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  Rundbrief Nummer 13  
San Francisco, den 15.01.99
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Liebe Daheimgebliebenen,

und wieder heißt es: Willkommen zu den News aus der neuen Welt! Eure unermüdlichen Abenteurer Angelika und Michael haben wieder fleißig Geschichten aus dem amerikanischen Alltag gesammelt -- viel Spaß beim Lesen!

Abbildung [1]: Das Hauptquartier von AOL -- in Dullas, Virginia

Deutsches Essen in den USA

Was traditionelles deutsches Essen anbelangt, haben wir auch bisher keine Not gelitten, da zwei Straßen von unserer Wohnung entfernt zwei deutsche Läden sind. In dem einen gibt es deutsche Bierkrüge, Kosmetikartikel (Fa-Duschbad, leider kein Cliff), und zur Weihnachtszeit Nussknacker und Nikoläuse. Das andere, dem das Restaurant "Speckmann's" angeschlossen ist, führt allerlei deutsche Biersorten, Kartoffelsalat, eingefrorene Brezen, Sauerkraut, Weißwürste, Händlmaier-Senf (übrigens steht auf der Packung "Händelmaier's", ist das in Deutschland auch so, kann das jemand verifizieren?) und Wiener Würstchen, die dort "German Franks" heißen. Jeder, der schonmal in den USA war, weiß, dass so etwas nur alle 2000 Kilometer vorkommt! Alle zwei Monate ungefähr zieht mich eine magische Kraft in den Laden hinunter und die österreichische Oma dort muss mir dort "German Franks", einen Senf und Brezen geben. Neulich gab ich ihr einen 20-Dollar-Schein und sie gab mir raus: "Zwööfe, droizähne, vierzähne, funfzähne, zwonsgte!" Auch das Brotproblem, ein in den USA traditionsgemäß heikles Thema, weil es der Herr Amerikaner eher weich und süß als krustig und sauer mag, stellt sich in unserem Viertel nicht, da eine reiche Auswahl von italienischem, französischem und, ja, auch deutschem Brot zur Verfügung steht. Als wir aber neulich abends in einem Lokal, das schon lange auf unserer Wunschliste stand, die "Suppenküche" an der Ecke Laguna/Hayes Street, einkehrten, durfte ich mir endlich -- nach über zwei Jahren -- wieder eine Rindsroulade nebst zwei Humpen Franziskaner Weißbieres reinziehen, gier, gier! Mit hausgemachten Spätzle und Rotkraut - der Woansinn, ey, oh Heimat, oh Heimat! Der Laden füllte sich dann zusehens, war um acht rappelvoll, und die Leute hatten sichtlich Spaß daran, sich an Bier aus Maßkrügen und sogar noch größeren "Stiefeln" zu laben. Und das in San Francisco! An Biersorten waren übrigens außer Spaten/Franziskaner auch noch Paulaner und Hacker-Pschorr zugegen. Spaten musste sich, weil's in Müchen wg. Kopfwehbier keiner trinkt, andere Verteilerwege suchen und hat sich tatsächlich hier ein Standbein geschaffen -- jede dritte Kneipe schenkt's aus. Und ich lebe tatsächlich seit über zwei Jahren ohne Augustiner Edelstoff! Wer bringt's mir mihiiit ... :) ?

Im Hauptquartier von AOL

In der zweiten Dezemberwoche hatte ich die Ehre, im Hauptquartier von AOL in Dulles im Bundesstaat Virginia (ganz nah an der Hauptstadt der USA, Washington D.C.) vorbeizuschau'n und für die Jungs & Mädels dort einen Zwei-Tages-Kurs über eine Programmiersprache (für die Fachleute unter euch: Tcl) zu geben. Da Virginia an der Ost-Küste liegt und wir ja bekanntlich an der Westküste von Amerika wohnen, musste ich an einem Sonntagvormittag aufbrechen, mich erstmal für fünf Stunden in ein Flugzeug setzen, ein Mietauto mieten und durch allerhand Highway-Gewirr zum Hotel und zu AOL finden. Gar nicht so einfach, da mein Chef-Navigator Angelika nicht dabei war. So bin ich um 9 Uhr abends auf dem Washingtoner Flughafen angekommen, habe ein Mietauto genommen und mich (wer hätte das gedacht?) erstmal gründlich verfahren. Wer die Washingtoner Gegend kennt, weiß, dass dort ein Highway in den anderen übergeht und dass, wenn man erstmal eine Ausfahrt verpasst hat, es kein Zurück gibt, weil man über drei Autobahnkreuze muss, bis man die nächste Abfahrt nehmen und umkehren kann. Ich habe es jedenfalls fertiggebracht, zweimal an derselben Maut-Stelle vorbeizufahren, zum Glück kostete es nur 25 Cents. Dort waren übrigens große Trichter aufgestellt, in die man die entsprechende Münze in großem Schwung und halb aus dem Fahren heraus vom Autofenster raus reinwerfen konnte, megacool! Zum Glück hatte ich genügend Münzen dabei. Dann waren da natürlich noch drei Stunden Zeitverschiebung überwinden, so dass ich, nach San-Francisco-Zeit gerechnet, um 3 Uhr morgens aufgestanden bin und den Vortrag um 6 anfing -- aber schließlich habe ich es doch geschafft, durchschnittlich sechs Stunden am Tag fast ununterbrochen zu plappern und luschtige Gschichterln aus dem Leben eines Web-Engineers zu erzählen. Die Amis erwarten ja viel mehr als irgendwer anders, dass ein Kurs in erster Linie "Fun" (Spaß) ist. Da es natürlich keine drei Sekunden gedauert hat, bis sie an meinem Akzent festgestellt haben, dass ich kein Amerikaner bin, habe ich ihnen gleich erzählt, wo ich herkomme, und daraufhin lief alles wie geschmiert und den Leuten hat's tatsächlich gefallen. Vielleicht werde ich ja eines Tages doch noch ein großer Redner, möglich ist alles!

Der deutsche Akzent wenn man Englisch spricht

Das mit dem deutschen Akzent ist eine Sache, an der ich zwar konstant arbeite, in der allerdings kein Land in Sicht ist: Wer sein Leben lang Deutsch gesprochen hat, kann wohl nie 100%ig tönen wie ein Amerikaner oder Engländer. Das ist wie wenn ein Amerikaner zwar fließend Deutsch spricht, aber an den "r"s und "w"s merkt man doch, dass die angloamerikanische Welt Buchstaben leicht anders ausspricht als die deutschsprachige. Damit da keine Missverständnisse aufkommen: Ich spreche weder wie Helmut Kohl oder grammatikalisch falsches Englisch und auch die Wörter, um das auszudrücken, was ich meine, wähle ich, soweit ich das draufhabe, entsprechend den lokalen Gegebenheiten, so sagt man in Amerika zum Beispiel oft Sachen, die man in keinem Englischkurs der Welt lernt wie "I'm gonna do this" für "Ich mach das" oder in Kalifornien "What's up, dude?" für "Wie geht's, Kumpel?" -- also am Slang liegt's nicht, das ist einfach zu kopieren. An was es tatsächlich hakt, ist, dass die Laute anders klingen. Da die Unterschiede minimal und für Nicht-Amerikaner kaum festzustellen sind, war mir das lange Zeit nicht bewusst, ich war immer der Auffassung, irgendwann würde das keiner mehr unterscheiden können, aber weit gefehlt: Je länger ich meinem Englisch zuhöre, desto klarer wird mir, wo die Unterschiede liegen. Aber natürlich gebe ich nicht auf, zur Zeit spiele ich bei AOL jeden Tag Pool-Billard mit einem Typen, der in einem schlechten Viertel von San Francisco aufgewachsen ist und mir die exakte Aussprache von Fachausdrücken aus den "Hoods" beibringt wie "Whyya sweaten me?" für "Ey, mach mich nicht an!", "Whaddup gee?" für "Hey, Kumpel!" und "Audi 5000" für "Tschüss". Mache ich dazu auch noch die Handbewegung, mit der schwarze Jugendliche in Straßen-Gangs eine Pistole symbolisieren, brechen die Jungs bei AOL endgültig vor Lachen zusammen. Mein alter Englischlehrer Haueisen dreht sich im Grabe herum.

Zurück zur Ostküste: Die Gegend, in der das Hauptquartier von AOL steht, besteht nur aus Autobahnen und Riesen-Supermärkten und ist wirklich schnarchlangweilig, da merkt man echt, was San Francisco mit seinem internationalen kunterbunten Durcheinander für eine Ausnahme an amerikanischen Städten ist. Wer wollte woanders wohnen!

29 Palms und der Joshua-Nationalpark

Die zweite Hälfte des Jahresurlaubs (1 Woche) verbrachten wir in den Wüsten unten bei San Diego. Innerhalb Kaliforniens kann man ja spottbillig umeinanderfliegen, so kostet der Flug von San Francisco ins rund 800 Kilometer weiter südlich gelegene San Diego und zurück pro Person nur etwa 100 Dollar. Dort ist das Wetter ein bisserl wärmer, in San Francisco regnet's ja gerne zur Winterzeit, und obwohl die Temperatur hier selten unter 5 Grad fällt, haben wir's doch lieber richtig sonnig. Nun kaufen wir ja regelmäßig jeden Freitag bei unserem "Pali" (wie Angelika immer zu dem palästinensischen Zeitungshändler um die Ecke sagt) die Süddeutsche Zeitung mitsamt dem "Magazin" und Angelika hatte dort gelesen, dass in einem kleinen Kaff in der Wüste namens "29 Palms" nicht nur 29 Palmen, sondern auch ein nettes Motel steht, das kleine Häuschen mit Kaminfeuer und so vermietet, in die auch gelegentlich illustre Gestalten vom nahegelegenen Palm Springs untertauchen, die dem ganzen Jet-Set dort müde geworden sind und in der billigen Absteige für ein paar Tage faul rumlümmeln wollen, um garantiert von niemandem erkannt zu werden -- denn den trüben Tassen, die in dieser Gegend am Ende der Welt wohnen, würde wahrscheinlich nicht einmal ein Licht aufgehen, falls Madonna und Dennis Rodman (für die älteren Herrschaften: Madonna ist eine Schlagersängerin und Dennis Rodman ein Basketballspieler mit grünen Haaren) Arm in Arm durch die Straßen ziehen würden. Leider wurden wir weder Cindy Crawfords im abgegabbelten Jogginganzug noch Steven Spielbergs in Badehose ansichtig, aber Angelika meinte bei einem tattrigen Herrn, der abends um die Bar herumschlich, das sei ein berühmter Regisseur, nur den Namen wisse sie gerade nicht. Na, wir hatten jedenfalls unseren Spaß daran, tagsüber die Wüsten in unseren legendären Bergschuhen zu erkunden, und die bemerkenswerte Luft einzuschnuppern, die jeder Feuchtigkeit mangelt und wie destilliert riecht -- die Berge rings um das Wüstengebiet riegeln jeden Regen ab, es scheint ungefähr 364 Tage im Jahr die Sonne. Trotzdem gedeihen dort allerlei Arten von dornigen Sträuchern und Kakteen, die schön anzusehen -- wenn auch nicht anzufassen -- sind. Klapperschlangen soll's auch zuhauf geben, wir haben zwar keine gesehen, aber einmal am Abend schien es uns, als hörten wir eine in der Ferne vor sich hinrasseln. Kssssrrr! Kssssrrr!

Abbildung [2]: Die Wüsten bei San Diego -- viel Sand und ein Mietauto!

Abbildung [3]: Die typischen Joshua-Bäume in der Wüste

Abbildung [4]: Ein kleiner Koyote

Auf dem Weg in ein recht steiniges Gebiet am Fuße eines Berges, wo wir laut Reiseführer einen Wasserfall zu finden hofften, stießen wir auf eine Tafel, die vor Berglöwen warnte, und tatsächlich kommen diese nicht ganz ungefährlichen Tiere hier in Amerika recht häufig vor -- so waren uns Berichte bekannt, nach denen sogar ganz in der Nähe von San Francisco, in Berkeley, neulich ein Jogger von einem Berglöwen, der sich in die Stadt verirrt hatte, angefallen wurde. Hier muss ich kurz abschweifen, denn als wir dieses Thema bei unserem Motel-Wirt anschnitten und ich bemerkte, dass aus diesen Löwen wohl Großstadt-Löwen geworden seien, warf der Wirt ein, die würden dann wohl nicht mehr knurren, sondern nur noch "Hey, Baby!" schreien. Zurück in die Wüste: Von früheren Besuchen wussten wir, dass man, falls man einem Berglöwen begegnet, sich ganz groß machen, mit den Armen fuchteln, schreien und kleine Steine werfen soll -- und falls man angegriffen wird, auf keinen Fall zu Boden fallen, sondern aufrecht stehend mit dem Tier kämpfen muss -- und immer kräftig zurückhauen! Das ist kein luschtigs Witzle, das stand so tatsächlich in einem Prospekt des Besucherzentrums. Nachdem wir also auf unserer Wanderung das Warnschild passiert hatten, griffen wir uns Stöcke und ich einen Stein und wir setzten unseren Weg fort. Der Pfad verschlechterte sich zusehends, es wurde immer enger und wir mussten einige Dornbüsche zur Seite biegen, um überhaupt durchzukommen. Als wir schließlich an einer Art Oase mit Palmen anlangten, wo auch ein kleines Bächlein floss und wir ein paar Felsen erklommen, vernahmen wir ein verdächtiges Rascheln im Gebüsch und kurz darauf ein lautes Platsch!, so als ob ein mittelgroßes Tier ins Wasser gesprungen wäre. Das war uns entschieden zuviel und wir traten den beschleunigten Rückzug an, und nachdem wir wegen der Eile die Dornenzweige nur sehr nachlässig zurückbogen, bekamen wir einige leichte Schrammen ab, aber schließlich erreichten wir offenes Gelände ohne ein Rendezvous mit einem Berglöwen. Und "Hohoho! Hohoho!" schallte es von Ferne aus dem Gebüsch -- nein, das habe ich jetzt erfunden, aber der Rest ist wahr, echt wahr!

Abbildung [5]: Warnung vor dem Berglöwen

Abbildung [6]: Kakteen mit spitzen Stacheln

Abbildung [7]: ... die sich sogar in den Schuh bohren!

You've got Mail

Zurück in San Francisco zogen wir uns den neuesten Kinofilm rein: "You've got Mail", mit Meg Ryan und Tom Hanks in den Hauptrollen. Das Witzige daran ist freilich, dass sich der ganze Film darum dreht, wie die beiden sich auf dem Internet kennenlernen und mögen, und, nachdem dort alles anonym abläuft, nicht mitkriegen, dass sie sich im wirklichen Leben auch kennen -- und dort nicht ausstehen können. Und sie nutzen AOL, wie man immer wieder in den Szenen sieht! AOL ist ja, für die langsameren unter euch, die Firma für die ich arbeite, und dementsprechend kenne ich den "You've got Mail!"-Ausspruch von der täglichen Arbeit, das sagt der Computer nämlich, wenn man ihn einschaltet und elektronische Post da ist, und nachdem ich am Tag ungefähr 50 Emails kriege, höre ich das ziemlich häufig. Egal, der Film ist ganz lustig, und wenn ihr technologie-verachtende Yetis seid, die noch Kugelschreiber, Schreibmaschinen und anderes antikes Gerät verwenden, müsst ihr ihn euch unbedingt anschauen, damit ihr lernt, wie das heutzutage abgeht und so.

"Perl Power" -- Goto Perl auf Englisch

Und auch aus der Produktionsmühle des unermüdlichen Michael S. gibt es neues zu berichten: Die Reichweite deutscher Bücher ist ja zwangsläufig auf deutschsprachige Länder begrenzt und ich will ja bekanntlich die ganze Welt mit meinen Erzeugnissen bombardieren -- und so kam es mir sehr gelegen, von der Niederlassung des Verlags Addison-Wesley in England zu hören, dass sie Interesse daran hätten, mein deutsches Buch ins Englische zu übersetzen und auf den Weltmarkt zu werfen. Gesagt, getan: Eine Übersetzerin erhielt per Email das Buch zugeschickt, werkelte einen Monat daran herum und schickte schließlich das Ergebnis zurück. Ich sah es durch, korrigierte hier und da, schickte es zurück und nach ein paar Durchgängen lag schließlich das Ergebnis vor: Ende Januar wird es in den Läden sein, ich habe schon 6 Probeexemplare erhalten und die meisten an meine Kollegen bei AOL verschenkt. Auf dem größten Buchladen im Internet, Amazon, kann man es auch bestellen: http://www.amazon.com aufrufen und ins Suchfeld "schilli" eingeben -- und schon werdet ihr zur richtigen Stelle gebeamt. Ganz schön merkwürdig, meinen Text auf Englisch zu lesen -- aber mei, wenn's Geld ins Haus bringt ... und mein erklärtes Lebensziel ist ja bekanntlich, dass mein Buch eines Tages im Buchladen der Stanford-Universität steht. Das könnte bald eintreten, dann fahren wir mit dem Fotoapparat hin ...

Abbildung [8]: Mein neues Buch -- auf Englisch

Verkaufssteuer und Mail-In-Rebatt

Dabei fällt mir etwas Interessantes ein: Wenn man in Amerika etwas in einem Laden einkauft, kommt bekanntlich zum ausgewiesenen Preis noch die Verkaufssteuer (Sales Tax) hinzu, die in San Francisco 8.5% beträgt. Kauft man einen Schokoriegel für $0.99, zahlt man an der Kasse $1.08. Das ist für Touristen immer wieder verwirrend, und führt vor allen Dingen zu Problemen, wenn man vor dem Bezahlen mühsam im Kopf die Preise aller Waren im Kopf zusammengerechnet hat, um dem Verkäufer das Kilo Kleingeld, das man seit Wochen mit sich herumschleppt, auf den Ladentisch zu knallen -- und dann will der plötzlich einen ganz anderen Betrag von einem haben! Doch nach einiger Zeit gewöhnt man sich daran. Neuerdings kommt aber noch ein zweiter verwirrender Faktor ins Spiel: der sogenannte Mail-In-Rebate. So kann es sein, dass ein Computer-Supermarkt ein neues Modem für $49.95 inseriert, geht man aber hin, greift sich das Teil und schleppt es zur Kasse, kostet es plötzlich $69.95 plus Steuer! Die Erleuchtung kommt, wenn man sich das Preisschild genauer ansieht: Dort steht im Kleingedruckten, dass der ausgeschilderte Preis nur nach dem sogenannten Mail-In-Rebate zu verstehen ist, das heißt, man bezahlt im Laden mehr, schickt anschließend einen Coupon an die Firma ein, und kriegt nach einigen Wochen einen Scheck zugeschickt, der einem den Differenzbetrag zurückerstattet. Vorteil für die Firma: Sie weiß, wer das Trumm gekauft hat und kann den Kunden mit gezielter Werbung bombardieren. Dieses System führt teilweise zu absurden Situationen, wenn nämlich der Mail-In-Rebate so hoch ist wie der Produktpreis, was durchaus vorkommt. So ist der ausgeschilderte Preis für 10 Disketten beispielsweise oft $0.00 -- also garnix! Im Laden zahlt man dann $9.95 und kriegt gleichzeitig einen Coupon für denselben Betrag mit -- und schickt man diesen zusammen mit dem Kassenbon ein, trudelt nach einigen Wochen ein Scheck über $9.95 ein und die Disketten waren tatsächlich fast geschenkt: Steuer und Briefmarkenporto muss man natürlich abrechnen.

Weihnachtsbaum in San Francisco

Wie die typischen Deutschen im Exil -- paralysiert vor lauter Rührseligkeit -- konnten wir natürlich nicht umhin, einen Weihnachtsbaum zu kaufen. Wir mussten zwar 60 Dollar hinlatzen, aber dafür wurde er auch direkt in die Wohnung geliefert. Das war wichtig, denn wir haben noch immer kein Auto und einen zwei Meter hohen Weihnachtsbaum in der Straßenbahn zu transportieren wäre doch etwas auffällig gewesen. Da die Häuser hier aus Holz sind und echte Kerzen auf Weihnachtsbäumen eigentlich illegal, hielt ich vorsichtshalber immer einen gefüllten Wassereimer bereit ... aber es ging alles gut.

Abbildung [9]: Der (echte!) Weihnachtsbaum in San Francisco

Abbildung [10]: Angelika am neuen Computer im Wohnzimmer

So, jetzt bin ich aber auch einmal dran. Michael schreibt und schreibt, da kommt man ja gar nicht mehr dazwischen.

Deutschlandbesuchsplanung

Zunächst einmal möchte ich euch informieren, dass ich es doch tatsächlich geschafft habe, einen Flug nach Deutschland zu buchen. Ich fliege am 15.01. los und werde bis zum 12.02. bleiben. Vier Wochen Deutschlandbesuch hören sich jetzt wahnsinnig lang an, aber die Erfahrung zeigt, dass vier Wochen wie im Fluge vergehen. So wie es bis jetzt aussieht, werde ich eine kleine Deutschlandtournee machen, um möglichst viele von euch zu sehen. Da dies ein großer organisatorischer Aufwand für mich ist, wäre ich euch sehr dankbar, wenn ihr mir helfen würdet, Treffen zu organisieren. Ich befürchte, dass die Zeit auch zu knapp wird, jeden von euch einzeln zu besuchen. Deshalb wäre es toll, wenn möglich, gemeinsame Treffen stattfinden zu lassen. Das Problem ist auch, dass ich nach Frankfurt zum amerikanischen Konsulat muss, um einen neuen Visastempel in meinen Pass zu bekommen. Diese nervige bürokratische Angelegenheit habe ich deshalb zu erledigen, weil Michael vor geraumer Zeit zu AOL gewechselt hat, wir aber immer noch den Stempel der alten Firma im Pass haben. Die Richtlinien der amerikanischen Einwanderungsbehörde schreiben nämlich vor, dass man diesen Stempel nur bekommt, wenn man aus Amerika ausreist (fragt mich bitte nicht, warum das so ist). Ich brauche den Stempel aber, um wieder einreisen zu können. Ich verschone euch jetzt mit dem nervenaufreibenden Prozess, das Konsulat in Frankfurt zu erreichen. Lange Rede kurzer Sinn, es ist mir gelungen, in Frankfurt einen Termin zu machen und da unsere Freundin Britta beschloss, nach Frankfurt zu ziehen und mir Asyl gewähren wird (Danke, Britta!), hat die ganze Sache noch ein Gutes. Ich kann nämlich Britta besuchen und gleichzeitig den Visakram erledigen. Was ich eigentlich sagen wollte, ist, dass ich meine Deutschlandtournee um diesen Termin herum planen muss. Bis jetzt sehen meine Pläne wie folgt aus:

Ich lande am 16.01. in Bremen und werde dann bei meinen Eltern in Oldenburg sein. Am 20.01. mache ich mich abends auf den Weg nach Münster, wo ich bei meiner Freundin Christa unterkomme. Ich bleibe dort bis zum 23.01. Am Samstag, den 23.01. werde ich früh nach Frankfurt starten. Den Termin am Konsulat habe ich am 25.01. Am 26.01. werde ich nach Augsburg/München aufbrechen. Ich habe vor, Bayern für 8 Tage zu beehren, dann geht es zurück nach Oldenburg, wo ich bis zum 12.02. bleiben werde. Alles klar? Änderungen sind natürlich vorbehalten. Wer mich in Deutschland erreichen will, versucht am besten, bei meinen Eltern anzurufen. Meine Eltern wissen in der Regel auch, wo ich mich aufhalte, können euch also weiterhelfen, wenn ihr nicht mehr wisst, wo ich wann bin.

Stromausfall

Übrigens haben sich zwei Rekordereignisse kurz vor Weihnachten in San Francisco zugetragen. Von dem einem wurde ja sogar im deutschen Fernsehen berichtet: In San Francisco war für mehrere Stunden Stromausfall, weil irgendein Mitarbeiter von der Energieversorgungsgesellschaft, genannt PG&E, in einem Stromumschlagwerk in der Nähe von San Francisco den falschen Schalter umlegte. Nichts ging mehr: kein Computer, keine Busse und Straßenbahnen, da diese mit Oberleitung fahren, keine U-Bahn, keine Ampel, kein Geldautomat usw. Endzeitstimmung herrschte aber nicht, so wie vielfach im Fernsehen behauptet wurde; die Leute haben es eher gelassen gesehen. Dazu muss man wissen, dass in Amerika relativ häufig einmal für kurze Zeit der Strom ausfällt, mehrere Stunden ist allerdings auch für hiesige Verhältnisse äußerst ungewöhnlich. Interessant fand ich, dass überhaupt kein Notstromsystem existiert; nicht einmal am Flughafen und das in einer Stadt, die erdbebengefährdet ist, wo doch jeder weiß, dass der Strom weg ist, wenn die Erde bebt. Wir hatten das Glück, dass unsere Heizung noch ging, die läuft nämlich mit Gas und auch das warme Wasser funktionierte einwandfrei. Michael bekam von der ganzen Aufregung sowieso nichts mit, da er gerade an der Ostküste weilte. Ich habe ein wenig um meinen Kühlschrank gebangt (aber er hielt brav durch und taute nicht ab) und arg gelitten, dass ich mir den ganzen Tag keinen Kaffee kochen konnte, aber sonst war alles halb so schlimm. Sympathisch fand ich irgendwie die Geschichte, dass ein falsch umgelegter Schalter an allem Schuld war, frei nach dem Motto "Kleine Ursache-große Wirkung!", da könnte man echt einen Film draus machen.

Die zweite Sensation war, dass es in San Francisco geschneit hat. Das wird euch jetzt ganz normal vorkommen, schließlich seid ihr deutsche Winter gewöhnt, hier war es aber der erste Schneefall in 20 Jahren. Natürlich blieb der Schnee nicht liegen, die Kinder fanden es trotzdem großartig, weil viele noch nie Schnee in natura erlebt hatten.

Sylvester auf der Bay

Michael erwähnte ja bereits unser Weihnachtsfest. Natürlich haben wir auch Silvester gebührend gefeiert, schließlich weiß man nie, wie lange wir noch in San Francisco sind und da müssen wir die Feste feiern, wie sie fallen. Unser erstes Silvesterfest vor zwei Jahren haben wir schippernd auf der Bay (das ist das Wasser um San Francisco herum) auf einem Schiff verbracht und da uns dies so gut gefallen hat, haben wir gedacht, machen wir es dieses Jahr gleich noch einmal. Schließlich hatte ich vor zwei Jahren gewaltig mit dem Phänomen des "Jet-Lags" (Müdigkeit wegen des langen Fluges und der neunstündigen Zeitverschiebung) zu kämpfen, da ich den Tag zuvor erst nach San Francisco eingeflogen war (ihr erinnert euch vielleicht, ich startete am 30.12. nach Amerika und Michael war schon Mitte November in die weite Welt aufgebrochen.) und schlief deshalb einige Male am Tisch ein. Dieses Mal war ich aber hellwach: In unserer schönsten Abendgarderobe (Michael musste sich doch tatsächlich von seinen geliebten Turnschuhen, Jeans und seinem Lieblings-Addidas-Pullover, der schon recht in die Jahre gekommen ist, für einen Abend trennen) genossen wir das gute Essen, schwangen das Tanzbein (ich musste Michael nur geringfügig zwingen) und schauten immer wieder verliebt auf unser San Francisco. Für diejenigen von euch, die noch nie in San Francisco waren, sei bemerkt, dass man einen der schönsten Ausblicke auf die Stadt vom Wasser aus hat. So sieht man die ganze Kulisse der Stadt, was im Dunkeln besonders reizvoll wegen des Lichtermeeres ist. Natürlich hat man auch fantastische Ausblicke auf die Bay Bridge und Golden Gate Bridge. Der Höhepunkt war dann, als der Kapitän ankündigte, dass wir jetzt unter der Golden Gate Bridge durchfahren würden. Nun muss man wissen, dass jeder, der in San Francisco lebt, eine besondere Beziehung zu dieser Brücke entwickelt. Sie ist nicht nur das Wahrzeichen für viele Touristen, sondern für die "Locals" (Einheimischen) so etwas wie eine gute Freundin. Und ich schwöre, dass man tausendmal über diese Brücke fahren kann und immer noch hüpft das Herz ein Stück höher, wenn man den ersten Brückenpfeiler erblickt. Auf jeden Fall war die Cruise sehr gelungen. Wir vermissten nur das "I left my heart in San Francisco" der Band, das diese im ersten Jahr gespielt hatten, aber macht nichts, haben wir es eben vor uns hingesummt!

Jahresrückblick

Das Jahresende ist ja auch immer die Zeit, Bilanz zu ziehen und zurückzublicken. Das Anlegen eines neuen Kalenders und das Ausmisten des Adressbuches hat da für mich symbolischen Charakter. So setzte ich mich also am 31.12. hin und übertrug Geburtstage und Adressen in den neuen Kalender, nicht nur, um Ordnung zu schaffen, sondern um auch in aller Stille das Jahr 1998 revuepassieren zu lassen. Dabei habe ich an alle diejenigen von euch gedacht, die uns 1998 besucht haben, oder diejenigen, die nicht müde geworden sind, uns zu schreiben, anzurufen und den Kontakt trotz der Entfernung zu halten. Auch viele neue E-Mail-Adressen konnte ich übertragen und mehr und mehr amerikanische Adressen füllen meinen Kalender, ein Zeichen dafür, dass wir doch schon länger hier wohnen und losere Bekanntschaften zu Feundschaften geworden sind. Traurig hat mich der Anblick all jener Adressen gemacht, die ich zwar noch in meinem Adressbuch habe, und an die noch so mancher Rundbrief oder Geburtstagsgruß geschickt wurde, von denen aber das ganze Jahr keine Antwort kam. Nichts ist für immer, eine Tatsache, mit der ich mich nur schwer abfinden kann, und so habe ich es auch nicht übers Herz gebracht, diese Adressen aus meinem Adressbuch zu streichen. Am Schwierigsten war, die Adresse von Michaels Freund Jani aus Studententagen nicht mehr übertragen zu können. Jani kam 1998 beim Segelfliegen ums Leben und beim Anblick seiner Adresse tauchten Bilder von Jani auf, wie er an unserem Polterabend tanzte und glückselig als einer der letzten Gäste mit uns am Tisch saß. Immer gut gelaunt, immer eine unendliche Geschichte parat. Nichts ist für immer....

365 Tage liegen hinter uns und 365 vor uns. 1998 war ein gutes, abenteuerliches Jahr für uns. Mit Spannung und Neugier stürzen wir uns ins nächste. Bleibt die Hoffnung, dass wir viele vertraute Gesichter 1999 wiedersehen.

In diesem Sinne

Angelika und Michael

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Letzte Änderung: 26-Nov-2012