Angelika/Mike Schilli |
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Angelika Michael lag mir schon seit Jahren in den Ohren, dass ich mir doch einmal einen neuen Job suchen sollte. Er war wohl meiner Nörgelei über die ein oder andere Sache im Tenderloin Childcare Center überdrüssig. Es dauerte etwas, bis ich in die Hufe kam. Aber als im August fast die Hälfte der vertrauten Belegschaft im Tenderloin ging, gab ich mir im September letzten Jahres einen Ruck und fing an, die Stellenanzeigen auf craigslist.org zu durchforsten.
Wir haben ja schon einmal erwähnt, dass craigslist.org mittlerweile die erste Anlaufstelle ist, um einen neue Arbeitsstelle zu suchen, es sei denn die Headhunter rennen einem die Tür ein (Rundbrief 08/2004). Meine Herausforderung bestand darin, einen einigermaßen interessanten Halbtagsjob im pädagogischen Bereich zu finden, denn die sind hier noch schlechter bezahlt als die Ganztagsjobs und man wird oft zu Handlangerdiensten degradiert.
Michael geizte natürlich nicht mit guten Ratschlägen und meinte, dass die ersten Bewerbungsschreiben und -gespräche sowieso nur zum Warmlaufen wären. Gesagt getan. Die erste Bewerbung ging an eine Einrichtung, die Frühförderung mit autistischen Kindern im Vorschulalter macht und die zweite an einen kleinen privaten Kindergarten (hier "preschool" genannt).
Bewerbungen sehen in den USA ja etwas anders aus als in Deutschland. Michael betont immer gern, dass auf keinen Fall das Geburtsdatum oder ein Lichtbild in eine amerikanische Bewerbung gehören, um Diskriminierungen wegen Hautfarbe oder Alter vorzubeugen (Rundbrief 11/2004). Auch der Familienstand, der Geburtsort oder die Religionszugehörigkeit haben hierzulande in einer Bewerbung nichts zu suchen. Allerdings geben wir immer an, dass wir die Greencard besitzen und somit uneingeschränkt in den USA arbeiten dürfen, denn viele Arbeitnehmer betonen schon in der Anzeige, dass eine amerikanische Arbeitsgenehmigung absolute Voraussetzung ist, um sich auf die Stelle zu bewerben.
Der potentielle Kandidat schickt auch keine Kopien von Diplom- oder Arbeitszeugnissen als Anlage mit. Arbeitszeugnisse sind hier sowieso ein Fremdwort. Michael musste bei AOL schon kämpfen, um eine Bestätigung zu bekommen, dass er von dann bis dann bei AOL gearbeitet hat.
Alles läuft in den USA über sogenannte Referenzen (Empfehlungen), die fast immer telefonisch eingeholt werden. Man erwähnt schon in der Bewerbung, dass Referenzen bei Bedarf vorliegen. In der Praxis sieht das dann meist so aus, dass die Zusage bereits mündlich ausgesprochen wurde und dann der Arbeitgeber sich ans Telefon hängt. Man selbst bestimmt, wer anzurufen ist.
Sinnvoll ist es, Arbeitskollegen oder Vorgesetzte zu benennen, mit denen eine gute Zusammenarbeit bestand. Drei Referenzen sind mittlerweile üblich. Bei mir musste mindestens eine davon beruflicher Art sein und bei den privaten durfte es sich nicht um Verwandte handeln. Alle angegebenen Personen sollten mich schon drei oder mehr Jahre kennen. Zusätzlich darf der Arbeitnehmer Informationen einholen, um zu verifizieren, was in der Bewerbung steht. Zum Beispiel darf er die Personalabteilung der alten Firma anrufen, und fragen, ob man dort wirklich gearbeitet hat Der Bewerber erlaubt dies normalerweise durch das Ausfüllen eines Formulars und einer Unterschrift. Das hört sich jetzt alles furchtbar kompliziert an, aber witzigerweise rief mein neuer Arbeitgeber nirgendwo an. Ihm genügte wohl, dass ich alle Adressen, Namen und Telefonnummern brav in ein Formular eingetragen hatte.
Wie weiß nun aber der Arbeitgeber, was der Stellenbewerber in seinen vorherigen Stellen für Verantwortungsbereiche hatte, wenn keine Zeugnisse mitgeschickt werden? Die Lösung liegt im Lebenslauf (in den USA übrigens "Resume" genannt). Unter jeder Arbeitsstelle listet man stichpunktartig auf, was die Aufgabenbereiche waren.
In meinem Lebenslauf seht ihr darüberhinaus noch Angaben zur Gruppenstärke und dem Alter der Kinder, die ich betreut habe. Und was fällt auf, wenn ihr den Lebenslauf studiert? Richtig! Der letzte Arbeitgeber wird in den USA zuerst aufgeführt. Auch beim Abschluss steht im amerikanischen Lebenslauf zunächst der höchste und zuletzt erworbene.
Welche Grundschule oder weiterführende Schule besucht wurde, fällt unter den Tisch. Es ist übrigens Geschmacksache, ob der Lebenslauf zunächst die Berufsausbildung oder -erfahrung aufführt. Viele Leute fangen mit dem letzteren an, vor allen Dingen, wenn ihre Unijahre oder Ausbildung in grauer Vorzeit liegen.
Auch in Amerika schneidet man den Lebenslauf auf die Stelle zu. Ich führe in der Regel nie meine zig Praktika auf, die ich schon mal gemacht habe, aber für die Autismusstelle erwähnte ich natürlich meine Zeit in der Ambulanz für autistische Kinder in Bremen. Auch ein Anschreiben gehört zu einer Standardbewerbung in Amerika dazu. Darin sollte der Bewerber darlegen, warum er für die Stelle besonders geeignet ist und was ihn an der Stelle reizt.
Es gibt übrigens Ausnahmen zu den Telefonreferenzen. Bewirbt man sich für einen Studiengang, werden meist drei schriftliche Empfehlungsschreiben verlangt. Vor einiger Zeit bewarb ich mich einmal auf einen Praktikumsplatz im Museum of Modern Art in San Francisco. Auch die wollten die Referenzen schriftlich. Eine ließ ich von einer meiner ehemaligen Fotolehrerinnen schreiben, die doch glatt schrieb, dass es sich bei mir um eine sehr intelligente Person handelt. Was habe ich gelacht, wäre doch ein solcher Satz in einem deutschen Zeugnis undenkbar.
Aber ich schweife ab. Während in Michaels Branche Telefoninterviews im ersten Schritt üblich sind, heißt es in meinem Bereich Hospitation, um sich die Einrichtung anzusehen, plus Interview. In dem privaten Kindergarten sollte ich danach zum bezahlten Probearbeiten und einen Morgenkreis und ein Beschäftgungsangebot selbständig durchführen. Dazu kam es aber nicht mehr, da ich vorher schon bei der Einrichtung für autistische Kinder zusagte. Auch dort guckte ich mir eine häuslich durchgeführte Maßnahme an und wurde ein wenig auf das Kind losgelassen.
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