15.06.2014   Deutsch English

  Rundbrief Nummer 107  
San Francisco, den 15.06.2014


Abbildung [1]: Mit dem Wetsuit im kalten Pazifik bei San Francisco.

Michael Wie ihr vielleicht wisst, habe ich mir im Februar und März eine zweimonatige Auszeit bei Yahoo genehmigt und Surfen gelernt. Zunächst fuhr ich fast jeden Tag nach Pacifica (20km südlich von San Francisco) und stieg mit meinem Alaska-tauglichen Wetsuit und einem gekauften Schaumstoffboard ins Wasser. Während eines darauf folgenden dreiwöchigen Urlaubs auf Hawaii habe ich dann die Strände auf der Insel Oahu, hauptsächlich um Waikiki herum, surftechnisch erkundet.

Abbildung [2]: Michael paddelt wie in Wilder, damit er die Welle bekommt.

Mittlerweile klappt's ganz gut mit dem Surfen, ich kann zwar noch keine Monsterwellen fahren, aber nehme schon die ein oder andere Welle mit und fahre darauf stolz stehend Richtung Strand. Ich konnte es kaum fassen, wieviel es da zu lernen gab! Man muss ungefähr fünf Dinge gleichzeitig machen, sonst paddelt man hilflos stundenlang im Wasser herum, ohne auch nur einmal aufzustehen. Deswegen schildere ich heute mal meine Erfahrungen, damit ihr auch wisst, wie das geht.

Abbildung [3]: Der Herr der sieben Meere auf Hawaii. Wird Michael auf seine alten Tage noch ein begnadeter Surfer?

Was mir vor meinen Surfversuchen gänzlich unbekannt war, ist, warum Wellen überhaupt entstehen und dann brechen. Hiermit lüfte ich das Geheimnis: Sie entstehen in Stürmen, die oft kilometerweit entfernt im Ozean peitschen und rollen dann in sogenannten "Sets" Richtung Strand. Ein "Set" besteht aus etwa fünf oder mehr Wellen, die im Abstand von etwa 20 Sekunden nacheinander heranrollen, und dann ist meist ein paar Minuten Pause.

Paddelt man raus auf den Pazifik, und es geht gerade ein Set durch, ist es gar nicht so einfach, durch die hereinbrechenden Wellen zu kommen, denn die werfen Mann und Surfboard oft wieder zurück Richtung Strand, oder, wenns ganz blöd kommt, krachen sie über einem runter und halten den Surfer unter Wasser in einer Strömung fest, aus der es für kurze Zeit kein Entrinnen gibt. Bei kopfhohen Wellen kann der sogenannte "Hold-Down" schon mal 5-10 Sekunden dauern. Da heißt es, Luft anhalten und die Nerven nicht verlieren, denn die Strömung legt sich über kurz oder lang wieder und man kann wieder auftauchen, Luft schnappen und weiter paddeln. Erfahrene Surfer verhindern solche Situationen, in dem sie schnell auf die herankommende Welle zupaddeln, und kurz vor dem Zusammenbruch mittels des sogenannten "Duck-Dive-Manövers" darunter wegtauchen. Dann peitscht die Strömung über den Surfer drüber, der nach der Welle auftaucht und weiter paddelt. Irgendwann erreicht man dann einen Bereich, in dem die Wellen nicht mehr brechen, sie heben nur noch sanft das Board und sausen darunter durch, ohne einen mitzureißen. Dort, im sogenannten "Line-up" liegen die Surfer dann faul auf ihren Brettern rum und warten auf die perfekte Welle.

Abbildung [4]: Auf kleinen Wellen kann ich schon fahren.

Eine Welle ist nur dann zum Surfen geeignet, wenn sie gerade dabei ist, einzubrechen. Und zwar nicht gleichmäßig, sondern langsam von links nach rechts (vom Strand aus gesehen, sogenannte "Lefts") oder umgekehrt ("Rights"). Klappt die Welle gleichmäßig ein, kommt also die Schaumkrone auf die ganze Breite verteilt gleich schnell herunter, handelt es sich um einen sogenannten "Closeout", was bei größeren Wellen einen "Wipeout" des Surfers zur Folge hat, den es total zerlegt, weil die Welle auf ihn herunter kracht.

Ein geübter Surfer fährt auf einer Welle immer auf der Flucht vor der sich seitlich nähernden Schaumkrone davon. Holt der Schaum ihn ein, fängt das Brett total zu vibrieren an und ist kaum mehr zu kontrollieren, ein Sturz ist meist die Folge. Anfänger lernen aber gerade in diesen Schaumkronen das Aufstehen, den sogenannten "Pop-Up", indem sie wild lospaddeln, von der Schaumkrone erfasst werden, was das Board beschleunigt, um dann in einem Satz auf die Füße und in die Hocke zu springen. Fortgeschrittene springen aufs Board, nachdem letzteres durch zügiges Paddeln und die Gravitationskraft in der sich aufbäumenden, aber noch nicht zusammengebrochenen Welle beschleunigt. Es ist jedesmal ein fast spirituelles Ereignis, wenn es klappt, die Schubkraft der Welle ist gewaltig und kommt scheinbar aus dem Nichts, und wenn man es schafft, aufzustehen, fährt man weiter und weiter und weiter, kann es gar nicht fassen, dass es so etwas gibt, und fühlt sich wie der Herrscher der Welt. Vom Zusehen allein kann man sich das gar nicht vorstellen, das muss man echt selbst erleben. Ich habe eine solche Freude daran, dass ich mittlerweile jeden Samstagmorgen Board und Wetsuit ins Auto packe, und kurz zum Strand runter fahre, eine Stunde lang herumpaddele, vier, fünf gute Wellen mitnehme und dann wieder heimbrause, damit wir noch etwas unternehmen können.

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