![]() |
| Angelika/Mike Schilli |
|
Angelika Wohnraum ist in San Francisco bekanntlich rar und absurd teuer. Daran hat sich, seitdem wir in dieser Stadt wohnen, nichts geändert, und eine Besserung ist auch nicht in Sicht. Besonders heiß begehrt sind Wohnungen, die unter die städtische Mietpreisbindung ("Rent Control") fallen, da sie den Mietern einen besonderen Schutz gewähren. In einer solchen Wohnung leben wir nun schon seit über 20 Jahren.
Grundsätzlich gilt, dass Mietwohnungen in Gebäuden, die vor dem 13. Juni 1979 errichtet wurden, in San Francisco der Mietpreisbindung unterliegen. Einfamilienhäuser und Eigentumswohnungen sind in der Regel ausgeschlossen. Mietpreisbindung bedeutet, dass der Vermieter bei Neueinzügen zwar verlangen darf was er will, aber die Miete anschließend nur einmal im Jahr um einen von der Stadt festgelegten Prozentsatz erhöhen darf; aktuell 1.4% (1. März 2025 bis 28. Februar 2026). Im Vorjahr waren es 1.7%. Der Vermieter kann die Miete alle 12 Monate erhöhen, muss es aber nicht. Versäumte Erhöhungen können später nachgeholt werden, indem der Vermieter die erlaubten jährlichen Erhöhungen aufaddiert, allerdings ohne Zinseszins.
Wie kommt die Stadt nun auf die jährlich erlaubten Prozentsätze? Sie basieren auf dem lokalen Verbraucherpreisindex, und zwar 60% davon. Jedes Jahr, in dem man als Mieter um die Mietpreiserhöhung herum kommt, ist natürlich vorteilhaft. Der Vermieter muss Erhöhungungen 30 Tage vorher ankündigen. Liegt die Erhöhung über 10%, was passieren kann, wenn mehrere Jahre keine Mieterhöhung ins Haus flatterte, erhöht sich die Frist auf 90 Tage. Ihr ahnt es schon. Es gab dieses Jahr für uns eine Mieterhöhung nach acht Jahren. Gurgel.
Kaum hatten wir das verdaut, klebte dann Mitte Juni plötzlich ein Brief bei uns an der Tür. Ein ortsansässiger Makler kündigte an, dass unser Mietshaus verkauft werden soll, und dafür eine Wohnungsbesichtigung nötig sei. In San Francisco gilt, dass Wohnungsbegehungen mindestens 24 Stunden vorher anzukündigen sind. Dem Schreiben lagen auch ein Fragebogen und Erklärungen unserer Mieterrechte bei. Dazu gleich mehr. Den Verkauf hatten wir befürchtet und kommen sehen, da unser Vermieter Gus, der das Haus Anfang der 70er Jahre selbst gebaut hatte, vor einiger Zeit mit weit über 90 gestorben war. Gus hatte sehr an dem Haus gehangen und hat auch im hohem Alter immer nach dem Rechten gesehen. Ein sehr interessanter Mann, unser Gus. In ganz jungen Jahren zog es ihn aus der Schweiz nach San Francisco, und er lebte tatsächlich noch den amerikanischen Traum, denn er kaufte Grundstücke und baute Häuser, und war damit sehr erfolgreich. Schon vor einigen Jahren hatte er die Verwaltung unseres Hauses an eine seiner Töchter übertragen. Und uns war klar: Sie würde das Haus verkaufen, sobald Gus nicht mehr widersprechen konnte.
Meiner Meinung nach muss derjenige, der unser Mietshaus kauft, etwas verrückt sein, denn an dem Haus ist schon jahrelang nichts mehr gemacht worden. Unser Fahrstuhl fällt zum Beispiel regelmäßig aus und die Wasserrohre in der Garage tropfen immer wieder, sodass riesige Pfützen entstehen. Aber Michael sagt immer, am Ende ist alles eine Frage des Preises.
Nun genießen Mieter in einem Gebäude mit Mietpreisbindung beim Hausverkauf erweiterte Rechte. Der Käufer darf bestehende Mietverträge nicht einfach ändern oder Mieter hinauswerfen, auch die Regeln bezüglich Mieterhöhungen bestehen fort. Mieter können in der Regel auch nicht gezwungen werden, ein sogenanntes Estoppel-Zertifikat auszufüllen und zu unterschreiben. Was verbirgt sich nun hinter Estoppel? Estop heißt übersetzt "verhindern" oder auch "unterbinden". Es ist ein Formular, in dem die derzeitigen Mietkonditionen aufzulisten sind. Wann ist der Mieter eingezogen, welche Kaution hat er gezahlt, gibt es einen Garagenplatz und wenn ja welcher, hat der Mieter Veränderungen oder Verbesserungen an der Wohnung vorgenommen und sie selbst bezahlt? Ist dieses Formular ausgefüllt und unterschrieben von den Mietern, gilt es als bindend und die Mieter können hinterher nicht einfach etwas anderes behaupten oder einklagen. Dies gilt dann allerdings auch, wenn etwas auf dem Formular nicht erwähnt wurde. Deshalb streiten sich die Rechtsgelehrten ein wenig darüber, ob es vor- oder nachteilig ist, dieses Formular auszufüllen. Steht im Mietvertrag, dass es auszufüllen ist, kommt man eh nicht drum herum.
Da im Estoppel aber auch Dinge aufgelistet werden, über die es nur mündliche Absprachen gab, über die der neue Vermieter aber Bescheid wissen sollte, damit sie auch weiterhin gelten, schienen uns die Vorteile zu überwiegen, und wir füllten es brav aus. Ein weiteres wichtiges Formular, das man ausfüllen sollte, betrifft die Frage, ob man zu einer "Protected Class" gehört. Denn Mieter, die unter diese besonders geschützte Kategorie fallen, können bei einem Eigentümerwechsel nicht wegen Eigenbedarfs gekündigt werden. Dazu zählen: 1) Mieter ab 60 Jahren, die seit mindestens 10 Jahren dort wohnen. 2) Mieter mit Behinderungen, die ebenfalls seit mindestens 10 Jahren dort wohnen. 3) Mieter mit schweren, lebensbedrohlichen Erkrankungen, die seit mindestens fünf Jahren in der Wohnung leben. Schätzungsweise die Hälfte der Mieter in unserem Haus fällt unter diese Kategorien.
Wenn ein Haus zum Verkauf steht, findet in den USA das sogenannte "Staging" statt, das heißt, die Wohnungen werden mit schicken Möbeln drapiert und tolle aufgemotzte Fotos geschossen, damit sich das Haus besser und teurer verkauft. In einem Mietshaus, in dem Leute wohnen, ist das natürlich etwas schwieriger, aber der Makler gab trotzdem sein Bestes. Die Wohnung von unserem Nachbarn wurde fotografiert und ein paar allgemeine Verschönerungsversuche standen auf dem Programm. In unserer Eingangs-Lobby unten gab es zum Beispiel diese Holzvertäfelung der Wand, die da sicher schon prangte, als das Haus gebaut wurde. Rigoros riss man sie raus und strich die Lobby in so einem leuchtendem Weiß, dass ich jetzt immer ganz geblendet bin, wenn ich durch die Haustür trete. Auch die Wände säuberte man mit einem Hochdruckwasserstrahler. Allerdings wurden wir darüber nicht informiert, sodass auf einmal der Dreck durch die Wohnungstürritzen spritzte, weil die Türen nicht mehr richtig schließen. Gott sei dank waren wir zu Hause und konnten alles gleich mit Handtüchern verhängen und aufputzen.
Aber wieviel soll unser Haus nun kosten? Schlappe 7.9 Millionen Dollar. Für San Francisco ist das gar nicht mal soviel, denn die kleinste "Hundehütte" kostet hier inzwischen über eine Million. Damit potentielle Käufer wissen, welche Mieteinnahmen sie erwarten können, erstellt der Makler eine sogenannte "Rent Roll"-Liste, die online einsehbar ist. Darin steht nicht nur jede einzelne Wohnung mit Apartmentnummer, sondern auch, wie viel Miete der jeweilige Mieter zahlt, seit wann er dort wohnt, und wie hoch die Miete wäre, wenn die Wohnung frei würde. Denn nur im Falle eines Auszugs darf der Vermieter die Miete auf den aktuellen Marktpreis anheben, auch bei Wohnungen mit Mietpreisbindung. Datenschutz? Kennt der Amerikaner nicht. In unserem Haus rangieren die Mieten von 679 bis 4.500 Dollar. Das hängt einerseits von der Wohnungsgröße ab, andererseits davon, wie lange die jeweiligen Mieter schon hier wohnen. Einige unserer Nachbarn sind mit der Fertigstellung des Hauses eingezogen und zahlen entsprechend wenig.
Auf jeden Fall nervt das Ganze trotz aller Absicherungen enorm. Ständig will jemand in die Wohnung. Neulich hing schon wieder ein Zettel an der Tür, auf dem stand, dass nächste Woche Reparaturarbeiten durchgeführt werden. Und wer weiß, wer das Haus am Ende kauft. Für den Vermieter ist es natürlich am lukrativsten, wenn die Langzeitmieter ausziehen, dann lässt sich der Mietpreis an den Markt anpassen. Wir haben schon Horrorgeschichten darüber gehört, mit welchen Methoden Mieter herausgedrängt werden. Und auf einer Dauerbaustelle möchte ich jedenfalls nicht leben. Aber umziehen ist auch keine Option, eine vergleichbare Wohnung würde locker das Doppelte kosten.
|
|
|
|
|
Rundbriefe 1996-2016 als PDF:
Jetzt als kostenloses PDF
zum Download.
Spezialthemen:
| USA: | Schulsystem-1, Schulsystem-2, Redefreiheit, Waffenrecht-1, Waffenrecht-2, Krankenkasse-1, Krankenkasse-2, Medicare, Rente, Steuern, Jury-System, Baseball, Judentum |
| Immigration: | Visa/USA, Warten auf die Greencard, Wie kriegt man die Greencard, Endlich die Greencard, Arbeitserlaubnis |
| Touren: | Alaska, Vancouver/Kanada, Tijuana/Mexiko, Tokio/Japan, Las Vegas-1, Las Vegas-2, Kauai/Hawaii, Shelter Cove, Molokai/Hawaii, Joshua Nationalpark, Tahiti, Lassen Nationalpark, Big Island/Hawaii-1, Big Island/Hawaii-2, Death Valley, Vichy Springs, Lanai/Hawaii, Oahu/Hawaii-1, Oahu/Hawaii-2, Zion Nationalpark, Lost Coast |
| Tips/Tricks: | Im Restaurant bezahlen, Telefonieren, Führerschein, Nummernschild, Wohnung mieten, Konto/Schecks/Geldautomaten, Auto mieten, Goodwill, Autounfall, Credit Report, Umziehen, Jobwechsel, Smog Check |
| Fernsehen: | Survivor, The Shield, Curb your Enthusiasm, Hogan's Heroes, Queer Eye for the Straigth Guy, Mythbusters, The Apprentice, The Daily Show, Seinfeld |
| Silicon Valley: | Netscape-1, Netscape-2, Netscape-3, Yahoo! |
| San Francisco: | SoMa, Mission, Japantown, Chinatown, Noe Valley, Bernal Heights |
| Privates: | Rundbrief-Redaktion |