Angelika/Mike Schilli |
Michael Neulich ging Obama gehörig mit der Kreditkartenindustrie ins Gericht. Die teilweise nur ausgebildeten Rechtsanwälten verständlichen, in beinahe unlesbar kleinen Lettern geschriebenen Monsterkartenverträge, die beinahe jeder Amerikaner ungelesen akzeptiert, müssen die Kartenfirmen von nun an in klarem Englisch formulieren. Außerdem verpflichteten sich die Firmen, einige der dreisteren Methoden einzustellen, mit denen sie Leuten das Geld mittels schwer durchschaubarer Klauseln aus der Tasche ziehen.
Neue Kartenangebote werben zum Beispiel üblicherweise damit, dass man Schulden auf Karten der Konkurrenz kostenlos auf die neu angebotene Karte übertragen kann. Bei diesem sogenannten "Balance Transfer" bekommt man den übertragenen Betrag dann eine festgesetzte Zeit lang zu äußerst vorteilhaften Bedingungen. Während sonst Zinssätze von 15% - 20% üblich sind, werben Übertragsangebote oft mit 7% oder bieten über einen begrenzten Zeitraum gar zinsfreie Darlehen.
Die Verbraucherverbände raten aber, die neue Karte dann keinesfalls zum Einkaufen zu verwenden. Warum? Begleicht der Kunde am Monatsende seine Einkäufe, rechnet die Kartenfirma den zurückgezahlten Betrag keineswegs auf die offene Rechnung an, sondern auf die günstig transferierte Kartenschuld. Die laufende Rechnung bleibt offen, und sammelt horrende Schuldzinsen an, normalerweise so um die 20%. Werden also zum Beispiel $10.000 transferiert und der Kunde kauft im ersten Monat für $100 ein, zahlt er 20% Zinsen auf die $100 bis zum Sanktnimmerleinstag, oder bis er die $10.000 abbezahlt hat. Damit ist nun Schluss.
Auch der Trick, das Zahldatum auf einen Feiertag zu legen, ist sehr beliebt. In Amerika schickt die Kartenfirma dem Kunden ja eine Rechnung per Post, die dieser dann, ebenfalls per Post, mit einem Scheck bezahlt. Schickt der Kunde die Zahlung dann so ab, dass sie pünktlich zum Fälligkeitsdatum eintrifft, stellt sie die Post wegen des Feiertags natürlich nicht zu und würde auch sonst von der Kreditkartenfirma nicht bearbeitet, sondern erst am nächsten Arbeitstag. Zack, kommt ein saftiger Säumniszuschlag auf die Rechung! Nicht pünktlich gezahlte Rechnungen werfen absurd hohe Strafgebühren auf und veranlassen die Kartenfirmen oft dazu, den Zinssatz des Kunden wegen erhöhten Leihrisikos in die Höhe zu treiben. Obamas neue Vorschriften verbieten diesen Trick nicht nur, sondern zwingen die Kartenfirmen, die Rechnung auch rechtzeitiger an die Kunden abzuschicken, damit diese genügend Zeit haben, die Zahlung in die Wege zu leiten.
Dieses Raubrittergebaren der Kartenindustrie ist eine relativ neue Erscheinung. Ursprünglich reglementierten die Bundesstaaten Zinssätze und Gebühren mit eiserner Hand. Die sogenannten "Usury Laws" (Wuchergesetze) der Bundesstaaten legen zum Beispiel unterschiedliche Maximalzinssätze fest, im Mittel etwa 18%. In den siebziger Jahren kam aber der etwas abseits gelegene und wirtschaftlich zurückgebliebene Bundesstaat South Dakota auf die Idee, Kartenfirmen, die dort ihren Firmensitz anmeldeten, freie Hand bei der Zinssatz- und Mahngebührengestaltung zu lassen. Prompt kamen praktisch alle großen Kartenfirmen nach South Dakota in den Ort mit dem lustigen Namen "Sioux Falls", von wo aus sie auch Kunden in allen anderen Bundesstaaten bedienten. Noch heute tragen die meisten Kreditkartenrechnungen diesen Poststempel.
Der amerikanische Kongress darf nun zwar den Handel zwischen den Bundesstaaten regulieren, doch 1978 entschied das oberste Bundesgericht ("Supreme Court") im Verfahren "Marquette v. First Omaha Service Corp.", dass bundesweit tätige Banken sich nicht an die Regeln des Staates halten müssen, in dem sie ihre Kunden bedienen. Vielmehr dürfen sie sich die für sie günstigste Regel aus irgendeinem Bundesstaat aussuchen, in dem sie eine Niederlassung haben, um diese dann in allen Staaten zu praktizieren. Durch diesen Trick waren mit einem Schlag alle "Usury Laws" für bundesweit operierende Banken null und nichtig. Auch heute noch hat zum Beispiel die Citybank ihren Hauptsitz in New York, aber eine Niederlassung in South Dakota, von wo aus sie Rechnungen mit saftigen Zinsen bis zu 30% in die ganzen USA verschickt. Ein später folgendes Bundesgerichtsurteil stellte dann übrigens auch noch lokale Banken auf die gleiche Stufe, sodass auch für sie keine Wuchergesetze mehr gelten.
Leute wie wir, die ihre Kreditkartenrechnungen stets am Ende des Monats mit der Präzision eines Uhrwerks bezahlen und nie auch nur einen Cent stehenlassen, sind freilich ein Dorn im Auge der Kartenfirmen. Zwar zahlen Händler, die Kreditkarten akzeptieren, den Kartenfirmen bei jeder Transaktion zwischen 2% und 5% Gebühren, aber diese Gewinne nehmen sich lächerlich aus im Vergleich zu den Zinsen, die Leute zahlen, die ihre Kreditkarten als Finanzierungsvehikel mit durchschnittlich 15% bis 20% Zinsen nutzen und jedesmal nur das geforderte Minimum von 2% der Schuldsumme zurückzahlen. So bleibt die Schuld praktisch ewig bestehen und der Kartenhalter zahlt auch in 10 Jahren noch Zinsen auf einen einmaligen Spontankauf. Ein paar Zahlen aus dem Jahr 2004: 145 Millionen Amerikaner besaßen Kreditkarten, 55 Millionen zahlten die Schuld jeden Monat ab, 90 Millionen ließen etwas stehen. Und davon zahlten 35 Millionen, also ein Drittel nur das geforderte Minimum von durchschnittlich 2% zurück!
In den letzten Jahren verschwanden deshalb die Jahresgebühren für die meisten Karten für Normalbürger, die zuvor noch mit etwa $50 pro Jahr zu Buche schlugen. Manche Karten geben dem Kunden inzwischen sogar zwischen 1% und 3% Rabatt auf umgesetzte Beträge zurück, man spart also sogar Geld, wenn man die Karte nutzt. Der Rabatt wird oft in dubiosen Punkten ausgezahlt, die man dann für bestimmte Waren oder Dienstleistungen wie Flüge einlösen muss. Schlaue Kunden suchen sich aber Karten aus, die den Rabatt in bar zurückerstatten. Unsere Karte von American Express wirft zum Beispiel 3% auf Restaurantrechnungen und 2% auf Reiseausgaben ab, und den im Laufe eines Jahres angesammelten Betrag zahlt der Riesensupermarkt Costco uns dann aus. Da man in Amerika bereits als verrückt gilt, wenn man $100 in bar in der Tasche hat, kann man sich gut vorstellen, wie ungläubig die Kassierer dort guckten, als ich dort mit meinem Riesenrabattscheck aufkreuzte. Sie mussten tatsächlich einen Laufburschen zum Safe schicken, um meine Erstattung auszuzahlen.
Aber das ist noch nicht alles, weitere Schmankerln warten auf den Kartennutzer: Mietet man mit bestimmten Karten ein Auto, ist eine Vollkaskoversicherung enthalten. Geht ein gerade gekaufte Vase zu Bruch, oder ein Dieb schnappt sich den neuen Fotoapparat, erstattet die Kartenfirma den Verlust.
Wer mit Kreditkarte zahlt, nutzt nicht nur den Vorteil einer bargeldlosen Transaktion, sondern hält gegenüber dem Händler auf einmal einen gewaltigen Hebel in der Hand. Haut der einen nämlich übers Ohr, wäre es äußerst nervenaufreibend und zeitintensiv, per Anwalt rechtliche Ansprüche zu formulieren und eventuell durchzusetzen. Hat man allerdings mit Kreditkarte gezahlt, ruft man einfach deren Hotline an, schildert den Fall, und ratz-fatz wird dem Händler das Geld entzogen und dem Kunden zurückerstattet, auch wenn der Händler vor Wut Tango tanzt. Zwar kann der dann anschließend wiederum gerichtlich gegen den Kunden vorgehen, aber die Beweislast liegt nun bei ihm und er wird sich genau überlegen, bevor er gerichtliche Schritte, eventuell im "Small Claims Court" unternimmt. Neulich habe ich übrigens gelesen, dass der Kaufbetrag mindestens $50 betragen muss und das Geschäft nicht weiter als 150 Meilen vom Wohnsitz des Kartenhalter entfernt sein darf, sonst kann es sein, dass die Kreditkartenfirma nicht hilft.
Als Finanzierungsvehikel für schlechte Zeiten eignet sich die Karte allerdings nicht. Verliert man den Arbeitsplatz oder erleidet finanzielle Verluste, schraubt die Kartenfirma sofort die verfügbare Kreditsumme nach unten und die Zinsen in astronomische Höhen. Über den Credit-Report, das amerikanische Äquivalent zur Schufa, weiß sie jederzeit über die Finanzlage des Kunden Bescheid. Im Fall eines "Universal Default", also einer prekären finanziellen Lage des Kartenkunden, passiert dies sogar dann, wenn der Kunde pünktlich die Rechnungen der Karte bezahlt.
Mit Obamas vorgeschlagenen neuen Regeln für die Kartenindustrie, die inzwischen vom Kongress abgesegnet wurden, munkelt man, dass die atemraubenden Gewinne zurückgehen und sich die rosigen Bedingungen für uns sogenannte "Revolver" (von der Kartenindustrie so genannt wegen dem ständigen Abbezahlen einer rotierenden Schuld) verschlechtern. Vielleicht kommen auch wieder Jahresgebühren, wer weiß? Ich kann euch jedenfalls eine weiterbildende Fernsehsendung zum Thema empfehlen: Die Dokumentation "The Secrect History of the Credit Card" des Senders PBS. Außerdem steht auf Wikipedia ein ausführlicher Artikel zum Credit CARD Act of 2009 und das Fact Sheet des Weißen Hauses zur Kreditkartenreform fasst die Fakten zusammen.
Michael Im August fiel uns ein, nach Palm Springs, etwa 100km östlich von Los Angeles zu fahren, denn Angelika hatte darüber in einem ihrer abonnierten Reisemagazine gelesen. Mitten in der Wüste gelegen, bietet es ausgebrannten Filmbossen aus den Studios rund um Los Angeles Gelegenheit, am Pool abzuhängen, ausschweifende Parties zu feiern und mit ihren Straßenkreuzern in der Gegend herumzukurven. Mit unserem gemieteten Kia Rio kamen wir uns jedenfalls vor wie von einem anderen Planeten.
Die Hitze dort war brutal. Normalerweise kann ich Temperaturen bis 40 Grad gut aushalten, aber in Palm Springs konnte man wirklich keine 10 Meter gehen, ohne ins Schwitzen zu geraten. Die Restaurants und Bars dort haben sich den Gegebenheiten angepasst und pusten kalten Nebel auf die Gäste, damit diese auch draußen speisen können ohne zu überhitzen.
Angelika In der Wüste ist es ja gewöhnlich heiß und trocken, aber an dem Wochenende, an dem wir Palm Springs unsicher machten, schlug sich die Stadt mit einer hohen Luftfeuchtigkeit herum. Es war nicht nur heiß sondern auch schwül, sodass selbst die Einheimischen stöhnten. Deshalb beschlossen wir, uns in höhere Lagen zu verziehen und uns mit der sogenannten "Ariel Tramway" (also einer Gondelseilbahn) von der flachen Wüstenlandschaft auf die fast 2600 m hohe Bergstation katalputieren zu lassen.
Ich bin ja bekanntlich nicht so der Bergschrat und kämpfe auch immer wieder mit Höhenangst. Deshalb musste Michael das Fotografieren übernehmen und ich stand lieber etwas weiter hinten in der Gondel. Die Seilbahn ist eine Meisterleistung des Ingenieurwesens. Das ganze Teil dreht sich nämlich auch noch während der ca. 10-minütigen Fahrt, damit alle Fahrgäste den Rundumblick genießen können und keiner beim Einsteigen drängeln muss, um vorne in der Gondel zu stehen.
Oben angekommen wanderten wir ein wenig in dem auf dem Berg gelegenen "San Jacinto State Park". Wir genossen die Ausblicke auf die Wüstenlandschaft zu unseren Füßen und die angenehmeren Temperaturen, denn der Höhenunterschied sorgte gleich für eine Differenz von 10-15 Grad Celsius. Glaubt mir, wir waren für jedes Grad dankbar. Im Winter liegt auf dem Berg übrigens sogar Schnee, und die von der ewigen Sonne geplagten Wüstenbewohner können im Schnee herumtoben. Verschiedene Restaurants auf dem Berg laden zu einem Imbiss ein. Das ist für euch in Deutschland nichts Ungewöhnliches, aber in Amerika findet man das ganz selten. Wir speisten im Peaks Restaurant mit schönem Ausblick. Das Restaurant bot erstaunlicherweise ganz passables Essen an, was in derartigen Touristenhochburgen ja eher erstaunlich ist.
Am nächsten Tag machten wir uns dann auf in die "Indian Canyons", einem Teil des Agua Caliente Indiannerreservats. Dort kann man drei spektakuläre Schluchten mit faszinierendem Palmenbestand mitten in der absolut kargen Wüstenlandschaft erwandern. Die Worte Schatten/Wasser/Oase bekamen bei der sengenden Hitze gleich ein ganz anderes Gewicht. Falls ihr eine waschechte Wüstenerfahrung herbeisehnt, fahrt im Sommer hin. Ansonsten empfehlen wir eher die kühlere Jahreszeit für diesen Ausflug.
Wir wandern ja wirklich gern, aber schafften nur, uns zwei der drei Canyons anzuschauen, denn der Murray Canyon hätte einen etwas längeren Fußmarsch durch sandiges Gelände in sengender Sonne verlangt. Wir wollten dann doch nicht als zwei verrückte Städter, die einem Hitzschlag erliegen, in die Schlagzeilen gelangen.
Aber der Andreas Canyon und Palm Canyon ließen uns von Schatten zu Schatten hopsen. Der Palm Canyon ist 15 Meilen (24 km) lang und besteht, wie der Name schon verrät, aus Palmen soweit das Auge reicht. Beeindruckend war die Stille in dieser Palmenoase. Um die Canyons zu sehen, zahlt man pro Nase $8, denn die Indianer müssen schließlich auch von etwas leben.
Michael Wer wie ich gerne mal zwischendurch an einem Snack nascht, ein paar Erdnüsslein hier, ein Äpfele da, erfreut sich sicher auch an getrockneten Früchten. Nun gibt es Datteln eigentlich eher zur Weihnachtszeit, aber da sie in Kalifornien angebaut werden, bietet sie der Costco-Supermarkt hier das ganze Jahr über zum Verkauf an.
Zwei Sorten führt der Laden, irgendwelche Billigdatteln und die Königin der Datteln, die Medjool-Dattel. Ein Unterschied wie Tag und Nacht, denn die ausgemergelten Schrottdatteln sind klein und hart, während die "Fancy Medjool Dates", wie es auf der Packung steht, riesig, fleischig und butterweich daliegen. Sie kosten zwar etwas mehr, aber wenn 1 Kilo Spitzendatteln mit nur etwa $10 zu Buche schlagen, schaut man ja nicht aufs Geld.
Aber wo wachsen Datteln eigentlich? Als wir neulich in Palm Springs waren, sahen wir vom Highway aus tatsächlich Palmen mit dicken Datteltrauben, die zur Stabilisierung in Papier eingewickelt waren. Neugierig hielten wir an und begutachteten die mächtigen Gewächse. Ich würde schätzen, dass an einem Zweig sicher 20 Kilo Datteln hingen!
Und wenn ihr euch die beim Costco erstandene Dattelpackung in Abbildung 10 genau anseht, fällt euch sicher auf, dass auf dem Etikett "Packed in Coachella, CA" steht. Und Google Maps verrät, dass die Kleinstadt, in der die Datteln in die Plastikschachtel wanderten, tatsächlich nur wenige Kilometer von unserem diesjährigen Kurzurlaubsdomizil Palm Springs entfernt ist.
Michael In unserer Serie "Amerikanisch für Profis" heute ein Wort, mit dem der Amerikaner ausländische Währungen elegant unter einen Hut bringt: "Durka Durka". Auf Deutsch bedeutet es soviel wie "Kamelmoos", und damit bezeichnet der Amerikaner etwas geringschätzig Währungen, die gegenüber dem amerikanischen Dollar relativ wertlos sind.
Stößt man als Fremdsprachler auf dieses an deutschen Schulen natürlich nicht gelehrte Slang-Wort, lohnt sich wie üblich ein Blick auf urbandictionary.com, wo sogar Beispielsätze für Touristen stehen: "At a restaurant:- 'Jellied camel toes for half a durka durka! We can eat like kings on this exchange rate!'" ("Im Restaurant: 'Kamelzehenmarmelade für eine halbe Durka-Durka! Bei diesem Umtauschkurs können wir essen wie Könige!'"). Wer einmal Unterhaltung für einen langweiligen regnerischen Nachmittag sucht, dem kann ich urbandictionary.com nur wärmstens empfehlen. Die Erklärungen sind teilweise echt zum totlachen (wenn auch nicht immer ganz ernstzunehmen) und die Macher scheuen sich absolut nicht, auch noch die absurdesten und ordinärsten Benutzerbeiträge zu veröffentlichen. Ein Bewertungsschema sorgt dafür, dass nur die korrektesten und lustigsten Meldungen ganz oben landen.
Der Begriff "Durka Durka" stammt aus dem Film "Team America", einer mittelmäßig komischen Marionettenproduktion der beiden Macher der Fernsehserie "South Park". Im Film murmeln die Terroristen immer etwas von "Durka Durka", wenn sie arabisch reden. Ausgesprochen wird das Wort "Dörka Dörka" und ich halte es für meine Pflicht, darauf hinzuweisen, dass es unter Umständen Situationen gibt, in denen man es besser nicht anwendet, auch wenn's noch so lustig wäre!
Angelika Rund um die Halbinsel San Francisco liegt ja bekanntlich Wasser und Brücken sorgen dafür, dass Autofahrer ohne allzu große Umsände in verschiedene Himmelsrichtungen gelangen. Jeder kennt die Golden Gate Bridge nach Norden, aber mittlerweile ist auch die Bay Bridge, die nach Osten in Richtung Oakland führt, immer wieder in aller Munde. Ein Teil dieser Brücke krachte im Erdbeben von 1989, also vor 20 Jahren, ein. Genauer gesagt, ein Stück des oberen Decks fiel auf das untere. Die Brücke wurde damals zwar geflickt, aber jedem war klar, dass sie ein zweites großes Erdbeben nicht übersteht. Da täglich 280.000 Autos über die Brücke brausen, um in die sogenannte East-Bay-Gegend zu gelangen, drängten die Sachverständigen darauf, die Brücke erdbebensicher zu machen. Nach jahrelangen Streitereien um die Bezahlung und das Design für dieses Großprojekt, das übrigens in der satirisch anmutenden Dokumentation "The Bridge So Far - A Suspense Story" im Detail erörtert wird, versucht man jetzt schon seit über fünf Jahren, das Projekt zu verwirklichen.
Nun kann eine so stark genutzte Brücke ja nicht einfach für mehrere Jahre dicht gemacht werden. So entschlossen sich die Planer dazu, die neue Brücke langsam neben der alten hochzuziehen. Am "Labor Day" Feiertagswochenende im September diesen Jahres ersetzten dann die Ingenieure schon einmal ein riesiges Teilstück wie ein Puzzleteil. Das ging natürlich nur ohne Autos auf der Brücke, und die Brücke wurde über das Feiertagswochenende kurzerhand geschlossen, weil traditionell weniger Verkehr an Feiertagen fließt.
Alles klappte auch ganz wunderbar, bis Ingenieure einen Riss im Stahl eines tragenden Elementes entdeckten. Also stabilisierte man den Riss ganz schnell, denn 280.000 Autos warteten nach dem Wochenende bereits in den Startlöchern. Nun hatte ich ja noch nie Vertrauen in amerikanische Bauunternehmer. Irgendwie wirkt alles auf mich immer etwas zusammen geschustert. Und siehe da, am 27. Oktober 2009 segelten die Stahlseile, die das Element mit dem Riss zusammen hielten und entlasteten, im dicksten Berufsverkehr auf die Fahrbahn. Angeblich war der etwas stärkere Wind Schuld, der hier übrigens häufig weht. Trotz des Berufverkehrs gab es nur einen Verletzten, aber die Bay Bridge wurde umgehend für den Verkehr geschlossen und eröffnete erst 6 Tage später wieder. Das Verkehrschaos, das die Schließung nach sich zog, bekamen wir allerdings nicht mit, denn wir weilten gerade in Kanada. Und als wir in einem Restaurant speisten und ein Gast bemerkte, dass wir aus San Francisco kamen, meinte der nur trocken, dass wir froh sein könnten jetzt in Kanada zu sein und nicht zu Hause. Die neu durchgeführten Reparaturarbeiten sollen auch nur wieder eine kurzfristige Lösung darstellen. Ah!!!
Angelika Wer mich schon länger kennt, weiß, dass ich neben Bahlsen-Erdnussflips ein absoluter Fan von Kartoffelchips bin. Ich bemerke hier nur am Rande, dass ich zu meinem 30ten Geburtstag eine Girlande aus 30 Kartoffelchipstüten gespannt bekam. Das sagt doch alles, oder? Allerdings bin ich auch dafür bekannt, etwas pingelig bei der Qualität zu sein, und so mag ich nur bestimmte Sorten, denn Kartoffelchips sind nicht gleich Kartoffelchips. In Deutschland kamen nur die von Funny Frisch auf den Tisch. Ich habe übrigens schon manchen Blindtest bestanden.
In Amerika gibt es natürlich auch ein riesiges Sortiment an Kartoffelchips. Nach jahrelangem Ausprobieren haben sich als meine Favoriten die sogenannten Barbecue-Chips herauskristallisiert. Als Barbecue bezeichnet man hier ja das Grillen und auch Steak isst der Amerikaner gern, in dem er die abgeschnittenen Fleischstücke in Barbecuesoße tunkt. Nun müsst ihr nicht denken, dass die Chips nach gegrilltem Fleisch schmecken. Sie sind einfach sehr würzig mit an Paprikachips erinnerenden Geschmack. Meine absolute Lieblingssorte sind die Hickory Barbecue Potato Chips von Trader Joe's. Die sind nicht nur super gewürzt sondern auch total knusprig. Die Lay's Barbecue Chips kommen auf Platz Nummer 2. Die Chips sind dünner als die vom Trader Joe's, zeichnen sich aber ebenso durch eine fein würzige Note aus.
Angelika Trotzdem wir hier nun schon fast 13 Jahre leben, kommt es immer noch vor, dass uns auf einmal Sachen auffallen, die einfach anders sind. Zu meinem Aufgabenbereich gehört zum Beispiel, Materialen für die autistischen Kinder zu erstellen, mit denen ich arbeite. Nun spielen wir seit geraumer Zeit das sogenannte Ratespiel und da wir für alles Symbolkarten anfertigen, machte ich eine mit einem Fragezeichen drauf. Als ich das Kärtchen allerdings meiner Kollegin zeigte, fragte diese ganz unschuldig, ob ich immer derart lustige Fragezeichen malen würde?
Ich begriff das erst gar nicht, denn seit Jahr und Tag sieht mein Fragezeichen aus wie ein seitenverkehrtes großes "S" mit einem Punkt darunter. Hier in den USA schreiben die meisten es aber eher wie ein nach links unten offenes "U" mit einem ganz geraden Strich nach unten, plus dem darunterliegenden Punkt. Die ganze Geschichte brachte mich so ins Grübeln, dass ich Michael zu Hause tatsächlich fragte, ob er mal eben ein Fragezeichen für mich schreiben könnte. Und siehe da, es sah genauso aus wie meins.
Es muss sich also um einen kleinen aber feinen kulturellen Unterschied handeln. Auch mein großes Druckschrift-"I" belächelt hier so mancher, denn es sieht aus wie eine eckige schließende Klammer, ist also näher am Schreibschrift-I. In den USA kreieren die meisten das gedruckte "I" wie die römische Zahl Eins. Ich dachte erst, dass dies meine persönliche Note sei, denn über die Jahre entwickelt ja jeder seine eigene Handschrift, aber eine Internetrecherche ergab, dass ich das sogenannte bayrische Druckschrift-"I" schreibe, allerdings die ältere Fassung. Hmm, ich bin aber doch in Niedersachsen in die Grundschule gegangen ... vielleicht kann mich mal einer von den Grundschullehrern aus der Leserschaft aufklären.
Es fällt allerdings auf, dass Schreibschrift hier anders aussieht und das scheint tatsächlich neben dem individuellen Stil daran zu liegen, wie das Schreibschriftschreiben in den unterschiedlichen Ländern in der Schule gelehrt wird. Ein faszinierendes Thema. Das fand übrigens auch der Typologe Florian Hardwig, der Schreibschriften aus mehreren Ländern in einem Forschungsprojekt verglich.
Angelika Im Laufe der Jahre sammelt sich im Haushalt schleichend und stetig immer mehr Zeug an. Zum Einlagern des Krempels bietet sich in Deutschland der Dachboden oder der Keller an, sofern man denn ein Haus besitzt. In Amerika baut man Häuser aber in der Regel weder mit Keller noch mit Dachboden, und in der Doppelgarage stehen meist zwei Autos. Also, wohin mit dem Krempel?
Aussortieren wäre eine Möglichkeit, aber wer sich nicht trennen mag, kann seine Sachen auch in einer Lagerhalle ("Storage") unterbringen. Auf Schritt und Tritt begegnen einem hier diese garagenartigen Riesengebäude, in denen sich der Kunde kleine oder auch größere Lagerräume mietet.
Oft stehen diese hässlichen Betonklötze in ländlicheren Gegenden, aber auch in San Francisco mangelt es daran nicht. Freunde berichteten uns, dass ein 4x4x4 Fuß (1,2x1,2x1,2m) großes Kabuff dort etwa $45 im Monat kostet. Nun kann ich ja verstehen, dass man kurzfristig etwas einlagern muss, weil renoviert wird oder ein Umzug ansteht, aber für den täglichen Gebrauch halte ich die Sache doch für etwas umständlich. Wer will sich schon immer ins Auto setzen, um etwas aus dem Lager zu holen! Wahrscheinlich weiß nach einiger Zeit niemand mehr, was eigentlich eingelagert wurde.
Einen besonderen Service bietet die Firma PODS. Sie stellt einen kleinen absperrbaren Container vor der Haustür ab, und man hat 30 Tage Zeit, Krempel hineinzupacken. Ist man fertig, ruft man an, dann kommt ein Laster und bringt den Container in das Storage-Center. Will man den Krempel wieder, ruft man an, und ein Laster stellt den Container wieder vor der Haustür ab. Nicht ganz billig, aber wer sich nicht von seinen nicht gebrauchten Sachen trennen kann, dem bleibt manchmal keine Wahl. Bei uns herrscht allerdings das Prinzip: Was ins Storage-Center käme, wird entweder verschenkt oder wandert in den Müll.
Michael Die monatliche Stromrechnung wird in Amerika üblicherweise nicht als Pauschale abgerechnet, sondern tatsächlich vom Zähler abgelesen und per Kilowatt in Rechnung gestellt. Da unsere Heizung idiotischerweise elektrisch (!) funktioniert, ist der zu zahlende Betrag im Winter etwa doppelt so hoch wie im Sommer.
Um den Zähler abzulesen, geht der Mann der Wasser-, Gas- und Stromwerke genannt "PG&E" (Pacific Gas and Electric), die Gebäude des Stadtviertels mit einem riesigen Schlüsselbund ab, stöbert die Zähler in Garagen oder Hauseingängen auf und liest sie ab. Wo der Zähler nicht zugänglich ist, kann der Kunde auf einer Pappscheibe vor dem Haus mit Zeigern seinen Zählerstand wie in 21 gezeigt einstellen. Einmal im Jahr schaut der Ableser dann im Haus nach und prüft, ob auch niemand geschummelt hat.
Der Ableser kommt nicht immer am gleichen Tag, und so kann der Rechnungsbetrag auch bei konstantem Verbrauch schwanken. PG&E bietet deswegen wahlweise auch ein alternatives Zahlungsverfahren an, mit einer übers Jahr gemittelten monatlichen Pauschale. Das ist für die Amerikaner gedacht, die ihr Gehalt immer bis zum letzten Pfennig ausgeben und die eine kurzfristig höhere Stromrechnung finanziell ins Schleudern brächte.
Michael In den USA ist es durchaus üblich, dass selbst Leute mit guter Krankenkassenversicherung bestimmte Leistungen selbst bezahlen. Ich rede hier nicht nur von der Praxisgebühr im 10-Dollar-Bereich, sondern von Beträgen, die der Patient oft als Selbstbeteiligung im Rahmen seines Vertrages zahlt oder Leistungen, die die Krankenkasse von vorneherein ausschließt oder nur zu einem geringen Anteil trägt, wie Kronen beim Zahnarzt. Da läppern sich übers Jahr leicht mal hunderte oder sogar tausende von Dollars zusammen, und mit einem Trick zahlt man darauf keine Steuern. Und das sind in Kalifornien, wenn jemand spitzenmäßig verdient, schnell mal 30 oder gar 40%, wie wir euch in Rundbrief 11/1999 schon einmal vorgerechnet haben.
Zum Steuernsparen auf medizinische Leistungen bieten Firmen ihren Angestellten deshalb oft einen sogenannten "Flexible Spending Account" (FSA) an. Der Angestellte führt jeden Monat einen fixen Betrag steuerfrei ab und verwendet das Geld ausschließlich für medizinische Ausgaben. Der Teilnehmer erhält dann beispielsweise ein Kärtchen mit dem VISA-Emblem, mit dem er wie mit einer Kreditkarte beim Doktor, im Krankenhaus oder auch in Apotheken und Drogerien bezahlen kann. Damit auch alles mit rechten Dingen zugeht, muss jede Rechnung an den FSA-Anbieter gefaxt werden, die dann die Zahlung autorisieren.
Das Verfahren hat allerdings einen Haken: Eingezahltes Geld muss innerhalb des Kalenderjahres aufgebraucht werden, oder der FSA-Nutzer verliert den Anspruch darauf komplett. Das führt oft dazu, dass Leute am Jahresende noch hektisch eine neue Brille kaufen oder größere Bestände an Heftpflaster anlegen. Auch empfiehlt sich eine ordentliche Buchführung, damit man am Jahresende auch noch den letzten Cent an verfügbarem Geld aus dem Konto herauswringen kann.
Michael Nicht nur Tierlaute sind im Englischen, wie schon einmal in (Rundbrief 07/2006) beschrieben, grundlegend anders als im Deutschen, sondern auch die lautmalerischen Umschreibungen für allerlei Geräusche. Wenn sich zum Beispiel jemand räuspert, schreibt man das als "Harumph!" (gesprochen "härampf!") nieder. Saust in einem Comicstrip ein Hammer auf etwas herunter, um es zu plätten, steht in großen Lettern "Thud!" daneben. Die quietschenden Reifen eines beschleunigenden Autos machen "Wheee", ein Laut, der ebenfalls von begeisterten Kindern, die eine Rutschbahn hinabgleiten oder wahlweise auch nur zynisch Begeisterung heuchelnden Erwachsenen benutzt wird: "Whee, I got a watch for 10 years of service!" ("Suuuper, für 10 Jahre im Dienste der Firma habe ich eine Uhr bekommen!").
Das Wort "Ka-boom!" simuliert, wie man sich denken kann, einen explodierenden Sprengsatz, und auch ein Putzmittel gleichen Namens (Kaboom) existiert. Es eignet sich hervorragend dazu, dunkle Stellen auf den Fliesenfugen der Duschkabine wegzuputzen.
Findet jemand etwas eklig, stößt er den Laut "Eew" aus, das klingt etwa wie "Üuu" und entspricht dem Deutschen "Iih". Weiß ein Vortragender temporär nicht weiter, füllt er die Sprechpause im Deutschen mit "Äh", aber im Englischen schreibt sich das "Umm" und wird "Aomm" gesprochen.
Umm ... und das war's für diesmal. Schöne Grüße aus Kalifornien!
Angelika & Michael
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