03.06.1999   Deutsch English

  Rundbrief Nummer 15  
San Francisco, den 03.06.1999


Waffen und Gewalt

(Angelika) Und da ich heute in der Stimmung bin, uramerikanische Phänomene (schließlich habe ich ja in unserem letzten Rundbrief auch meine Eindrücke bei meinem Deutschlandbesuch geschildert) aufzugreifen, bleibt es nicht aus, dass ich noch etwas über das Massaker, bei dem 16 Menschen ums Leben kamen, schreiben muss, das zwei Jugendliche durch Gebrauch von Schusswaffen in einer amerikanischen Highschool in Littleton anrichteten. Nach dieser Tat ging echt ein Aufruhr durchs Land, wohl auch deshalb, weil es sich nicht um einen Einzelfall handelt, sondern solche oft mehr oder weniger geplanten Schießereien mittlerweile zum traurigem Alltag an amerikanischen Highschools geworden sind. Allein nach Littleton gab es mehrere Vorfälle, wo Schüler in anderen Städten der USA bewaffnet in die Schule gingen und wahllos um sich schossen und dabei Menschen verletzten, sogenannte Nachahmer (in Amerika "Copycats" genannt). Nach dem Vorfall in Littleton wurde in den amerikanischen Medien fieberhaft nach Ursachen für die Zunahme dieser Gewalt gesucht und da wurde dann wirklich alles hervorgekramt; vom Werteverfall über das Internet über das Zeigen von Gewalttaten in den Medien über überforderte Eltern und auch über den leichten Zugang zu Waffen. Es sei hier nur am Rande erwähnt, dass während sämtliche Reporter das exzessive Zeigen von Gewalttaten in den Medien verurteilten, schonungslos Bilder von blutüberströmten Jugendlichen gezeigt wurden oder völlig geschockte Schüler gnadenlos interviewt wurden. Oder Präsident Clinton tränenüberströmt die Opfer der Schießerei in einer Rede betrauerte und gleichzeitig im Display bei dem amerikanischen Nachrichtensender CNN eingeblendet wurde, welche Ziele im Kosovo erfolgreich bombardiert wurden. Das nennt man dann wohl Doppelmoral erster Güte. Nun bin ich der festen Überzeugung, dass das Zunehmen der Gewaltbereitschaft unter Kindern und Jugendlichen ein weltweites Phänomen (zumindestens in den meisten Industrienationen) ist und die Ursachen sicherlich vielschichtiger Natur sind, es fasziniert mich aber immer wieder, auf welche leichte Schulter die Bewaffnung von Jugendlichen in den USA genommen wird und wie tief verwurzelt der Glaube ist, dass jeder das Recht hat, eine Waffe zu besitzen, obwohl Jugendliche unverhältnismäßig häufig Opfer von Waffengewalt werden: Jugendliche bis zu 15 Jahren in den USA haben ein bis zu zwölfmal größeres Risiko, durch eine Waffe getötet zu werden, als die Kinder der 25 am höchsten industrialisierten Länder zusammen. Hinzu kommt, dass die Lobby der Waffenindustrie in Amerika ungefähr so mächtig ist wie die Autoindustrie in Deutschland. Natürlich wird nach dem Vorfall in Littleton wieder diskutiert, die Waffengesetze zu verschärfen, aber da geht es dann mehr um die Feinheiten (z.B. das Mindestalter von 18 auf 21 heraufzusetzen oder den Zugang zu bestimmten Waffentypen zu erschweren), als um das Antasten des grundsätzlichen Rechtes auf Waffenbesitz. In Amerika ist es mittlerweile für einen Jugendlichen leichter, eine Waffe zu kaufen als Zigaretten oder Alkohol.

Soviel zu ernsten Themen -- Ring frei für Spaßvogel Michael: wolle mer'n reilasseeeeeee ??? Lasse 'n rin! Täta tätä tätä ...

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