21.11.2001   Deutsch English

  Rundbrief Nummer 34  
San Francisco, den 21.11.2001


Abbildung [1]: Halloween: Noble Damen im Castro-Karneval

(Angelika) Verwundert haben wir hier verfolgt, wie sich das amerikanische Fest "Halloween" in Deutschland wachsender Beliebtheit erfreut. Gerüchten zufolge gab es am 31. Oktober in Deutschland nicht nur Halloween-Parties, sondern auch durch die Nachbarschaft ziehende Kinder, die versuchten, Süßigkeiten zu ergattern. Bisher dachte ich eigentlich, dass es in Deutschland genügend Feiertage gibt. Ich weiß zwar, dass das Fest auf die keltischen Druiden zurückgeht, die vor mehr als 2000 Jahren den Gott der Finsternis in der Nacht vom 31. Oktober zum 1. November feierten und dass die Christen den heidnischen Brauch später zum Allerheiligenfest ummodelten. Nach Amerika kam das Fest schließlich mit den irischen und englischen Einwanderen Mitte des 19. Jahrhunderts.

Deutschland beruft sich aber nicht auf keltische Traditionen -- das Ganze riecht mir doch mehr nach "Nach-Amerika-Schielen" und Kommerz. Halloween-Kostüme und allerlei gruselige Masken lassen sich in Deutschland wohl auch gut verkaufen. Am meisten schreckt mich allerdings der Gedanke ab, dass wir irgendwann einmal wieder in Deutschland leben werden und uns dann gar nicht groß umzustellen brauchen. Wie langweilig das Leben doch ist, wenn man überall auf das Gleiche trifft! Die Großstädte dieser Welt geben jetzt schon einen Vorgeschmack darauf. Trifft doch der Reisende überall auf McDonalds und Kentucky Fried Chicken. Und Kaufhäuser in London, Paris, Berlin, Sydney, New York, Hongkong bieten Levis, Calvin Klein, Esprit, Benetton und Konsorten an. Ich will gar nicht, dass es in München einen GAP (amerikanische Bekleidungskette mit Sitz in San Francisco) gibt oder gar dass die amerikanische Kaffeehauskette "Starbucks" auch in Deutschland Einzug hält. Zugegeben, ich vermisse hier oft diverse Sachen, z.B. die Erdnussflips von Bahlsen, aber es gibt nichts Schöneres für mich, als bei einem Deutschlandbesuch mir genussvoll eine Tüte einzuverleiben oder voller Freude ein "Care-Paket" aus Deutschland zu erhalten, das so manche Leckerei erhält, die wir hier nicht kriegen. Haltet mich jetzt ruhig für ein wenig übergeschnappt. Jeder der mir den Schrecken des Einheitsbreis nicht glaubt, empfehle ich eine Tour durch die amerikanischen Vorstädte. Dort gibt es meist nur Einkaufszentren mit den gleichen Geschäften. Alles ist völlig austauschbar, egal ob man sich in Kalifornien oder Idaho oder sonstwo in den USA befindet.

Abbildung [2]: Der Ladenbesitzer rückt verängstigt Süßigkeiten raus, damit ihm das Kind keinen Streich spielt!

Nocheinmal zurück zu "Halloween": Der Begriff setzt sich aus den drei Wörtern "All Hallows Eve" zusammen, was eben "die Nacht vor Allerheiligen" bedeutet. Hier in den USA ziehen dann die Kinder kostümiert durch die Straßen und gehen von Haustür zu Haustür oder durchaus auch von Geschäft zu Geschäft und drohen "trick or treat" -- frei übersetzt: Entweder ihr rückt die Süßigkeiten heraus oder wir spielen euch einen Streich. Eine beliebte Beschäftigung um Halloween herum ist, dass amerikanische Familien zu den sogenannten "Pumpkin Patches" (Kürbisfarmen) ziehen und sich dort Kürbisse aussuchen, die dann ausgehöhlt und mit lustigen oder auch schaurig aussehenden Fratzen versehen werden. Zu Halloween stellt man dann eine Kerze in den ausgehöhlten Kürbis, die die Fratze zum Leuchten bringt.

Abbildung [3]: Eine Kürbisfarm (Pumpkin Patch) auf dem Land

Dieses Jahr stand selbst "Halloween" im Schatten der Terroranschläge im September. Viele Sicherheitsexperten meldeten Bedenken gegenüber den Menschenmassen bei den diversen Halloween-Parties an, die in diversen Städten am 31. Oktober auf der Straße stattfanden. So sagten viele Städte ihre Veranstaltungen ab. San Francisco ließ sich allerdings nicht abschrecken. Schon seit Jahren gibt es zu Halloween eine Straßenparty im Castro, dem Homosexuellenviertel in San Francisco. Da sieht man nicht nur die tollsten Kostüme, sondern auch sonst geht echt die Post ab. Den Spaß wollte sich keiner nehmen lassen. Bei der Party im Castro-Viertel handelt es sich übrigens um eine inoffizielle. Die Stadt San Francisco bemüht sich schon seit geraumer Zeit darum, die Party vollständig ans Civic Center (da wo das Rathaus in San Francisco ist) zu verlegen, da die Castro Street realitiv schmal ist und kaum mit den vielen Menschen fertig werden kann - es ist einfach nicht genug Platz. So findet jetzt immer die offizielle Party am Civic Center statt, was keinen zu kümmern scheint, und alle gehen zum Feiern ins Castro.

Abbildung [4]: Es geht rund vor dem Harvey's im Castro

Die Sicherheit zu Halloween stellt sich überhaupt als amerikanisches Dauerthema dar, vor allen Dingen was die Kinder betrifft, die von Haustür zu Haustür gehen. Da vor etlichen Jahren ein paar völlig Durchgeknallte Rasierklingen in Orangen versteckten, die sie den Kindern an der Haustür gaben, verteilt man mittlerweile nur noch abgepackte Süßigkeiten. Die Geschäfte verkaufen vor Halloween dann Großpackungen, in denen die Süßigkeiten alle einzeln eingeschweißt sind. Viele Familien, die in nicht so sicheren Vierteln (sprich: Saugegend mit brennenden Mülltonnen -- Michael) wohnen, fahren mit ihren Kindern in sichere Gegenden und lassen sie dort von Haustür zu Haustür gehen. Mit den Kindern im Tenderloin (wo ich nach wie vor zweimal die Woche ehrenamtlich tätig bin) gehen wir immer dieselbe Strecke, denn das Tenderloin gehört bekanntermaßen zu den etwas unsichereren Pflastern in San Francisco. Aber selbst die Süßigkeiten, die die uns vertrauten Geschäftsinhaber den Kindern aushändigen, dürfen die Kinder nicht gleich verspeisen, denn es gilt die Regel, dass die Eltern aus Sicherheitsgründen die Süßigkeiten zunächst begutachten müssen, wenn sie ihre Kinder abholen. Und dabei geht es eben nicht nur um eventuelle Allergien. Schon sehr traurig, das Ganze.

Abbildung [5]: Blutrünstige Verkleidung
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