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Angelika/Mike Schilli |
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Erst neulich las ich in einem Artikel von William Greider in der Zeitschrift "The Nation" (Rundbrief 12/2002), dass laut einer Umfrage der New York Times und CBS News 42 Prozent der Befragten glaubten, dass Saddam Hussein persönlich für die Anschläge auf das World Trade Center und das Pentagon verantwortlich ist. Die Propaganda zeigt Wirkung. Viele von euch (und übrigens auch unzählige Amerikaner) fragen zu recht: Ja, spinnt denn der Bush? Warum macht er das? Wieso führt der sich wie ein imperialistischer Feldherr auf?
Nicht gerade einfach zu beantwortende Fragen, aber ich versuche mal eine Analyse. Ein kultureller Unterschied zwischen Amerikanern und Europäern ist, dass Amerikaner das Leben in der Regel recht pragmatisch angehen. Probleme löst man möglichst schnell und oft recht unkonventionell. Dabei wägt der Amerikaner nicht immer unbedingt das Für und Wider im Detail ab. Das Problem soll aus dem Weg geschafft werden. Lange Analysen sind überflüssig, Handeln ist gefragt, die damit verbundenen Risiken nimmt man in Kauf. Liegt man falsch mit der Problemlösung, ändert man halt die Strategie.
Diplomatie erfordert hingegen Geduld. Bush besitzt davon wenig. Er sieht Saddam Hussein als Problem an, das er aus dem Weg haben will. Hinzu kommt, dass jedem Amerikaner von Kindheit an ein oft recht naives Weltbild eingehämmert wird, nach dem Motto: Amerika ist das beste Land der Welt mit der großartigsten Demokratie, nur Amerikaner leben in wirklicher Freiheit usw., überspitzt gesagt: Amerika ist gut, beim Rest der Welt lasse man Skepsis walten.
Natürlich denkt nicht jeder Amerikaner so eindimensional, nur leider operiert Bush in den Denkschemata schwarz oder weiß, gut oder böse. Er legt dabei missionarischen Eifer an den Tag: Das Gute (seiner Meinung nach amerikanische Werte und Demokratie im amerikanischen Stil) muss zunächst in den Irak gebracht werden. Und wie schon manche Missionare vor ihm, verrennt er sich in eine Idee und meint jedes Mittel heilige den Zweck. Sein schon fast fundamentalistisch angehauchter Glaube tut ein Übriges.
Bush zählt sich zu den so genannten "Born-again-Christians" (Wiedergeborene Christen), die streng und sehr wörtlich die Bibel auslegen. In Amerika verbergen sich hinter den "Born-again-Christians" in der Regel äußerst rechts eingestellte Gläubige mit strengen Moralvorstellungen. Bush galt übrigens vor seiner Bekehrung als rechter Lebemann, der dem Alkohol sehr zugeneigt war. Lang, lang ist es her!
Zum Schluss noch einige Bemerkungen zu der Kluft zwischen Amerika und Deutschland, da viele von euch sich in Zuschriften an uns besorgt gezeigt haben -- ob wir als Deutsche uns in Amerika überhaupt noch auf die Straße trauen können?
Wie gesagt, wir leben im liberalen San Francisco und die Menschen hier stehen den Ansichten der Deutschen und Franzosen zur Irak-Krise näher als ihrer eigenen Regierung. Niemand unterstützt hier die Politik von Bush. In San Francisco demonstriert die Bevölkerung genauso gegen den Krieg wie in Europa. Als ich letzte Woche in der Dunkelkammer war, sagte eine Amerikanerin zu mir, dass ich doch froh sein könnte, Deutsche zu sein. Sie hingegen würde sich mittlerweile schämen, Amerikanerin zu sein. Sie meinte das ganz ernst. Also, seid gütig zu den Amerikanern, auch sie wollen nicht alle in den gleichen Sack gesteckt werden, nicht jeder steht stramm hinter Bush.
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