Angelika/Mike Schilli |
Angelika Während Präsident Obama in den letzten Wochen mit der Krankenkassenreform und ihren Kritikern kämpfte, passierte noch etwas Anderes, ebenfalls Bahnbrechendes. Anfang August bestätigte der Senat die Ernennung einer neuen Verfassungsrichterin am U.S. Supreme Court, also dem obersten amerikanischen Gerichtshof: Sonia Sotomayor ist nicht nur erst die dritte Frau, die dieses Amt bekleidet, sondern in der 220-jährigen Geschichte des Gerichts auch die erste mit lateinamerikanischem Hintergrund.
Sie besetzt die Stelle des Richters David Souter, der sich mit 69 Jahren in seinen wohl verdienten Ruhestand verabschiedete. Neubesetzungen des Gerichts haben in der Amtszeit eines Präsidenten deshalb soviel Gewicht, weil die Ernennungen auf Lebenszeit erfolgen. Wenn ihr euch die Liste der zur Zeit aktiven Supreme-Court-Richter anseht und von welchen Präsidenten sie ernannt wurden, wisst ihr, was ich meine: Samuel Alito (ernannt 2006 von George W. Bush), Stephen Breyer (ernannt 1994 von Clinton), Ruth Bader Ginsburg (ernannt 1993 von Clinton), Anthony Kennedy (ernannt 1988 von Reagan), John Roberts (ernannt 2005 von George W. Bush), Antonin Scalia (ernannt 1986 von Reagan), Sonia Sotomayor (ernannt 2009 von Obama), John Paul Stevens (ernannt 1975 von Ford), Clarence Thomas (ernannt 1991 von George H. W. Bush).
Wenn ihr mitgezählt habt, wisst ihr, dass der Supreme Court insgesamt aus neun Richtern besteht. Der 54-jährige John G. Roberts hält als Chief Justice den Vorsitz. Die Verfassung schreibt übrigens nicht vor, aus wievielen Richtern sich der "Supreme Court" zusammensetzen soll, aber seit 1869 sind es neun. Eine ungerade Anzahl von Richtern ist allerdings -- wegen der andernfalls möglichen Pattsituation -- empfehlenswert.
Es gibt eigentlich nur drei Möglichkeiten, den Sitz im Supreme Court zu verlieren: Amtsenthebung ("Impeachment"), Tod und eigener Rücktritt. Allerdings wurde bislang nur ein einziges Mal versucht, einen Richter rauszuwerfen. Das geschah im Jahre 1805, als das Repräsentantenhaus den Richter Samuel Chase anklagte, doch die ebenfalls erforderlichen Stimmen für die Anklage im Senat blieben aus, so dass der Richter trotzdem im Amt blieb -- ein starkes Votum für die Gewaltenteilung zwischen Legislative und Politik.
Mit ihren 55 Jahren gehört Sotomayor zu den jüngeren Richtern des Supreme Courts und hat aller Voraussicht nach viele Jahre vor sich, in denen sie durch ihre Entscheidungen das Gericht und im weiteren Sinne die amerikanische Gesellschaft prägen kann. Nun ist ihre Stimme auch nur eine von neun, aber gerade wenn das Gericht sich zwischen konservativen und liberalen Richtern die Waage hält, ist diese eine Stimme unter Umständen das Zünglein an der Waage.
Den Richtern obliegt es, in letzter Instanz sicherzustellen, dass die amerikanische Verfassung ("Constitution") rechtsmäßig angewendet wird. Es geht nicht darum, neue Gesetze zu schreiben, aber bestehendes Recht anzuwenden. Das hört sich gut an, aber die amerikanische Verfassung ist oft so vage geschrieben, dass es sehr wohl eine Rolle spielt, wie die Richter den Gesetzestext interpretieren. In der Regel beschäftigt sich der Supreme Court mit Revisionsfällen, d.h. Fälle, die schon in untergeordneten Gerichten entschieden wurden.
Präsidenten versuchen durchaus, das Gericht durch die Wahl des Kandidaten in ihrem Sinne zu beeinflussen. Die großen Fragen sind dabei immer wieder: Wie steht der neu ernannte Richter zur Abtreibung, Waffenbesitz, Quotenregelung bzw. Minderheitenförderung ("Affirmitive Action" ) oder Bürgerrechten ("Civil Rights")? Der Präsident schlägt zwar seinen Traumkandidaten vor, aber der kommt nur auf den Supreme-Court-Sessel, wenn der Senat ihn in einem zweischrittigen Verfahren bestätigt. Zunächst befragt der Justizausschuss des Senats den Supreme-Court-Kandidaten und gibt grünes oder rotes Licht, ob es zur Abstimmung über den Kandidaten im ganzen Senat kommt. Stimmt der Aussschuss zu, reicht eine einfache Mehrheit im Senat aus, um die Nominierung zu bestätigen.
Während Sotomayors Anhörung ritten die Senatoren vor allen Dingen auf dem folgenden Kommentar herum, den sie 2001 in einer Rede in Kalifornien von sich gab: "I would hope that a wise Latina woman, with the richness of her experiences, would more often than not reach a better conclusion than a white male who hasn't lived that life." (Frei übersetzt etwa: "Ich würde hoffen, dass eine weise lateinamerikanische Frau dank des Reichtums ihrer Erfahrungen häufiger zu besseren Schlussfolgerungen gelangt als ein weißer Mann, der ein solches Leben nicht geführt hat."). Viele republikanische Senatoren werteten diese Äußerung als umgekehrte Diskriminierung.
Auch musste sie Rede und Antwort stehen für ihre berüchtige Entscheidung in Bezug auf die Feuerwehrmänner der Stadt New Haven. Die Stadt New Haven ließ ihre Feuerwehrleute, die befördert werden wollten, einen Test absolvieren, berücksichtigte dann aber die Ergebnisse nicht, da kein Schwarzer aufgrund niedriger Testergebnisse in eine höhere Position aufgerückt wäre. Die Stadt bekam plötzlich kalte Füße, und befürchtete, dass jemand klagen würde, weil keine Minderheiten mit höheren Rangabzeichen auftauchten. Daraufhin klagten wieder vorwiegend weiße Feuerwehrleute, die im Test gut abgeschnitten hatten, dass ihnen durch die nicht berücksichtigten Testergebnisse die Beförderung durch die Lappen ging. Sotomayor gab der Stadt New Haven recht, aber ihre jetzigen Supreme-Court-Kollegen hoben ihr Urteil später wieder auf.
Während der Anhörungen vermeiden die Kandidaten mittlerweile tunlichst, heikle Fragen (wie z.B. zum Thema Abtreibung) direkt zu beantworten. Meist reden sie ziemlich um den heißen Brei herum. Der Senat bestätigte Sotomayors Nominierung schließlich mit 68 zu 31 Stimmen. Übrigens ist nicht garantiert, dass der Wunschkandidat des Präsidenten am Gericht dann tatsächlich im Sinne des Präsidenten agiert, denn aufgrund der Gewaltenteilung ist der Supreme Court sowohl unabhängig vom Präsidenten als auch vom Kongress.
Republikanische Präsidenten haben in der Geschichte des Supreme Courts schon vermeintlich konservative Richter nominiert, die sich dann im Laufe ihrer Karriere am Supreme Court als äußerst liberal entpuppten. Der von Eisenhower nominierte Earl Warren gehört zum Beispiel dazu. Zu einigen der berühmtesten und prägensten Entscheidungen des Supreme Courts gehören u.a. "Brown versus Board of Education" (1954) und "Roe versus Wade" (1973). Im erst genannten Fall schafften die Richter die Rassentrennung an Schulen ab; im zweiten erhielten Frauen das Grundrecht, Abtreibungen vorzunehmen. Hinter Roe verbirgt sich dabei übrigens eine Texanerin namens Norma McCorvey, die gegen das Abtreibungsverbot ihres Bundesstaates Texas anging. Um ihre Anonymität zu wahren, verpasste man ihr den Namen Jane Roe. Henry Wade war der damalige Staatsanwalt von Dallas. Wir sind schon gespannt, was Sotomayor mitentscheiden darf.
Michael Neulich verschlug es mich dienstlich zur Perl-Konferenz nach Pittsburgh im Bundesstaat Pennsylvania. Grummelnd setzte ich mich am sonntagmittag ins Flugzeug, das noch nicht mal ganz bis Pittsburgh, sondern nur ins 100km entfernte Cleveland im Bundesstaat Ohio flog, von wo mich eine Propeller(!)maschine dann nach Pittsburgh brachte. In welchem Jahrhundert leben wir eigentlich?
Egal, nachdem ich mir am Flughafen ein Mietauto genommen und damit zum Hotel gefahren war, stellte sich auf dem Zimmer heraus, dass die Flugsicherheitsbehörde TSA meinen Koffer zu Prüfungszwecken geöffnet, durchsucht, und anschließend mit einem Papperl versehen und mit einem Plastikclip verschlossen hatte. Zur Perlkonferenz hatte ich einen kleinen Spielzeugraketenwerfer eingepackt, dessen Software ich in einem Vortrag präsentierte, und dem Mann am Röntgengerät im Flughafen kam das wahrscheinlich etwas spanisch vor und er hat den Alarmknopf gedrückt. Oder vielleicht war es auch nur Zufall, aber jedenfalls stand ich im Hotelzimmer mit einem verschlossenen Koffer. Der Plastikclip der TSA war etwa so zäh wie der eines Lifttickets, also unmöglich von Hand abzukriegen. Taschenmesser hatte ich natürlich keines mit, das ist ja im Flugzeug verboten. Also ging ich hinunter zur Rezeption, wo man mir eine Schere reichte, mit der ich schließlich den Kofferverschluss aufschnitt. Uff. Nächstes Mal ein bisserl mitdenken, TSA, gell!
Pittsburgh ist eine ehemalige Metropole der Stahlindustrie, die natürlich mittlerweile so nicht mehr existiert. Laut einer Anzeigentafel am Flughafen ist Pittsburgh heute allerdings Sitz von vielen milliardenschweren Unternehmen, allerdings ist die Innenstadt ab 9 Uhr abends tot. Man sieht weiße Amerikaner schnell aus dem Auto in hermetisch verschlossene Restaurants huschen, und auf der Straße treiben sich nur schwarze Halbstarke herum, die angstfrei umherschreitende Leute wie euren werten Erzähler ungläubig beglotzten. Eine merkwürdige Szenerie. Dabei ist das Wetter im Sommer echt angenehm, nicht zu heiß, weil die Stadt direkt am Ohio-River liegt, und man könnte gut bis zwölf im Straßencafe sitzen.
Südlich des Ohio-Rivers gibt es sogar ein sogenanntes Hofbräuhaus, das der rasende Rundbriefreporter natürlich austesten musste. Das Bier brauen sie dort selbst, und das Weißbier, das ich verkostete, schmeckte sogar sehr gut. Das bestellte Jägerschnitzel stellte sich als paniertes (!) Schnitzel mit Pilzen heraus, das auf (!) Kartoffelsalat lag, den ich allerdings eher als Bratkartoffeln bezeichnet hätte. Aber geschmeckt hat es ausgezeichnet, das muss ich sagen.
Zur musikalischen Untermalung war eine Einmannkapelle angestellt, ein älterer Herr in Lederhosen und mit Rauschebart, der bewährte Hits wie "Rosamunde", "Schützenliesel" auf seinem Yamaha-Keyboard und mit Gesang zum Besten gab. Ha!
Am nächsten Tag wollte ich mir im Supermarkt ein Bier kaufen, um es aufs Hotelzimmer mitzunehmen, wurde aber darüber aufgeklärt, dass man im Bundesstaat Pennsylvania kein Bier im Supermarkt kaufen kann. Gut, gut, das kannte ich aus dem Mormonenstaat Utah oder auch Alaska, wo man alkohlhaltige Getränke in sogenannten Liquor-Stores kaufen muss. Als ich dann an einem kleinen Tante-Emma-Laden anhielt, der aussah wie ein Liquor-Store, und auch dort im Kühlregal kein Bier fand, wurde ich stutzig und fragte den Mann an der Kasse um Rat, einen Ausländer, der aussah als käme er aus der Jemen/Syrien-Gegend. Der lachte und sagte, so einfach ginge das hier nicht ("We are different here, haha!") und ich müsste in eine Bar hineingehen, und "Bier zum mitnehmen" ordern.
Freundlicherweise schilderte er mir auch gleich noch den Weg zur nächsten Bar. Dort spazierte ich hinein, fragte die Bedienung nach dem Bier und wurde auf einen neben der Bar platzierten gläsernen Kühlschrank verwiesen. Als ich dessen Tür öffnen wollte, um das gewünschte Bier herauszuholen, stellte sich heraus, dass er verschlossen war. Die Bardame instruierte aber gleich den Barmann, den Schlüssel zu holen, und mein Bier aus dem Kühlschrank zu entnehmen. Das Bier wurde in einen undurchsichtige Plastiktüte verpackt, ich zahlte und ging zum Auto und fuhr heim. Also manchmal fragt man sich ...
Angelika In Deutschland kennt ihr sie schon lange: Die ominöse Abwrackprämie, die potentielle Käufer in die Autohaüser treiben soll, um ihre alten Autos gegen neuere, umweltfreundlichere Modelle einzutauschen. Nach langem Hin und Her zog Amerika mit der Kampagne "Cash for Clunkers" (frei übersetzt etwa: "Bargeld für Schrottkarren"), offiziell "Car Allowance Rebate System" genannt, nach.
Kunden, die ihr altes Auto für ein umweltfreundlicheres, neues hergaben, erhielten beim Neukauf eines Wagens eine Prämie. Doch nicht jede Schrottkarre wurde akzeptiert, ein "Clunker" durfte nicht älter als 25 Jahre sein und musste mindestens (!) 13 Liter auf 100km verbrauchen. Da der Amerikaner den Benzinverbrauch nicht in Litern auf 100km ermittelt, sonder darüber, wie viele Meilen (1.6 Kilomenter) ein Auto mit einer Gallone (3.79 Liter) fährt, war der Wert in 18 "Miles per Gallon" (mpg) angegeben, und ein Clunker musste weniger schaffen.
Für den Neuwagen gab es einen Bonus von $3.500, wenn er mindestens 4 Meilen mehr, also 22 Meilen, aus seiner Gallone herausholte. Das entspricht einem Verbrauch von 10,7 Litern auf 100km. Gar $4.500 Bonus spendierte der Staat für einen Zuwachs von 10 Meilen, also Neuwagen, deren Verbrauch unter 8,4 Liter/100km lag.
Wenn ihr euch übrigens fragt, wie man "Miles Per Gallon" in "Liter pro 100km" und umgekehrt umrechnet, hier ist die Formel: Man teilt die Zahl 235 durch den angegebenen Wert. Schafft ein Wagen zum Beispiel 20 Meilen pro Gallone, sind das 235 geteilt durch 20, ratter, ratter, also 11,75 Liter auf 100km. Verbraucht ein deutsches Auto hingegen 7 Liter auf 100km, sind das, ratter, ratter, 235 geteilt durch 7, also 33 Meilen pro Gallone.
Die Politiker rechneten allerdings nicht mit dem Erfolg des Programms. Die Leute stürmten regelrecht die Autohäuser und schon nach wenigen Wochen war die bereitgestellte Dollarmilliarde aufgebraucht.
Anfang August bewilligte der Kongress noch einmal zwei weitere Milliarden, aber auch die hielten nicht lange vor und letzten Montag, am 24. August, lief das "Cash for Clunkers" Programm offiziell aus. Erstaunlich wie eine kleine Finanzspitze aus Benzinverprassern auf einmal kleine Umweltengel macht!
Angelika Jeder Tourist kennt die spektakulären amerikanischen Nationalparks, die sich über die ganze USA verteilen. Mein Ziel ist es ja, alle dieser Nationalparks wenigstens einmal zu besuchen. Und obwohl Michael und ich schon recht viele abgeklappert haben, fehlen uns doch noch diverse. Neben den Nationalparks halten wir uns auch gerne in den sogenannten State Parks auf, die es in jedem amerikanischen Bundesstaat gibt. Auch hinter dem State-Park-System verbirgt sich die Idee, landschaftlich reizvolle oder historisch relevante Gebiete oder Gebäude für die Allgemeinheit zugänglich zu machen und für zukünftige Generationen zu erhalten. Kalifornien wartet gleich mit 278 State Parks mit unterschiedlichem Schwerpunkt auf, dazu gehören auch 450 km Küste. Im Schnitt besuchen jährlich fast 80 Millionen die verschiedenen kalifornischen State Parks. Es handelt sich also um eine recht populäre Freizeitbeschäfigung. State Parks sind kleiner im Vergleich zu Nationalparks: ein Strand, ein Wald, ein See, ein Leuchtturm, eine Missionskirche.
Wie der Name schon vermuten lässt, stehen State Parks unter der Verwaltung des jeweiligen Bundesstaates und werden von diesem finanziert. Nun ist das Geldsäckel in Kalifornien schon seit mehreren Jahren leer und der gerade erst verabschiedete Haushalt sieht wieder einmal Kürzungen in Millionenhöhe vor, um die immer grösser werdenden Löcher zu stopfen. Leider kannte unser Gouvernator Arnold Schwarzenegger auch bei den State Parks keine Gnade, obwohl er sich sonst immer als Umweltengel hervorhebt. Er strich beim Unterschreiben des Haushalts noch einmal zusätzliche 6.2 Millionen aus dem State-Park-Topf heraus, was die Parks, die eh nicht gerade im Geld schwimmen, in eine prekäre Lage bringt. Zu befürchten ist, dass 50-100 State Parks in Kalifornien schließen müssen, es sei denn es finden sich private Sponsoren oder gemeinnützige Vereine und Gruppen, um einige Parks, die zur Zeit auf der schwarzen Liste stehen, am Leben zu erhalten. Das wäre das erste Mal in der Geschichte Kaliforniens, dass es zu State-Park-Schließungen kommt.
Der Besuch eines State Parks kostet in der Regel übrigens eine geringe Gebühr pro Auto. Das Eintrittsgeld rangiert zur Zeit zwischen 2 bis 14 Dollar, wobei wir meist 5 oder 6 Dollar zahlen. Ab Mitte August wurden die Preise erhöht, was allerdings auch nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist und die angedrohten Schließungen nicht stoppen kann. Verückterweise zahlten wir in unseren Anfangsjahren, was mittlerweile auch schon fast 13 Jahre her ist, in Kalifornien im Schnitt 10 Dollar Eintritt, bis dann irgendwelche Schlauköpfe im Jahr 2000 die Gebühren durch die Bank um 50% senkten -- eine nicht gerade vorausschauende Planung.
Michael Wir sind ja mittlerweile auch schon ganz alt und träge geworden und fahren neuerdings schon jährlich ins gleiche Domizil auf Hawaii. Im Örtchen Kailua auf der Ostseite der Hauptinsel Oahu liegt ein riesiger halbmondförmiger Strand mit nur leichtem Wellengang. Wir logieren immer, wie auch dieses Jahr Ende Mai, in einer kleinen Ferienwohnung, aus der man barfuß auf einen 100m langen Privatweg zum Meer kommt.
Wenn die hawaiianischen Nachbarn nicht gerade an ihren Häusern herumbasteln oder den Rasen mähen lassen, was beides einen infernalischen Lärm verursacht, kann man sich dort ganz gut entspannen. Durch die ganztägig offenen und nur durch Fliegengitter geschützten Fenster weht eine sanfte Brise, da braucht es keine Klimaanlage, trotz tropischer Hitze!
Der 5-Stunden-Fluglug von San Francisco verging rasend schnell, schließlich hatte ich mein neues Netbook "Minime" dabei und jede Menge Fernsehfilme darauf gespeichert! Auf Oahu sind wir diesmal zwar nicht viel rumgefahren, aber am "Sandy Beach" waren wir doch, schließlich haben amerikanischen Medien berichtet, dass unser Präsi Obama dort auch schon bodysurfend durch die Wellen geschnellt ist! Ins Wasser sind wir dort allerdings nicht gegangen, denn die ältesten Surfer dort waren so um die 25 und die Wellen krachten dermaßen brutal rein, dass ihr euch gar keine Vorstellung macht!
Und als Quasi-Hawaiianer, als die wir uns nach mehr als 10 Urlauben auf den Inseln mittlerweile betrachten, kaufen wir natürlich dort ein, wo die "Locals", also die Einheimischen, shoppen: Im Supermarkt "Don Quijote", auf amerikanisch keineswegs wie im Deutschen oder Spanischen, sondern "Don Quicksott" ausgesprochen. Die japanischen Schriftzeichen in Abbildung 19, das kann ich euch als alter Japanfuchs ebenfalls verklickern, lautmalen "Don Quijote" auf japanisch mit "Do-N Ki-soh-te" in Katakana-Zeichen, die der Japaner für Fremdwörter nutzt, für die es kein japanisches Kanjii-Zeichen gibt. Der Laden ist nicht nur gigantisch billig (teilweise nur halb so teuer wie der gegenüberliegende "Safeway"), sondern führt auch allerlei japanisch/koreanische Schmankerln: Frisches Thunfisch-Poke und Kim-Chee-Austern, zum Beispiel, superlecker!
Angelika Kalifornen ist nicht nur wirtschaftlich etwas ins Schleudern geraten, sondern erlitt Imageverlust als Vordenker-Bundesstaat, zumindest wenn es um gleichgeschlechtliche Ehen geht. Mittlerweile erlauben nämlich sechs amerikanische Bundesstaaten, Massachusetts, Connecticut, Vermont, New Hampshire, Maine und Iowa, gleichgeschlechtlichen Paaren zu heiraten, während die kalifornischen Richter des obersten Gerichtshofs in Kalifornien (California Supreme Court) am 26. Mai dieses Jahres entschieden, dass Proposition 8 rechtsgültig ist.
Ihr erinnert euch vielleicht: Alles begann mit unserem Bürgermeister Gavin Newsom, der zivilen Ungehorsam übte, indem er im Februar 2004 homosexuelle und lesbische Paare in San Francisco heiraten ließ. Was einen Monat später hochrichterlich gestoppt wurde, einschließlich der Annulierung der in San Francisco geschlossenen Ehen. Der Streit zwischen den Befürwortern und Gegnern der Homo-Ehe verlagerte sich dann für schlappe vier Jahre in die kalifornischen Gerichte, bis schließlich wiederum das oberste Gericht im Mai 2008 mit 4 zu 3 Stimmen die Ehe zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern erlaubte, weil die knappe Mehrheit der Richter eine andere Praxis als Diskriminierung bewertete, die gegen die kalifornische Verfassung verstieß.
Zwischen dem 16. Juni und dem 4. November gaben sich daraufhin 18.000 gleichgeschlechtliche Paare das Ja-Wort in Kalifornien. Gegner der Homo-Ehe organisierten dann umgehend ein Volksbegehren, nämlich Proposition 8, das die Ehe in Kalifornien wieder ausschließlich als eine Einheit zwischen Mann und Frau definiert. Am 4. November stimmten 52% der kalifornischen Wähler für Proposition 8, also gegen die Homo-Ehe, woraufhin die Befürworter der gleichgeschlechtlichen Ehe wiederum versuchten, Proposition 8 an sich als rechtsungültig zu erklären (Rundbrief 11/2008). Das oberste Gericht befand dann aber im Mai diesen Jahres: Nein, das Volksbegehren, also Proposition 8, ist rechtsgültig, aber die bereits geschlossenen 18.000 Ehen bleiben bestehen. Nun werden schon wieder Unterschriften gesammelt, um vielleicht in naher Zukunft noch einmal über Proposition 8 abzustimmen, in der Hoffnung, sie dann per Wählerstimme und nicht per Gericht niederzuschlagen. Eine endlose Geschichte ...
Michael Und hier die Reihe "Englische Wörter, die keiner kennt". Heute: "Jazz Hands". Ihr werdet euch wahrscheinlich verwundert die Augen reiben, aber selbst nach 12 Jahren USA-Aufenthalt kommt es vor, dass ich ein englisches Wort noch nie gehört habe, das jedes amerikanische Kind kennt. Neulich unterhielt ich mich per Instant Messenger mit einem Arbeitskollegen, der von zuhause arbeitete und mir live berichtete, dass vor seiner Wohnung im sonnigen San Diego ein verrückter Penner herumliefe, der singe, klatsche und "Jazz Hands" mache. Verwundert fragte ich nach, was um Himmels Willen denn "Jazz Hands" sei. Der bass erstaunte Kollege klärte mich auf, dass es sich dabei um eine Pose handle, bei der ein Broadway-Schauspieler in einem Musical mit zehn ausgespreizten Fingern ins Publikum zeige. Sackzement, wer hätte gedacht, dass es dafür ein Wort gibt! Zweifellos ein weiteres Versäumnis im katastrophalen Englischunterricht meines an katastrophalen Versäumnissen nicht gerade armen Englischlehrers Haueisen am Gymnasium Neusäß.
Michael Am vierten Juli, dem amerikanischen Nationalfeiertag bevölkert der Herr Amerikaner ja bekanntlich scharenweise die öffentlichen Parks und grillt. Heuer fiel der 4.7. auch noch auf einen Samstag, auf dass auch gleich der Freitag zum Feiertag ausgerufen wurde. Öffentliche Parks und Zeltplätze muss der Genussreisende an diesen Tagen natürlich meiden wie die Pest, also nisteten wir uns in einem schnuckeligen Cottage im "Gold Country" ein. Das ist die Gegend, in der in Kalifornien anno 1849 der Goldrausch stattfand, die heutzutage aber mit liebevoll renovierten Wild-West-Gebäuden eher touristischen Zwecken dient.
Als wir mit unserer Rakete einrollten, fand gerade ein Wochenmarkt statt und die Landjugend versammelte sich zum Stelldichein. Auch einige Oldtimerfreaks waren zugange und präsentierten ihre auf Hochglanz polierten Sammlerstücke. Die kürbisförmigen weißen Pfirsiche ("white Peach") schmeckten hervorragend.
In der Umgebung kann man am Yuba-River herumwandern, allerdings brannte die Sonne runter wie nicht gescheit und nach nur eineinhalb Meilen stiegen wir zum Yuba-River hinab, zogen die Badehosen an und stürzten uns in die Fluten. Der Fluß strömt im Sommer gemächlich, nur an den Engstellen muss man aufpassen, dass man nicht gegen die Felsen knallt.
Alle paar hundert Meter finden sich etwa 1.5m bis 2.5m tiefe Wasserlöcher, in denen man tatsächlich schwimmen kann. Die Flusstemperatur beträgt so um die 20 Grad, die Außentemperatur in sengender Sonne geschätzte 40. Wir drehten sogar ein lustiges Video von Angelika im Yuba River!
Michael Gut dass wir unsere neu erworbenen tragbaren Liegestühle im Kofferraum dabei hatten! Ich hatte die beiden faltbaren Wunderwerke mit integriertem Sonnensegel vor einigen Wochen beim Bergsteiger-Ausrüster REI in San Francisco gekauft. Das Produkt ist die Wucht in Tüten. Man kann bequem zwei davon auf den Rücken schnallen und auch die beiden Sonnenschilde lassen sich zu tellerförmigen Gebilden mit etwa 50cm Radius zusammenfalten. Ein Stuhl wiegt etwa 4kg und nimmt bequem einen Erwachsenen auf.
Man liegt darin ganz entspannt, urgemütlich und rückenschonend, und das Köpfchen ist dabei auf ein eingearbeitetes Kissen gebettet. Ich bin tatsächlich schon darin eingeschlafen!
Michael Neulich kam Angelika mit einem Riesensprung in der Windschutzscheibe unseres Autos heim. Da hatte wohl ein Wagen vor ihr ein Steinchen aufgewirbelt und eine kleine Macke verursacht, die sich dann binnen mehrerer Tage zu einem 30cm langen Sprung auswuchs, den man nicht mehr kitten konnte. Windschutzscheiben sind teuer, ich hatte mal etwas von $800 gehört! Unser Bekanntenkreis konnte keine Werkstatt empfehlen, also tat ich, was heutzutage jeder tut, der irgendeine Serviceleistung braucht und dazu Empfehlungen von wildfremden Leuten einholen möchte: Ich wandte mich an yelp.com.
Auf dieser kostenlosen Website schreiben Privatleute, die ein Geschäft oder ein Restaurant besucht haben, ihre Meinung nieder und wer ähnliches braucht, wählt auf yelp.com einfach den bestbewerteten Laden aus. In San Francisco hat das schon dazu geführt, dass Geschäfte gar nicht mehr in Werbung investieren, sondern sich darauf konzentrieren, ihre Kunden zu begeistern und darauf zu hoffen, dass diese den Laden auf yelp.com weiterempfehlen. Es funktioniert auch glänzend für Ärzte oder Friseure.
Ich suchte eine billige neue Windschutzscheibe, also tippte ich "Auto Glass Repair" in der Stadt "San Francisco" ein und sah mir die Bewertungen der besten Betriebe an. Einer fiel mir sofort ins Auge: Die Werkstatt "In & Out Glass" im berüchtigten Stadtteil "Bayview/Hunters Point", über den wir im Rundbrief 02/2008 schon einmal berichtet haben. Wegen den niedrigen Mieten lassen sich dort allerdings auch wagemutige Unternehmer, wie der von chinesischen Einwanderern betriebene Autoglas-Reparaturshop, nieder. Die müssen Außergewöhnliches leisten, um im Geschäft bleiben, denn jeder, der sich in San Francisco auskennt, zuckt beim Hören dieses Stadtteils erstmal zusammen. Auf yelp.com kriegten sich die Leute aber gar nicht mehr ein ob der schnellen, sachgemäßen und preiswerten Reparaturleistungen, und da ich bekanntlich nichts und niemanden fürchte, fuhr ich hin, bekam in 45 Minuten meine Windschutzscheibe ersetzt und zahlte $160. Ich glaube, den Laden werde ich auf yelp.com weiterempfehlen ...
Nachtrag der Redaktion: Yelp steht im Verdacht, mit unlauteren Machenschaften die Reviews zu manipulieren. Der Artikel "Yelp and the Business of Extortion 2.0" zeigt einige erschreckende Beispiele. Falls ihr also einen Betrieb mit ausschließlich positiven Reviews findet, ist Vorsicht angebracht, diese könnten gekauft sein.
Bis zum nächsten Rundbrief! Eure Korrespondenten aus San Francisco:
Angelika und Michael
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Spezialthemen:
USA: | Schulsystem-1, Schulsystem-2, Redefreiheit, Waffenrecht-1, Waffenrecht-2, Krankenkasse-1, Krankenkasse-2, Medicare, Rente, Steuern, Jury-System, Baseball, Judentum |
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Touren: | Alaska, Vancouver/Kanada, Tijuana/Mexiko, Tokio/Japan, Las Vegas-1, Las Vegas-2, Kauai/Hawaii, Shelter Cove, Molokai/Hawaii, Joshua Nationalpark, Tahiti, Lassen Nationalpark, Big Island/Hawaii-1, Big Island/Hawaii-2, Death Valley, Vichy Springs, Lanai/Hawaii, Oahu/Hawaii-1, Oahu/Hawaii-2, Zion Nationalpark, Lost Coast |
Tips/Tricks: | Im Restaurant bezahlen, Telefonieren, Führerschein, Nummernschild, Wohnung mieten, Konto/Schecks/Geldautomaten, Auto mieten, Goodwill, Autounfall, Credit Report, Umziehen, Jobwechsel, Smog Check |
Fernsehen: | Survivor, The Shield, Curb your Enthusiasm, Hogan's Heroes, Queer Eye for the Straigth Guy, Mythbusters, The Apprentice, The Daily Show, Seinfeld |
Silicon Valley: | Netscape-1, Netscape-2, Netscape-3, Yahoo! |
San Francisco: | SoMa, Mission, Japantown, Chinatown, Noe Valley, Bernal Heights |
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