25.02.2007   Deutsch English

  Rundbrief Nummer 66  
San Francisco, den 25.02.2007


Autismus

Angelika Wie ich bereits erwähnte, fördert die Einrichtung, für die ich jetzt arbeite, autistische Kinder im Vorschulalter. Schlaue Köpfe haben nämlich festgestellt, dass je früher ein Förderprogramm einsetzt und je intensiver es ist, desto bessere Chancen hat das autistische Kind. Für die Nicht-Pädagogen unter euch, hier eine schnelle Kurzzusammenfassung, um was es sich bei Autismus handelt. Unter Autismus versteht die Fachwelt eine schwere frühkindliche Entwicklungsstörung, die vor dem dritten Lebensjahr auftritt. Autistische Kinder haben Probleme mit der sozialen Interaktion und der verbalen sowie nicht verbalen Kommunikation.

Einige autistische Kinder sprechen überhaupt nicht oder verfügen nur über einen sehr eingeschränkten Wortschatz. Oft wissen diese Kinder nicht, wie sie Sprache einsetzen sollen, um zu kommunizieren. Weiter zeigen autistische Kinder wenig Interesse an anderen Menschen, vermeiden Blickkontakt und haben Probleme die Gefühle anderer und soziale Situationen richtig einzuschätzen. Spielzeug benutzen sie häufig zweckentfremdet oder in immer gleicher Art und Weise. Der kleine Junge, den ich betreue, liebt es zum Beispiel Gegenstände zu drehen, von Rädern bis zu Tellern. Für viele autistische Kinder ist es schwierig, mit Veränderungen umzugehen. Oft kämpfen sie mit sensorischen Störungen und stimulieren sich deshalb selbst oder reagieren auf bestimmte Reize besonders empfindlich.

Trotz intensiver Forschung hat man bis heute die Ursache für Autismus nicht gefunden. Einigkeit herrscht darin, dass es sich um frühe Fehlentwicklungen im Gehirn handelt. Andere Wissenschaftler betonen eine genetische Komponente, da in einigen Familien (aber eben nicht in allen) Autismus gehäuft auftritt. Autismus findet man in allen Kulturen und sozialen Schichten. Jungen sind viermal häufiger betroffen als Mädchen. Autismus ist eine der am schnellsten zunehmenden Entwicklungsstörungen, und es streiten sich natürlich die Gelehrten, woran das liegt. Einmal sicherlich an der starken Medienpräsenz und an den besseren Diagnosemöglichkeiten, aber auch an der Ausweitung der Diagnose auf leichtere Fälle. In Amerika spricht die Fachwelt mittlerweile von "Autism Spectrum Disorder", weil Autismus eben in ganz unterschiedlichen Ausprägungen vorkommt.

Mein Arbeitgeber hat es sich nun zum Ziel gesetzt, diesen Kindern zu helfen. Dabei gibt es zwei Schwerpunkte: Die intensive Förderung in der häuslichen Umgebung und die Unterstützung in der Gruppensituation. Ich arbeite mit dem Kind zu Hause, und zwar von Montag bis Freitag jeden Tag für drei Stunden. Ich hatte erst einige Bedenken, dass drei Stunden für einen noch nicht einmal Dreijährigen vielleicht etwas zu viel und zu lang sind, denn ich kannte bis jetzt nur Frühförderung, die einmal am Tag für eine Stunde durchgeführt wird, aber das Programm ist gut durchdacht und funktioniert. Andere Kinder, die schon in kindergartenähnlichen Einrichtungen sind, erhalten durch unsere Organisation eine 1:1 Betreung, d.h. es begleitet jemand das Kind und hilft ihm, im Gruppenalltag zurecht zu kommen. Die häusliche Förderung findet dann häufig zusätzlich am Nachmittag statt. Wir versorgen Kinder im Alter zwischen 2 und 4 1/2 Jahren nicht nur in San Francisco sondern in der ganzen Bay Area. Der Therapieansatz ist prinzipiell verhaltenstherapeutisch und wird aber durch andere Ansätze ergänzt. Wir legen zum Beispiel großen Wert auf eine strukturierte Umgebung und visuelle Hilfen wie Fotos.

Nun fragt ihr euch sicherlich, wer den ganzen Spaß bezahlt. Oh Wunder, in der Sozialwüste Amerika werden diese Maßnahmen doch tasächlich durch staatliche Mittel finanziert. Ein Gesetz zur Förderung von Kindern mit Behinderungen macht dies möglich ("Individuals with Disabilities Education Act"), was ich schon einmal kurz in einem anderen Rundbrief erläutert habe (Rundbrief 05/1998). Allerdings sind zwei unterschiedliche Behörden zuständig je nach Alter des Kindes. Von 0-3 Jahren das sogenannte "Department of Developmental Services", ab drei kommt die Schulbehörde zum Zug, die je nach dem wo man lebt, besser oder schlechter arbeitet.

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