Angelika Wir wandern ja gerne und eines unserer Lieblingsnaturschutzgebiete, das nur etwa eine gute Autostunde nördlich von San Francisco entfernt liegt, ist Point Reyes (Rundbrief 04/2006). Wir fahren dort regelmäßig hin, seitdem wir es 1994 auf einer unserer Westküstenreisen entdeckt haben. Seit wir in San Francisco wohnen, liegt es für uns ja sozusagen vor der Haustür. Mittlerweile erfreut sich Point Reyes immer größerer Beliebtheit und ist leider kein Geheimtipp mehr. Noch vor 10 Jahren passierte es uns öfter, dass Leute verwundert fragten, wo denn Point Reyes überhaupt sei, wenn wir berichteten, dass wir dort hinfuhren. Point Reyes ist mittlerweile besonders bei Tagesausflüglern aus San Francisco und der Bay Area beliebt, weil es eben schnell zu erreichen ist und wunderschöne Wanderwege mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden und Längen bietet.
Trotz der stetigen Beliebtheit findet man aber immer noch Wege, die nicht überlaufen sind. Allerdings machten wir an dem Wochenende, als wir wieder einmal Point Reyes besuchten, den Fehler, uns auf einen Wanderweg zu begeben, der zu einem Wasserfall führt, der sich auf den Strand ergießt. Das ist natürlich ohne Zweifel ein einzigartiges Naturschauspiel, aber wir wollten gar nicht zum Wasserfall, sondern nur zum Bass Lake, der auf der Strecke liegt.
Den Weg waren wir vor vielen Jahren schon einmal gegangen, und wir waren dieses Wochenende einfach ein wenig sentimental und wollten den Wanderweg mit spektakulären Ausblicken auf den pazifischen Ozean noch einmal genießen. Dass wir eine Meile weit weg parken mussten, um überhaupt an den Eingang des Wanderwegs zu kommen, hätte uns zu denken geben sollen. Es gab nämlich am offiziellen Parkplatz keine Parkplätze mehr. Ein weiterer Hinweis war, dass Bedienstete von Point Reyes bereits den Verkehr regelten und den Autofahrern Parkplätze zuwiesen. Das schreckte uns zunächst jedoch noch nicht ab, denn an Wanderwegen sind die Parkplätze oft begrenzt und die Massen verlaufen sich dann doch schnell. Dieses Mal wurden wir aber leider eines Besseren belehrt, denn es blieb voll und der Strom der Wanderer aus beiden Richtungen riss nicht ab.
Wir kamen uns vor wie in Disneyland. Schockierenderweise ließ jede dritte Wanderergruppe Musik aus dem Handy tröten, nicht etwa über Kopfhörer, sodass der Rest der Bevölkerung nicht mithören musste. Nein, über Lautsprecher hallte es in die Natur hinein, was total blechern klingt, wenn man dafür das Handy benutzt. Ich hab echt gedacht, dass ich im falschen Film bin, denn bei all den vielen Wanderungen, die wir bisher gemacht haben, war uns dieses Phänomen noch nicht begegnet. Ich höre wirklich gern Musik, aber alles zur seiner Zeit. Ich muss mich nicht beschallen lassen, wenn ich mich in der Natur bewege.
Ich war über das Erlebnis so verwirrt, dass ich ein wenig recherchierte und tatsächlich war das Internet voll von Beschwerden, dass sich diese Unsitte des lauten Musikhörens auf Wanderwegen immer mehr ausbreitet und schon die ersten Schilder auf beliebten Wandergebieten erschienen sind, dass man das bitte unterlassen solle. Schon traurig, dass man dafür extra Schilder braucht. Am nächsten Tag suchten wir uns einen weniger beliebten Wanderweg aus und, siehe da, außer dem Rauschen des Ozeans, dem Vogelgezwitscher und dem Rascheln im Unterholz, als sich eine Schlange entfernte, sowie dem Trappeln einiger weniger Wanderlustiger hatten wir den Weg in aller Stille für uns allein.