Angelika/Mike Schilli |
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Angelika Während Präsident Obama in den letzten Wochen mit der Krankenkassenreform und ihren Kritikern kämpfte, passierte noch etwas Anderes, ebenfalls Bahnbrechendes. Anfang August bestätigte der Senat die Ernennung einer neuen Verfassungsrichterin am U.S. Supreme Court, also dem obersten amerikanischen Gerichtshof: Sonia Sotomayor ist nicht nur erst die dritte Frau, die dieses Amt bekleidet, sondern in der 220-jährigen Geschichte des Gerichts auch die erste mit lateinamerikanischem Hintergrund.
Sie besetzt die Stelle des Richters David Souter, der sich mit 69 Jahren in seinen wohl verdienten Ruhestand verabschiedete. Neubesetzungen des Gerichts haben in der Amtszeit eines Präsidenten deshalb soviel Gewicht, weil die Ernennungen auf Lebenszeit erfolgen. Wenn ihr euch die Liste der zur Zeit aktiven Supreme-Court-Richter anseht und von welchen Präsidenten sie ernannt wurden, wisst ihr, was ich meine: Samuel Alito (ernannt 2006 von George W. Bush), Stephen Breyer (ernannt 1994 von Clinton), Ruth Bader Ginsburg (ernannt 1993 von Clinton), Anthony Kennedy (ernannt 1988 von Reagan), John Roberts (ernannt 2005 von George W. Bush), Antonin Scalia (ernannt 1986 von Reagan), Sonia Sotomayor (ernannt 2009 von Obama), John Paul Stevens (ernannt 1975 von Ford), Clarence Thomas (ernannt 1991 von George H. W. Bush).
Wenn ihr mitgezählt habt, wisst ihr, dass der Supreme Court insgesamt aus neun Richtern besteht. Der 54-jährige John G. Roberts hält als Chief Justice den Vorsitz. Die Verfassung schreibt übrigens nicht vor, aus wievielen Richtern sich der "Supreme Court" zusammensetzen soll, aber seit 1869 sind es neun. Eine ungerade Anzahl von Richtern ist allerdings -- wegen der andernfalls möglichen Pattsituation -- empfehlenswert.
Es gibt eigentlich nur drei Möglichkeiten, den Sitz im Supreme Court zu verlieren: Amtsenthebung ("Impeachment"), Tod und eigener Rücktritt. Allerdings wurde bislang nur ein einziges Mal versucht, einen Richter rauszuwerfen. Das geschah im Jahre 1805, als das Repräsentantenhaus den Richter Samuel Chase anklagte, doch die ebenfalls erforderlichen Stimmen für die Anklage im Senat blieben aus, so dass der Richter trotzdem im Amt blieb -- ein starkes Votum für die Gewaltenteilung zwischen Legislative und Politik.
Mit ihren 55 Jahren gehört Sotomayor zu den jüngeren Richtern des Supreme Courts und hat aller Voraussicht nach viele Jahre vor sich, in denen sie durch ihre Entscheidungen das Gericht und im weiteren Sinne die amerikanische Gesellschaft prägen kann. Nun ist ihre Stimme auch nur eine von neun, aber gerade wenn das Gericht sich zwischen konservativen und liberalen Richtern die Waage hält, ist diese eine Stimme unter Umständen das Zünglein an der Waage.
Den Richtern obliegt es, in letzter Instanz sicherzustellen, dass die amerikanische Verfassung ("Constitution") rechtsmäßig angewendet wird. Es geht nicht darum, neue Gesetze zu schreiben, aber bestehendes Recht anzuwenden. Das hört sich gut an, aber die amerikanische Verfassung ist oft so vage geschrieben, dass es sehr wohl eine Rolle spielt, wie die Richter den Gesetzestext interpretieren. In der Regel beschäftigt sich der Supreme Court mit Revisionsfällen, d.h. Fälle, die schon in untergeordneten Gerichten entschieden wurden.
Präsidenten versuchen durchaus, das Gericht durch die Wahl des Kandidaten in ihrem Sinne zu beeinflussen. Die großen Fragen sind dabei immer wieder: Wie steht der neu ernannte Richter zur Abtreibung, Waffenbesitz, Quotenregelung bzw. Minderheitenförderung ("Affirmitive Action" ) oder Bürgerrechten ("Civil Rights")? Der Präsident schlägt zwar seinen Traumkandidaten vor, aber der kommt nur auf den Supreme-Court-Sessel, wenn der Senat ihn in einem zweischrittigen Verfahren bestätigt. Zunächst befragt der Justizausschuss des Senats den Supreme-Court-Kandidaten und gibt grünes oder rotes Licht, ob es zur Abstimmung über den Kandidaten im ganzen Senat kommt. Stimmt der Aussschuss zu, reicht eine einfache Mehrheit im Senat aus, um die Nominierung zu bestätigen.
Während Sotomayors Anhörung ritten die Senatoren vor allen Dingen auf dem folgenden Kommentar herum, den sie 2001 in einer Rede in Kalifornien von sich gab: "I would hope that a wise Latina woman, with the richness of her experiences, would more often than not reach a better conclusion than a white male who hasn't lived that life." (Frei übersetzt etwa: "Ich würde hoffen, dass eine weise lateinamerikanische Frau dank des Reichtums ihrer Erfahrungen häufiger zu besseren Schlussfolgerungen gelangt als ein weißer Mann, der ein solches Leben nicht geführt hat."). Viele republikanische Senatoren werteten diese Äußerung als umgekehrte Diskriminierung.
Auch musste sie Rede und Antwort stehen für ihre berüchtige Entscheidung in Bezug auf die Feuerwehrmänner der Stadt New Haven. Die Stadt New Haven ließ ihre Feuerwehrleute, die befördert werden wollten, einen Test absolvieren, berücksichtigte dann aber die Ergebnisse nicht, da kein Schwarzer aufgrund niedriger Testergebnisse in eine höhere Position aufgerückt wäre. Die Stadt bekam plötzlich kalte Füße, und befürchtete, dass jemand klagen würde, weil keine Minderheiten mit höheren Rangabzeichen auftauchten. Daraufhin klagten wieder vorwiegend weiße Feuerwehrleute, die im Test gut abgeschnitten hatten, dass ihnen durch die nicht berücksichtigten Testergebnisse die Beförderung durch die Lappen ging. Sotomayor gab der Stadt New Haven recht, aber ihre jetzigen Supreme-Court-Kollegen hoben ihr Urteil später wieder auf.
Während der Anhörungen vermeiden die Kandidaten mittlerweile tunlichst, heikle Fragen (wie z.B. zum Thema Abtreibung) direkt zu beantworten. Meist reden sie ziemlich um den heißen Brei herum. Der Senat bestätigte Sotomayors Nominierung schließlich mit 68 zu 31 Stimmen. Übrigens ist nicht garantiert, dass der Wunschkandidat des Präsidenten am Gericht dann tatsächlich im Sinne des Präsidenten agiert, denn aufgrund der Gewaltenteilung ist der Supreme Court sowohl unabhängig vom Präsidenten als auch vom Kongress.
Republikanische Präsidenten haben in der Geschichte des Supreme Courts schon vermeintlich konservative Richter nominiert, die sich dann im Laufe ihrer Karriere am Supreme Court als äußerst liberal entpuppten. Der von Eisenhower nominierte Earl Warren gehört zum Beispiel dazu. Zu einigen der berühmtesten und prägensten Entscheidungen des Supreme Courts gehören u.a. "Brown versus Board of Education" (1954) und "Roe versus Wade" (1973). Im erst genannten Fall schafften die Richter die Rassentrennung an Schulen ab; im zweiten erhielten Frauen das Grundrecht, Abtreibungen vorzunehmen. Hinter Roe verbirgt sich dabei übrigens eine Texanerin namens Norma McCorvey, die gegen das Abtreibungsverbot ihres Bundesstaates Texas anging. Um ihre Anonymität zu wahren, verpasste man ihr den Namen Jane Roe. Henry Wade war der damalige Staatsanwalt von Dallas. Wir sind schon gespannt, was Sotomayor mitentscheiden darf.
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