Angelika/Mike Schilli |
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(Michael) Am 8. Juli 2001 lief der rasende Rundbriefreporter den San Francisco Marathon durch. Das war so hammerhart, dass sich das unter euch Weicheiern wahrscheinlich wieder keiner vorstellen kann. Wer Ohren hat zum Hören, der höre: Wer auch nur daran denkt, aufzugeben, wird dies spätestens bei Kilometer 35 tun. Schaffen kann die 42 Kilometer nur, wer fest daran glaubt, dass es nur zwei Möglichkeiten gibt, einen Marathon zu beenden: Auf den Beinen durch die Ziellinie oder liegend im Auto des Beerdigungsunternehmers.
Drei Monate lang habe ich nach dem Buch "The Non-Runner's Marathon Trainer" trainiert, angefangen mit 5km-Läufen, viermal die Woche, und am Wochenende jeweils einen langen Lauf. Jede Woche steigert sich das Pensum. Man läuft übrigens niemals die volle Marathondistanz im Training, der längste Trainingslauf ist 29km drei Wochen vor dem eigentlichen Marathon. Das Wichtigste ist aber nicht die körperliche Vorbereitung -- natürlich müssen die Muskeln gestärkt und der Körper darauf vorbereitet werden, sorgsam mit der Energie umzugehen. Man muss lernen, regelmäßig zu trinken und den Körper mittels farbigem Zuckerlwasser namens "Gatorade" mit Kohlenhydraten zu versorgen. Aber am wichtigsten ist es, sich mental vorzubereiten. Man lernt, Filme in seinem Kopf ablaufen zu lassen, für den Fall, dass es schwierig wird, weiterzulaufen. Man stellt sich zum Beispiel vor, an den jubelnden Zuschauern vorbei ins Ziel zu laufen. Oder dass man eine Dampfmaschine ist, die niemand anhalten kann. Es ist auch ganz wichtig, sich kein Zeitlimit zu setzen. Das Ziel ist es, den Marathon zu Ende zu laufen, ob in 3 oder 4 oder 5 oder sogar 6 Stunden ist vollkommen egal. Die Zuschauer waren dann auch phänomenal. Es war irre, wie viele wildfremde Leute mich angefeuert haben: "Way to go! You're all winners! Looking strong!".
Jeder Läufer kriegt übrigens einen kleinen Computerchip, den man am Schuh befestigt. Er sendet Signale an die Messstationen, an denen man vorbeiläuft. So kann der Marathonveranstalter nicht nur genau sehen, wie lange man von der Startlinie (über die man wegen der vielen Läufer erst einige Minuten nach dem Startschuß kommt) tatsächlich bis zum Ziel brauchte, sondern auch nachweisen, dass man an allen Messstationen entlang der Strecke tatsächlich vorbeigelaufen ist.
Die ersten 32 Kilometer rattern dann auch ganz einfach runter, in San Francisco stehen zwar einige gemeine Hügel im Weg, aber das geht schon so-la-la. Ab Kilometer 32 wird's dann allerdings knüppelhart. Die Muskeln drohen, sich zu verkrampfen, die Knie schmerzen von den hämmernden Schlägen der Füße gegen den Asphalt, sogar die Armmuskeln tun weh und man muss sie regelmäßig ausschlackern. Das ist der Zeitpunkt, an dem viele Leute aufgeben -- entweder weil sie sich ein Zeitlimit gesetzt haben, das nunmehr unmöglich zu erreichen ist oder weil es sinnlos erscheint, sich durch die letzte Etappe durchzuquälen, nur um ein paar Kilometer weiterzukommen. Man meint, dass wer 32 Kilometer läuft, auch die letzten 10 noch runterspult, aber das täuscht. Alte Hasen wissen: Ein Marathon teilt sich in zwei Etappen: Die ersten 32 und die letzten 10 Kilometer, beide sind nicht zu unterschätzen. Euer ehrwürdiger Rundbriefreporter konnte natürlich aus mindestens zwei Gründen nicht aufgeben: Erstens mal sah er überhaupt nicht ein, dass er nochmal 50 Dollar Eintrittsgeld für den nächsten Marathon berappen sollte und zweitens hatte er schon so vielen Leuten von diesem Lauf erzählt, dass die Schande, aufzugeben, bodenlos gewesen wäre. Die vielen Millionen Rundbriefleser hätten sich sicher scheckig gelacht! Und deswegen biss der rasende Rundbriefreporter die Zähne zusammen und galoppierte durch bis zur die Ziellinie. Danke, liebe Leser, ihr habt mich gerettet!
Zur Feier des Tages möchte ich ein Zitat wiedergeben, das ich extra für diesen Anlass (ich habe vorausgeplant) aufgehoben habe. Aus der Internet-Übertragung des Fußballspiels, in dem der Verein Bayern München kürzlich den Europapokal gewann: Effenberg tritt an und verwandelt sicher flach in die rechte untere Ecke. Keine Chance für Canizares, der in die andere Richtung gesprungen ist. Effes Gesichtsausdruck nach dem Tor drückt absolute Entschlossenheit aus. Fast ist sein Ausdruck schon wahnsinnig zu nennen. Es ist ihm anzumerken: Er will diesen Pokal mit aller Macht. Ach ja, meine Zeit: 4:38:20, wie man sehr leicht auf dem Internet sehen kann: "http://www.chroniclemarathon.com" -- auf "2001 Finish Results" geklickt, in das "Bib"-Feld meine Startnummer 2003 eingegen und "Find a Runner" aktiviert!
Der nächste Tag war natürlich furchtbar, ich entdeckte, dass man auch kürzeste Strecken mit dem Auto fahren kann und dass viele Gebäude über gut funktionierende Aufzüge verfügen. Aber das Erlebnis war einmalig. Ich kann's nur jedem empfehlen -- es war einfach irre, nach so einer Anstrengung, angefeuert von tausenden von Zuschauern, über die Ziellinie zu humpeln. Dann war gleich Angelika da, ich kriegte meine Medaille, wir verließen den Golden Gate Park durch einen Seitenausgang, wie durch ein Wunder kam ein Taxi vorbei, aus lauter Schreck gab ich dem Fahrer gleich fünf Dollar Trinkgeld, humpelte daheim die Treppen hoch und glitt in eine Badewanne heißen Wassers. Nur einmal im Leben! Um das zu toppen, muss ich nächstes Jahr barfuß durch die Antarktis.
Nach dem Marathon stellte ich fest, dass alle meine Turnschuhe abgelaufen waren. Alle Trainingsläufe zusammengerechnet waren schließlich etwa 600km lang! Da ich schon wusste, welche Marke und Größe ich wollte, dachte ich mir, probiere ich mal was Neues aus: Turnschuhe auf dem Internet bestellen. Auf www.eastbay.com ein paarmal herumgeklickt, mit Kreditkarte gezahlt und schon stand ein paar Tage später ein Schuhkarton bei AOL im Büro, wo ich sie mir hinschicken hatte lassen. Superbillig! Superschnell! Superzuverlässig! Ein paar Tage später gab ich im Kaufrausch gleich nochmal zwei Bestellungen auf.
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