Angelika/Mike Schilli |
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Party abgesagt: Halloween im Castro
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Angelika Am 31. Oktober ziehen in San Francisco nicht nur die Kinder von Haus zu Haus, um Süßigkeiten zu ergattern, sondern es findet traditionell auch die mehr für Erwachsene geeignete Halloween-Party im Schwulenviertel Castro statt. In Rundbrief 11/2001 haben wir schon einmal über diese seit 30 Jahren gepflegte Tradition berichtet. Bei der Party geht es zugegebener Maßen immer ziemlich hoch her, vor allen Dingen je weiter die Nacht fortschreitet. Die Stadt hatte deswegen letztes Jahr die Sperrstunde aus Sicherheitsgründen auf 23 Uhr vorgezogen.
Bei der Castro-Party drängen sich die Menschenmassen üblicherweise in den verrücktesten Kostümen (viele nur ganz spärlich bekleidet) durch die nicht gerade breite Castro Street und tanzen auf der Straße. Ursprünglich war das Treiben eine reine Nachbarschaftsangelegenheit, sozusagen ein verrücktes Faschingsstraßenfest, durchaus auch um die eigene Homosexualität farbenfroh zu feiern und kreativ zum Ausdruck zu bringen. Über die Jahrzehnte erfreute sich die Castro-Halloween-Party immer größerer Beliebtheit und Schätzungen zufolge kamen in den letzten Jahren zwischen 200.000 und 300.000 Leute ins Castro-Viertel. Das reizte die Kapazitäten schon bis an die Grenzen aus.
Leider gab es unter den Teilnehmern letztes Jahr auch ein paar Vollidioten, die fanden, es wäre angebracht, mit Schusswaffen herumzuballern. Ein paar junge Spunde gerieten in einen Streit und meinten, dieser wäre mit Waffengewalt zu lösen. Warum jemand mit einer Waffe im Gepäck auf eine Halloween-Party geht, ist natürlich eine gute Frage.
Neun Leute erlitten letztes Jahr Schusswunden. Die Stadtväter, denen die ausschweifende Party schon lange ein Dorn im Auge war (2002 gab es eine Messerstecherei), machten dieses Jahr kurzen Prozess und sagten die Party einfach ab. Nun hatte in San Francisco niemand damit gerechnet, dass sie damit durchkommen würden. Viele befürchteten, dass das Verbot zu Trotzreaktionen und zivilem Ungehorsam führen würde.
Aber der Stadtrat zog alle Register. So überredete er viele Bar- und Restaurantbesitzer, ihre Tore früh zu schließen, sodass Partygeher keine Möglichkeit hatten, sich in ummittelbarer Nähe des Castro-Viertels zu betrinken. Bei der ersten Halloween-Party, an der wir nach unserem Umzug nach San Francisco teilnahmen, gab es übrigens noch Alkohol öffentlich auf der Straße zu kaufen!
Dann beschlossen unser Bürgermeister Gavin Newsom und seine Mannen, die Muni- und Bartstationen (öffentliches Verkehrssystem in San Francisco) rund um das Castro am frühen Abend einfach abzuriegeln und gleichzeitig das Parken im Viertel extrem einzuschränken, sodass man nur unter erschwerten Bedingungen zur nicht stattfindenden Party gelangen konnte. Uns schreckte das natürlich keineswegs ab, denn wir wohnen praktisch nebenan, nur einen Hügel weiter östlich.
In der Castro Street offenbarte sich uns allerdings ein trauriges Bild, denn nur eine Handvoll Unerschrockener kamen. Es wimmelte überall von Polizisten, die sich darin überboten, furchterregend zu schauen und einen bei der kleinsten Regelverletzung unfreundlich zusammen zu stauchen. So überquerte ich zum Beispiel eine Straßenkreuzung und trat dabei etwas über die weiße Linie, die, wie in Amerika üblich, den Fußgängerüberweg anzeigte. Gleich pfiff mich ein Polizist zurück. Die Polizei hatte auch strengste Anweisungen, jeden zu verhaften, der sich betrunken in der Öffentlichkeit danebenbenahm.
Die Holzhammermethode führte zum gewünschten Erfolg, die meisten blieben der Halloween-Party im Castro fern und die für alle Fälle bereit gestellten Straßensperren versauerten am Straßenrand. Ich war richtig enttäuscht von unserem sonst so progressiven San Francisco. Nicht nur, dass sich der Stadtrat von aggressiven jugendlichen Spinnern knebeln lässt und eine sonst überwiegend friedliche Festivität einfach einstampft, sondern auch dass die Schwulenbewegung in San Francisco mittlerweile ein wenig in die Jahre gekommen ist und Halloween scheinbar lieber auf der häuslichen Couch im ruhigen Viertel verbringt. Denn Gerüchten zufolge wollen vor allen Dingen die Anwohner im Castro-Viertel, dass die Party in Zukunft woanders stattfindet.
Alle werden alt nur wir nicht!
Angelika und Michael
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