Angelika/Mike Schilli |
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Michael Einmal pro Woche spiele ich mit weiteren Hobbykickern in einer Fußballmannschaft ein gepflegtes sogenanntes Pickup-Spiel. Wer Zeit zum Mitspielen hat, trägt sich über das Internet auf der Liste ein, ein ehrenamtlicher Organisator mietet bei der Parkverwaltung der Stadt San Francisco ein Kunstrasenfeld, und schon ist eine gute Stunde Gaudi gesichert. Es wurden sogar schon Youtube-Videos von meinen Torknipserkünsten geschossen!
Die Abteilung "Recreation and Parks" der Stadt San Francisco kümmert sich um die Wartung aller städtischen Bolzplätze. Buckelpistenartige Rasenflächen im Golden Gate Park dürfen fußballbegeisterte Bürger kostenlos nutzen, doch für die "Astro-Turf" genannten Kunstrasenplätze will die Stadt Geld sehen. Bis vor fünf Jahren war nun der Spielplatz an der Ecke Valencia und 20th Street im Stadtteil Mission ein Betonplatz, auf dem vor allem Südamerikaner bis spät in die Nacht spielten. Betonfussball auf engstem Raum ist viel schneller als Rasenfußball und kommt so der von der WM bekannten südamerikanischen Spieltechnik entgegen: Viel tricksen, dribbeln, nur in Ausnahmefällen abgeben, und im Zweifelsfall selber aufs Tor schießen auch wenn die Treffwahrscheinlichkeit gegen Null geht.
Der kostenlos bespielbare öffentliche Platz im Mission-Viertel erfreute sich bis spät in die Nacht hinein großer Beliebtheit und die Südamerikaner hielten sich an die Spielregeln aus der Heimat: Kommt eine Mannschaft von fünf bis sieben Spielern an, die aus Platzgründen nicht mehr auf die Spielfläche passt, stellt sie sich am Spielfeldrand auf und ruft "Reta!" Nach den Regeln des südamerikanischen Hinterhoffußballs wechselt die neue Gruppe dann sofort aufs Spielfeld, falls eine der beiden spielenden Mannschaften ein Tor schießt. Die Verlierer müssen runter, die Torschützen bleiben. Und beim nächsten Tor geht die Rotation nach dem gleichen Verfahren weiter, wobei neu ankommende Gruppen als nächste reinkommen.
Doch nach der Umwandlung des Betonfelds in einen Kunstrasenplatz vor einigen Jahren bestimmte die Stadt, dass dieses "freie Spiel" nun nur noch montags, mittwochs und freitags stattfindet, während sie dienstags und donnerstags den Platz für $27 pro Stunde an zahlende Mannschaften vermietet, die ihn dann exklusiv nutzen dürfen. Das klingt in der Praxis vernünftig, denn irgendwie muss das Geld für die Instandhaltung ja wieder zurück ins Stadtsäckel fließen, aber leider liest in San Francisco niemand aufgestellte Schilder. Also spielen die Stammspieler aus dem Viertel natürlich auch an den Tagen, an denen der Platz vermietet ist. Kommt die zahlende Kundschaft dann am frühen Abend an, wedelt mit der Quittung (Abbildung 3) und will auf den Platz, geht das Gezeter los.
Sind die zahlenden Spieler dann auch noch weiße Software-Techies und die Platzbesetzer Latinos aus der Nachbarschaft, sind letztere schnell mit dem Argument bei der Hand, dass ihnen die Zugereisten nichts vorzuschreiben hätten. Ich habe schon chaotische Spiele erlebt, während denen zwei zahlende Mannschaften gegeneinander spielten und gleichzeitig eine dritte Gruppe von aufsässigen Leuten herumbolzte. Die Parkverwaltung sackt zwar die Gebühren ein, ist aber entweder zu faul oder zu feige, einen Hausmeister abzustellen, der dafür sorgt, dass die Benutzungsregeln auch eingehalten werden. Einmal weigerte sich ein gschaftlhuberischer Jugendtrainer, den Spielbetrieb einer Gruppe von 20 Kindern zur vereinbarten Zeit zu beenden, und drohte, alles mit seinem Mobiltelefon zu dokumentieren, falls wir auf der uns von der Parkverwaltung zugesicherten Spielzeit bestünden, und es unter dem Titel "Reiche weiße Software-Techies nehmen unterpriviligierten Arbeiterkindern den Spielplatz weg" an die Lokalzeitung weiter zu leiten.
Nachdem die Softwarebranche in San Francisco eh schon in dem Ruf steht, die angestammten Einwohner zu vertreiben, weil blutsaugende Vermieter durch rechtliche Winkelzüge Geringverdiener rauswerfen, die Mieten hochtreiben, und Softwarefritzen reinsetzen, muss man da vorsichtig operieren. Nicht dass die Hippie-Wutbürger des Blockierens der Google-Busse (Abbildung 4 und Rundbrief 02/2014) müde werden und auch noch uns Fußballfreunde am Spiel hindern! An diesem denkwürdigen Abend ließen wir den Grattler halt weitermachen. Mittlerweile buchen wir weniger umstrittene Felder, bis die Stadt San Francisco ihre Abteilung "Recreation and Parks" auf Vordermann bringt.
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