haus und den Washington-Klüngel in- und auswendig zu kennen, die aber auch die Altlasten ihres Mannes Bill Clinton mit sich herumträgt?

Vielen Wählern graut es davor, die Bush-Dynastie gegen eine Clinton- Dynastie auszutauschen, zumal keiner so recht weiß, welche Fäden Bill Clinton im Hintergrund zieht. Auch die historische Dimension ist vielen Wählern wichtig: Zum ersten Mal hat in der Geschichte der USA entweder eine Frau oder ein Schwarzer eine Chance auf das höchste Amt im Land. Und viele sehen in Barack Obama bereits die Reinkarnation von John F. Kennedy, so begeistert er die Massen, unabhängig von Hautfarbe, Alters, und Einkommen, wie es zumindest in San Francisco scheint.

Abbildung [2]: Ein überzeugter Anhänger von Hillary Clinton

Bei den Republikanern liegen der ehemalige Vietnam-Veteran und langjährige Senator von Arizona, John McCain, und der millionenschwere Geschäftsmann und ehemalige Gouverneur von Massachusetts, Mitt Romney, vorn. Wochenlang debatierte dabei das Land, ob der Mormone Romney wegen seiner Religionszugehörigkeit überhaupt wählbar ist. Besonders die religiöse Rechte, die hauptsächlich republikanisch wählt, stößt sich an Romneys Mormonenstatus. Auch der ehemalige Bapitistenpfarrer und frühere Gouverneuer von Arkansas, Mike Huckabee, schlägt sich noch tapfer, denn besonders die konservativ-religiöse Basis schätzt ihn. Bislang fanden Vorwahlen in 7 Bundesstaaten statt, aber alles wartet nun gespannt auf den 5. Februar, den sogenannten "Super Tuesday", an dem in 22 weiteren Bundesstaaten Vorwahlen stattfinden.

Das höllenkomplizierte System der Vorwahlen habe ich schon einmal kurz in Rundbrief 08/2004 beschrieben, aber heute versuche ich es nochmal genauer. Prinzipiell gibt der Bürger bei amerikanischen Vorwahlen nicht direkt seine Stimme an seinen favorisierten Kandidaten ab, sondern er wählt Delegierte, die auf den jeweiligen Parteitagen dann den Präsidentschaftskandidaten bestimmen.

Manche Wahlzettel führen deshalb auch gar nicht die Kandidaten auf, sondern nur die Delegierten. Wieviele Delegierte ein Bundesstaat zu den Parteitagen entsenden darf, richtet sich nach der Bevölkerungsdichte im jeweiligen Bundesstaat. Es gibt unterschiedliche Methoden, wie die Anzahl der abgegebenen Stimmen in Delegierte umgerechnet wird.

Die demokratische Partei geht strikt nach der proportionalen Methode vor, d.h. wenn die demokratische Partei aus Bundsstaat X z.B. 100 Delegierte auf den Parteitag schicken darf und Kandidat A ergattert 70 Prozent der Stimmen, entfallen auf Kandidat A 70 Delegierte. Die republikanische Partei überlässt es den einzelnen Bundesstaaten, ob nach der proportionalen Methode oder dem Motto "winner-takes-all" (der mit den meisten Stimmen erhält alle Delegierte) vorgegangen wird.

Bei diesen Vorwahlen kommen die Republikaner zum Schluss insgesamt auf 2380 Delegierte und die Demokraten auf 4049. Jedenfalls nach jetzigem Stand, da Floridas und Michigans Stimmen zur Zeit bei den Demokraten nicht mitzählen, denn die demokratische Partei entzog beiden Bundesstaaten für ihre unerlaubt vorgezogenen Wahlen die Delegierten. Hillary Clinton möchte die Strafaktion gerne rückgäng machen, denn sie gewann in Florida und Michigan. Um dann auf dem Parteitag nominiert zu werden, braucht der republikanische Kandidat die Stimmen von 1191 (von 2380) Delegierten, der demokratische 2025 (von 4049).

Abbildung [3]: Eine Anhängerin von Hillary Clinton in San Francisco

Interessant sind diejenigen Delegierten, die nicht an die Vorwahlergebnisse gebunden sind, sondern ihre Stimmen nach eigenem Gutdünken auf den jeweiligen Parteitagen abgeben. Meist handelt es sich dabei um Parteifunktionäre und Abgeordnete. Die Demokraten nennen diese Delegierten lustigerweise Superdelegierte ("super delegates") während die Republikaner schlicht von Delegierten, die zu nichts verpflichtet sind ("unpledged delegates"), sprechen. 796 dieser Superdelegierten schicken die Demokraten auf ihren Parteitag in Denver im August, bei den Republikanern sind es 463 auf dem Parteitag in Minneapolis/St. Paul. In der Regel richten die Superdelegierten aber nicht mehr viel aus, aber dieses Jahr könnten sie bei den Demokraten zum Zünglein an der Waage werden, wenn das Rennen zwischen Obama und Clinton weiterhin Kopf an Kopf bleibt.

Abbildung [4]: Ganz San Francisco ist heiß auf Obama.

Interessant ist auch ob die einzelnen Bundesstaaten "Primaries" oder "Caucuses" durchführen. Primaries müsst ihr euch wie ganz normale Wahlen vorstellen. Die Wähler gehen zu ihrem Wahllokal und geben an einem bestimmten Tag ihre Stimme ab. Dabei gibt es geschlossene ("closed") und offene ("open") "Primaries". Bei geschlossenen Primaries dürfen nur registrierte Parteimitglieder wählen. Die Registrierung geht allerdings oft recht unbürokratisch vor sich. Demokraten wählen für die demokratischen Kandidaten, Republikaner für die republikanischen. Bei offenen "Primaries" spielt hingegen die Parteizugehörigkeit keine Rolle.

Allerdings kennt das amerikanische System auch noch eine Mischform, nämlich teilweise offene Primaries, bei denen unabhängige Wähler unter Umständen mitwählen dürfen. In Kalifornien erlaubt dies zum Beispiel die demokratische Partei unabhängigen Wählern, während die republikanische Partei es verbietet. Das mag euch jetzt vielleicht wundern, aber die republikanische Partei fürchtet, dass dann der weniger konservative Kandidat ihrer Partei in Kalifornien das Rennen macht, denn Kalifornien hat einen hohen Anteil an unabhängigen Wählern, die eher als moderat gelten. Eine amerikanische Bekannte erzählte mir sogar, dass ihre eher demokratisch angehauchten Freunde sich als Republikaner in Kalifornien registrieren lassen, um die Wahl des republikanischen Kandidaten zu beeinflussen.

Unter "Caucus" stellt ihr euch hingegen am besten eine Parteiversammlung auf lokaler Ebene vor. Man trifft sich zum Beispiel in Schulen und debattiert, welcher Kandidat am besten geeignet ist, um später dann in meist öffentlicher Abstimmung den Favoriten zu bestimmen. Die entsprechenden Delegierten werden dann zu den übergeordneten Versammlungen auf Landkreis ("County")- und Bundesstaatenebene entsandt, um dann schließlich die Wahlmänner für den nationalen Parteitag zu bestimmen. Die Methode des "Caucus" gerät allerdings immer mehr ins Hintertreffen. Nur noch ungefähr ein Drittel der amerikanischen Bundesstaaten führen "Caucuses" durch.

Abbildung [5]: Auch Oma Meume ist für Obama.

Etwas merkwürdig an dem Vorwahlsystem ist, dass die Vorwahlen nicht alle am gleichen Tag stattfinden, sondern gestaffelt zwischen Januar und Juli. New Hampshire and Iowa wählen traditionell zuerst, denn New Hampshires Gesetze besagen, dass ihre Primary eine Woche vor jeder anderen Primary stattzufinden hat. Das führt dazu, dass kleinere Bundesstaaten mit relativ geringer und homogener (in Iowa zum Beispiel dominieren weiße Bauern die Demographie) Bevölkerung großen Einfluss auf die erste Vorauswahl der Präsidentschaftskandidaten haben. Das stinkt bevölkerungsreicheren Bundesstaaten wie Florida und Kalifornien, sodass mittlerweile der Trend zu immer früheren Vorwahlen geht.

Ihr erinnert euch vielleicht, dass zunächst 9 Demokraten und 11 Republikaner ins Rennen gingen. Mittlerweile stehen bei den Demokraten nur noch Hillary Clinton, Barack Obama und Mike Gravel, der allerdings nicht mehr in den Debatten oder in der Presse auftaucht, zur Auswahl. Bei den Republikanern sind John McCain, Mitt Romney, Mike Huckabee und Ron Paul noch dabei, und Kalifornien wählt wie gesagt erst am Dienstag. Das Feld der Kandidaten dünnt sich deshalb relativ schnell nach den ersten Vorwahlen aus, da der Wahlkampf in den USA extrem teuer ist und die Kandidaten, die kaum Stimmen bekommen, Schwierigkeiten haben, Spenden einzutreiben, um ihren Wahlkampf weiter zu finanzieren.

Niemand wirft sein Geld zum Fenster raus und unterstützt einen Kandidaten weiter, der keine realistische Chance mehr hat. Allerdings hätten Leute wie John Edwards (Demokrat) oder Dennis Kucinich (Demokrat) oder auch Rudy Giuliani (Republikaner) in Kalifornien durchaus Stimmen bekommen. Ich kenne viele, die am Dienstag für John Edwards oder auch Kucinich (der linkeste Kandidat) wählen wollten und dies jetzt nicht mehr können. Das geht sogar soweit, dass einige Kalifornier, die schon per Briefwahl gewählt haben und zum Beispiel Edwards ihre Stimme gaben, nun in die Röhre gucken, weil ihre Stimme nicht mehr zählt, da Edwards nicht mehr im Rennen ist.

Abbildung [6]: In diesem schönen viktorianischen Haus wohnt ebenfalls ein Obama-Anhänger.

Wer übrigens meint, dass mit Sicherheit ein Demokrat als Präsident(in) ins Weiße Haus einzieht, liegt falsch. Gerade wenn McCain die Nominierung bei den Republikanern schafft, dürfte der auch dann später die Wahl gewinnen. Denn John McCain verkörpert, was Amerikaner mögen, vor allen Dingen die in der Mitte des Landes. Er ist ein ehemaliger Vietnam-Veteran und überlebte Gefangenschaft und Folter in Vietnam und spricht sich auch deshalb vehement gegen Folter aus. Und obwohl er für den Irakkrieg stimmte und Bush diesbezüglich unterstützte, sehen viele seine Erfahrungen in Vietnam und seine lange militärische Laufbahn als Plus an, den Schlammasssel im Irak zu lösen.

Auch gilt er als pragmatisch, redet Klartext und ist dafür bekannt, überparteilich zu agieren, alles Eigenschaften, die gerade die Moderateren der konservativen sowie die unabhängigen Wähler schätzen. So setzt er sich für eine humane Lösung des Problems der illegalen Einwanderer im Land ein und versuchte mit dem Erzdemokraten Ted Kennedy, einen Gesetzesentwurf diesbezüglich durch den Kongress und Senat zu bringen, was allerdings scheiterte.

Abbildung [7]: Eine Postkarte mit der Barack Obamas Kampagne.

Auf der anderen Seite ist er schon erzkonservativ. Er ist gegen Abtreibung und will die Steuervergünstigen, die Bush ins Leben rief, permanent machen. Wer auf einen demokratischen Präsidenten hofft, sollte die Daumen drücken, dass Mitt Romney bei den Repubikanern die Nominierung gewinnt, denn Umfragen zufolge erhöhen sich die Chancen für den demokratischen Kandidaten, wenn der Gegenkandidat Romney und nicht McCain heißt. Nur schade, dass wir nicht mitwählen dürfen, denn meine Stimme hätte Obama.

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Letzte Änderung: 27-Apr-2019