Noch ein Feiertag: Thanksgiving
(Angelika) Und da ich gerade bei den Feiertagen bin, erkläre ich gleich auch noch, was es mit "Thanksgiving" auf sich hat. Thanksgiving findet in den USA am vierten Donnerstag im November statt. Obwohl in vielen Ländern "Erntedankfeste" im Kalender stehen, umweht das amerikanische eine Besonderheit. Die Pilgerväter, die 1620 von England über den großen Teich nach Amerika kamen, hatten ein unbeschreiblich hartes erstes Jahr in der Neuen Welt. Die ortsansässigen Indianer zeigten ihnen daraufhin, wie Mais und andere Getreidearten anzubauen sind, woraufhin die Ernte im darauffolgenden Jahr außergewöhnlich reich ausfiel. Auch das Rezept für Popcorn soll angeblich von den Indianern stammen. Zum Dank veranstalteten die Pilgerväter ein Festmahl für die Indianer. Heute ist "Thanksgiving" einer der höchsten Feiertage in Amerika. Die Familien kommen zusammen, was dazu geführt hat, dass die Zeit um Thanksgiving die Hauptreisezeit in den USA ist: Straßen sind verstopft, Flüge ausgebucht. Hinzukommt, dass die Mehrheit der Arbeitnehmer nicht nur an Thanksgiving frei hat, sondern auch an dem drauffolgenden Freitag, was den meisten, wenn man das Wochenende dazu rechnet, vier freie Tage beschert. Ein echter Luxus in Amerika!
Traditionell kommt zu Thanksgiving natürlich Truthahnbraten mit Preiselbeeren-Sauce ("cranberry sauce") auf den Tisch. Auch Kürbiskuchen und süße Kartoffeln erfreuen sich größter Beliebtheit. Zum Fest gehört auch, dass man in sich geht und reflektiert, wofür man dankbar in seinem Leben ist. Bevor man sich den Bauch vollschlägt, sagt jeder am Tisch reihum, was ihn mit Dankbarkeit erfüllt: "I am thankful for ...".
Nach dem Essen sitzt man vor dem Fernseher und schaut "Football", wieso und weshalb konnte ich noch nicht herausfinden. Angenehm an Thanksgiving ist, dass keine Geschenke gekauft und Karten geschrieben werden müssen und dass durch die Lage im November die Weihnachtseinkaufssaison (samt Weihnachtsdekorationen) in den USA wesentlich später beginnt, genau genommen am Freitag nach Thanksgiving, denn da arbeitet ja kaum jemand und so bleibt Zeit zum Einkaufen. Unumstritten ist Thanksgiving allerdings nicht, vor allem in linksliberaleren Kreisen. Zunächst stößt vielen auf, dass die aktive Rolle der Indianer (hier übrigens "Native Americans" genannt) beim ersten Thanksgiving-Fest nicht genug betont wird. Und dann bleibt da natürlich die Ausrottung der Indianer im Raum stehen. Ein Thema, das in Amerika sowieso gern unter den Teppich gekehrt wird.
Allgemein ist die Geschichte mit den Feiertagen, mit denen man nicht aufgewachsen ist, ein interessantes Phänomen. Thanksgiving sagt mir herzlich wenig. Es ist nicht mehr als ein nettes Essen. Vielleicht erklärt das auch, warum sich viele Ausländer fern der Heimat mehr auf ihre vertrauten Sitten und Gebräuche berufen als in ihrem Ursprungsland. Thanksgiving hin oder her, wir freuen uns auf jeden Fall auf die freien Tage!