(Angelika) Manchmal geschehen in diesem Land tatsächlich Sachen, die ich nie im Leben für möglich gehalten hätte. Anfang April beschlossen die Politiker (Demokraten wie Republikaner), im Bundesstaat Massachusetts ab Juli 2007 eine Krankenkassenplicht für ihre Bürger einzuführen.
Ein historischer Moment, denn das gibt es bisher noch in keinem amerikanischen Bundesstaat. Da das Krankenkassendebakel in den USA immer schlimmer wird, die Zahl der Nicht-Versicherten steigt und die Kosten bei schlechten Bedingungen explodieren, beschloss Massachusetts, die Sache in die eigene Hand zu nehmen. Die Idee ist: Bundesstaaten verplichten ihre Autofahrer ja auch dazu, eine Haftpflichtversicherung abzuschließen, wenn sie ein Auto besitzen. Wieso sollte das anders sein, wenn es um die eigene Gesundheit geht? Hut ab, Massachusetts! Erst die Schwulenehe (Rundbrief 03/2004) und nun die Pflichtkrankenkasse.
Die Details hinsichtlich der Pflichtversicherung sind zwar noch nicht ganz ausgearbeitet, aber im Prinzip muss jeder, der sich eine Krankenversicherung leisten kann, eine abschließen. Bürger, die zu den ärmeren Bevölkerungsschichten gehören, können auf staatlich subventionierte Modelle zugreifen bei gleichzeitiger Erweiterung von Medicaid (Gesundheitsfürsorgeprogramm für einkommensschwache Gruppen, Rundbrief 03/2005).
Viele hoffen nun, dass andere Bundesstaaten dem guten Beispiel von Massachusetts folgen werden. Sollte ich es doch noch erleben, dass irgendwann Krankenkassenplicht in ganz Amerika besteht? Wer von euch übrigens ein gutes Buch über den desolaten Zustand des amerikanischen Gesundheitssystems lesen möchte, sollte sich "Critical Condition" von den Jornalisten Donald Bartlett und James Steele zu Gemüte führen. Das Buch ist allerdings bisher nur auf Englisch erschienen. Im Prolog beschreiben die Autoren zum Beispiel, dass die Preispolitik der Krankenkassen in Amerika einem Supermarkt entspräche, der für eine Schachtel Cornflakes jedem Kunden einen anderen Preis berechnet. Ihr ahnt, dass die Autoren mehr dem liberalen Flügel angehören und sie eine amerikanische nationale Pflichtversicherung befürworten.