Auf Landkreis- und Bundesstaatsebene (County/State) gibt es in Kalifornien ein lebhaftes System von Volksabstimmungen. Andauernd bringen gschaftige Leute Vorschläge für Gesetzesänderungen, so genannte "Propositions" ein. In der Stadt San Francisco stand zum Beispiel jüngst der Vorschlag zur Debatte, den Obdachlosen kein Geld mehr, sondern nur noch Essensmarken zu geben. Von den Interessengruppen werden in solchen Fällen junge Leute angeheuert, die auf den Straßen ortsansässige wahlberechtige Fußgänger anhauen und dazu überreden, ihre Adresse mit Unterschrift auf eine Liste zu setzen. Kommen eine bestimmte Anzahl gültige Unterschriften zusammen, darf bei der nächsten Wahl über den Vorschlag öffentlich abgestimmt werden.
Damit man die zum Teil komplexen Vorschläge nicht immer bis ins kleinste Detail erklären muss, geben die Verantwortlichen ihnen auf Landkreisebene Buchstaben und auf Bundeslandsebene Nummern. So wurde der Vorschlag gegen die Homo-Ehe als "Proposition 22" und das Obdachlosendebakel als "N" geführt. Auf meist an Straßenlaternen aufgehängten Miniwahlplakaten stehen dann Dinge wie "Yes on N, safer Taxies, safer Streets!" und der mündige Bürger muss wissen, was damit gemeint ist.
Die Sitzungen der "Supervisors" werden übrigens live im Fernsehen auf lokalen Kanälen übertragen. Das kommt euch vielleicht total Plemplem vor, aber es ist höchst interessant, diesen extrem schlauen und engagierten Leuten bei diesen übersichtlichen Sitzungen zuzuschauen. Neulich stand in San Francisco ein Vorschlag zur Debatte, dass Restaurants wie in Los Angeles das Ergebnis der letzten Inspektion des Gesundheitsamtes gut sichtbar am Eingang aufhängen müssen: Dort steht dann ein "A", "B" oder ein "C" und der Kunde kann abschätzen, welchem Gesundheitsrisiko er sich beim Betreten des Etablissements aussetzt.
Was mich daran fasziniert, ist, wie freundlich und kollegial diese Leute miteinander umgehen: Es gibt zwar Konkurrenz und politische Spielchen, aber immer wieder wurden die Vertreter des Restaurantgewerbes freundlich mit "You Guys" angeredet, manchmal wurde sogar gelacht und es wird allgemein ausgesprochen sachlich diskutiert. Hut ab vor diesen Leuten, die setzen sich wirklich ein für ihre Stadt in Sitzungen, die oft bis spät am Abend dauern.