08.11.2022   Deutsch English

  Rundbrief Nummer 145  
San Francisco, den 08.11.2022


Abbildung [1]: Das Interview findet im Immigration-Gebäude in San Francisco auf der Sansome Street statt.

Angelika Am 7. Februar hatten wir unsere Interviews bei der Einwanderungsbehörde in San Francisco, zeitversetzt um zwei Stunden. Michael war um 12:30 Uhr dran und ich um 14:30 Uhr. Übrigens ist das durchaus nicht die Norm, dass Verheiratete am gleichen Tag ins Interview gehen, aber wir hatten diesbezüglich Glück. Als ich dran war, hatte Michael das Interview schon hinter sich und den Einbürgerungstest bestanden. Wir trafen uns auf der Straße vor dem Gebäude, und Michael konnte mir noch schnell ein paar Tipps geben. Auch musste er wie üblich sein kleines Taschenmesser aus einem Blumenkübel um die Ecke holen, denn mit einem Messer, sei es noch so klein, durfte man nicht in das Gebäude, da wir alle durch einen Sicherheitsscheck und durch einen Metalldetektor mussten. Was ich diesbezüglich schon mit Michael und seinen Messern am falschen Ort mitgemacht habe, könnte auch schon einen Rundbrief füllen. Aber ich schweife ab.

Wegen der Coronabeschränkungen durften wir erst 15 Minuten vor unserem Termin ins Gebäude. Der Sicherheitscheck ging ruck zuck. Mittlerweile darf man auch sein Handy ins Gebäude mitnehmen. Das war bei unserer Greencard damals noch anders. Zunächst zeigte ich bei der Anmeldung mein Schreiben mit dem Termin. Ich wurde dann in einen Wartebereich geschickt, wo schon mehrere Menschen ausharrten. Ziemlich schnell rief mich eine freundliche Dame auf, die sich meinen deutschen Pass und meine Greencard ansah. Dann führte sie mich in ein Zimmer mit einem Schreibtisch. An dem Schreibtisch saß allerdings kein Mensch, sondern es stand ein iPad auf dem Scheibtisch. Ja, ihr habt richtig gelesen! Ich hätte wahrscheinlich etwas dumm aus der Wäsche geschaut, aber Michael hatte mich natürlich schon vorgewarnt, dass das Interview virtuell ablaufen würde. Übrigens nicht nur wegen Covid, wie mir der Beamte, der das Interview leitete, später erklärte, sondern auch um effizienter zu sein. So können die Interviewer an anderen Orten sitzen. Meiner befand sich in Los Angeles.

Die Dame, die mich in das Büro geführt hatte, aktivierte zunächst das iPad und der Beamte erschien auf dem Bildschirm und stellte sich vor. Ich hielt meinen kalifornischen Führerschein vors iPad, um mich auszuweisen und musste dann zunächst stehend mit erhobener rechter Hand schwören, die Wahrheit zu sagen. Zunächst tauschte der Beamte ein paar Freundlichkeiten mit mir aus. Standardmäßig wird auch noch abgefragt, ob der zu Interviewende einen Übersetzer braucht, was ich immer besonders nett finde, da wir uns ja schon die ganze Zeit auf Englisch unterhalten hatten. Der Beamte klärte mich dann auf, dass ich den Lese- und Schreibtest aufgrund meines Alters nicht mehr zu machen brauchte. Hmmm. Der Test ist aber super einfach. Man muss nur einen englischer Satz, der vom Beamten vorgesprochen wird, aufschreiben, und einen gedruckten Satz vorlesen. Hier ist ein Beispiel: Lesen: "What do we pay the government?" Schreiben: "We pay taxes."

Abbildung [2]: Praktisch zum Lernen der Fragen: Flashcards.

Bei mir ging es dann gleich mit den Fragen zum Einbürgerungstest los. Es gibt einen öffentlich bekannten Katalog mit 100 Fragen, der sich mit der Geschichte der USA, dem Aufbau der Regierung und wichtigen staatsrechtlichen Prinzipien, sowie den Rechten und Pflichten amerikanischer Staatsbürger beschäftigt. Beim Interview werden zehn zufällige Fragen aus dem Katalog gestellt. Sechs von zehn Fragen müssen korrekt beantwortet werden, dann hat man bestanden. Wer es schafft, sechs Fragen hintereinander richtig mündlich zu beantworten, dem werden die letzten vier Fragen nicht mehr gestellt.

Nicht nur die Fragen sondern die Antworten sind standardisiert. Man sollte die Antworten dann auch genau so wiedergeben und nicht ausschmücken. Eine Anwärterin fiel mal durch den Test, weil sie eine Spezialistin bezüglich Martin Luther King war und dem Beamten einen langen Vortrag hielt. Der hatte aber nur die kurze Antwort "Martin Luther King" hören wollen. Es gibt dann auch alle möglichen Materialen, mit denen der Anwärter vorab üben und sich vorbereiten kann. Von klassischen vorgedruckten Karteikarten bis hin zu einer Telefon-App mit den Testfragen. Auch wenn einige Fragen leicht zu beantworten sind, wie zum Beispiel wie der Präsident der USA heißt, gibt es andere, die wir uns durchaus einzuprägen hatten, vor allen Dingen einige wichtige Jahreszahlen, wie zum Beispiel wann die amerikanische Verfassung niedergeschrieben wurde. Wochen vor dem Interview fragten wir uns gegenseitig immer wieder mit Hilfe der Karteikarten ab, oder übten mit der App. Hier sind die Fragen, die ich beantworten musste. Na, hättet ihr die Antworten gewusst?

* What does the Constitution stand for? [Was setzt die amerikanische Verfassung fest?] Sets up government, defines the government, protects basic rights of Americans. [Stellt die Regierung auf, definiert die Regierung, schützt die Grundrechte von Amerikanern.]

* What ocean is on the East Coast of the United States? [Welcher Ozean befindet sich an der Ostküste der Vereinigten Staaten?] The Atlantic Ocean. [Der Atlantische Ozean.]

* What is the capitol of your state? [Was ist die Hauptstadt Ihres Bundesstaates?] Sacramento

* There were 13 original colonies. Name 3. [Es gab 13 ursprüngliche Kolonien. Nennen Sie 3.] North Carolina, Virginia, Maryland.

* Name one right only for United States citizens. [Nennen Sie ein Recht, das nur für amerikanische Staatsbürger gilt.] Vote in a federal election. [Wählen in einer Bundeswahl.]

* Who was President during the Great Depression and World War II? [Wer war Präsident während der Weltwirtschaftskrise und des Zweiten Weltkrieges?] Franklin Roosevelt

Übrigens hatten wir Glück, dass wir nicht 128 Fragen und die dazugehörigen Antworten zu lernen hatten. Als Trump Präsident war, befand der nämlich, dass der Fragenkatalog mit den 100 Fragen zu einfach wäre und beschloss kurzer Hand, dass von Ende 2020 an zusätzlich 12 von 20 Fragen aus dem neuen umfangreicheren Fragenkatalog richtig zu beantworten wären, um Staatsbürger zu werden. Allerdings rollte Präsident Biden dies gleich wieder zurück, was uns zugute kam. Ich wüsste schon zugern, ob Trump den Test überhaupt bestehen würde. Eine Studie von 2018 hat nämlich herausgefunden, dass nur 36% der Amerikaner das schaffen würden. Ich machte übrigens aus Spaß an der Freud den Test mit meinen Schülern, und die hätten ihn glatt bestanden.

Abbildung [3]: Vor der Einschwörung muss die Greencard abgegeben werden.

Nach dem Test ging der Beamte mit mir meinen Antrag durch und prüfte einige Fragen aus dem Antrag noch einmal ab. Das wird gemacht, um festzustellen, ob der Anwärter den Antrag selbst und wahrheitsgemäß ausgefüllt hat. Mich fragte der Beamte zum Beispiel, wo ich arbeite und was ich genau mache, ob ich verheiratet bin, was mein Mann beruflich macht, ob ich immer eine Steuererklärung abgegeben habe, oder in welchen Vereinen oder anderen Verbänden ich Mitglied bin. Und: Was das mit meinem Strafmandat auf sich hatte und was das Verkehrsdelikt war? Das wird euch jetzt vielleicht erstaunen, aber eine Frage im Antrag lautete: "Have you ever been arrested, cited, or detained by any law enforcement officer (including any immigration official or any official of the U.S. armed forces) for any reason?" [Sind Sie schon jemals aus irgendeinem Grund verhaftet worden, haben ein Strafmandat bekommen, oder sind durch irgendeinen Gesetzeshüter (einschließlich eines Beamten der Einwanderungsbehörde oder der amerikanischen Streitkräfte) verhaftet worden?]

Auf Internetforen gibt es zu dieser Frage lange Debatten, weil viele wissen wollen, ob man Vergehen wie zu schnelles Fahren oder ähnliches überhaupt angeben muss. Aber das Buch, das wir uns zum Thema amerikanische Staatsbürgerschaft von dem renommierten Verlag "Nolo", der sich auf rechtliche Themen spezialisiert hat, gekauft hatten, riet dazu. Ich war ja vor vielen Jahren einmal links abgebogen, wo ich es nicht hätte dürfen, und Michael hatte mal an einer roten Ampel vor dem erlaubten Rechtsabbiegen nicht richtig gestoppt. Beide hatten wir damals ein Strafmandat bekommen und es auch bezahlt. In unseren Interviews hakten unsere jeweiligen Beamten kurz nach, was es damit auf sich hätte, und um welche Art von Verkehrsdelikt es sich handelte, aber dann war die Sache gegessen. Strafmandate wegen Falschparkens muss man übrigens nicht angeben. Das würde dann wohl doch den Rahmen gehörig sprengen. Michael musste auch Auskunft über seine Zeit bei der Bundeswehr geben. Hier ist die Frage dazu aus dem Antrag: "Did you ever receive any type of military, paramilitary, or weapons training?" [Haben Sie jemals eine militärische, paramilitärische oder eine Ausbildung an der Waffe erhalten?]

Abbildung [4]: Angelikas Schüler fiebern mit.

Da ich meinem Beamten erzählt hatte, dass Michael schon durch war mit seinem Interview und um 15 Uhr eingeschworen werden sollte, versuchte er mit aller Kraft, mich auch noch in die Nachmittagszeremonie zu schleusen und das Interview zu beschleunigen. Er sagte dann etwas salopp, dass er die Nazifrage überspringen werde, weil ich ja damals noch nicht geboren war. Bei der Frage geht es darum, ob der Antragsteller zwischen dem 23. März 1933 und dem 8. Mai 1945 Teil des Naziregimes war. Wir mussten beide auch noch angeben, ob, wann und wielange wir nach der Antragstellung außer Landes waren, zum Beispiel für Deutschlandbesuche. Mein Beamter wollte auch noch wissen, warum wir solange mit der Beantragung der Staatsbürgerschaft gewartet hätten. Ich antwortete etwas schwammig und schon druckte er das Formular aus, das bestätigte, dass ich bestanden hätte, und zur Einschwörung zugelassen war. Leider schaffte ich es aber dann doch nicht zur Veranstaltung um 15 Uhr, weil die bereits ausgebucht war.

Lustig war auch, dass von Michael beim Interview ein neues Foto für die Einbürgerungsurkunde gemacht wurde, von mir aber nicht. Das sorgte mich erst etwas, weil ich dachte, das hätte man in der Eile vergessen. Es stellte sich dann aber heraus, dass mein zehn Jahre altes Greencard-Foto, das im System eingespeichert war, noch gut genug war. Ich muss mich also gut gehalten haben. Auf diversen Internetforen raten Leute übrigens immer wieder dazu, noch zusätzliche Sachen mitzuschleppen zum Interview, von Passfotos über Steuererklärungen. Das ist aber alles Quatsch. Auf der Einladung zum Interview stand bei uns eindeutig aufgelistet, was mitzubringen war und mehr brauchten wir auch nicht: Einladung zum Interview, Green Card, und die Pässe mit allen Einreisestempeln in die USA. Ich brachte daraufhin auch alle abgelaufenen mit, die Stempel hatten, aber die wollte auch kein Mensch sehen, nur den gültigen deutschen Pass.

Abbildung [5]: Angelikas Schüler wünschen viel Glück.

Ich wartete dann auf Michael. Und nach dem obligatorischen Foto gingen wir aus, um doch ein wenig zu feiern, und zwar in das Restaurant "Coqueta" am Embarcadero am Wasser, wo wir bei strahlendem Sonnenschein draußen saßen und Sekt schlürften. Wenn schon, denn schon.

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Letzte Änderung: 09-Nov-2022