Angelika/Mike Schilli |
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Michael Der Deutsche denkt: Wie gut wir es haben, mit all den Feiertagen, um die uns die ganze Welt beneidet! Aber die Realität sieht anders aus. Amerikanische Arbeitnehmer genießen zwar weit weniger Jahresurlaub als die Deutschen, doch in der Anzahl der Feiertage stehen die USA Deutschland kaum nach.
Dazu muss ich anmerken, dass es in den USA zwar Federal Holidays gibt, also vom Kongress gesetzlich vorgeschriebene Feiertage. Doch diese gelten nicht für die Privatwirtschaft. Vielmehr handelt es sich um sogenannte "Banking Holidays", also Feiertage, an denen Banken und andere Leimsiederbetriebe wie Schulen und die Post geschlossen haben. Die Privatwirtschaft sucht sich für ihre Angestellen die wichtigsten Feiertage heraus und gibt an zwei, drei Tagen weniger frei. Außerdem haben die Geschäfte an großen Feiertagen nicht etwa zu, sondern, im Gegenteil, extra lange auf. Wann sollen fleißige Arbeitnehmer auch sonst einkaufen?
Die amerikanischen Feiertage im Detail: Der Neujahrstag fällt naturgemäß auf den ersten Januar und ist immer frei. Dreikönig gibt's nicht. Am dritten Montag im Januar feiern die Amerikaner den Geburtstag des schwarzen Bürgerrechtlers Martin Luther King, der 1968 erschossen wurde. Das muss man sich mal vorstellen, obwohl der Gedenktag auf ein bestimmtes Datum fällt (nämlich den 15. Januar, MLKs Geburtstag), begeht der Amerikaner den Feiertag pragmatisch jedes Mal am dritten Montag im Januar, damit jedes Jahr ein verlängertes Wochenende rausspringt!
Am President's Day am zweiten Montag im Februar, auch "Washington's Birthday" genannt, gedenkt der Amerikaner dem ersten in einer langen Reihe aller amerikanischen Präsidenten. Der richtige Geburtstag des Mannes auf der Rückseite der Ein-Dollar-Note war übrigens am 22. Februar. Dann wird's dünn mit verlängerten Wochenenden für Arbeitnehmer bis in den Mai, denn Ostern und Pfingsten feiern zwar manche (wenngleich längst nicht so formell wie in Deutschland), aber Ostermontag und Pfingstmontag sind keine Feiertage. Am Karfreitag ist allerdings die Börse in New York zu, aber das ist keine staatliche Institution.
Am "Memorial Day", am letzten Montag im Mai gedenkt der Amerikaner schließlich den gefallenen Soldaten zahlreicher Kriege. Wer gefallene Angehörige hat, besucht diese auf dem Friedhof. Am vierten Juli feuert Amerika dann kindersicheres Tischfeuerwerk ab, isst massenweise Hot Dogs und gedenkt der Unabhängigkeit Amerikas vom englischen Königszirkus. Amerika war ja ehemals eine englische Kolonie, aber als Großbritannien sich darauf beschränkte, Steuern einzuziehen ohne Gegenleistungen zu erbringen, war der Ofen irgendwann aus. Der vierte Juli ist ein richtig großer Feiertag, und falls er auf einen Donnerstag fällt, ist der Freitag oft auch frei. Fällt der 4. Juli auf einen Sonntag, ist der Montag frei. Fällt er auf einen Samstag, ist der Freitag zuvor ein Feiertag.
Der "Labor Day" am ersten Montag im September ist so etwas wie der erste Mai in Deutschland, allerdings marschieren da nicht die Gewerkschaften mit roten Fahnen und markigen Lohnforderungen durch die Stadt, sondern jeder fährt mit seiner Familie in einen Park in der Umgebung, wirft einen Hackfleischdiskus auf den Grill und einen eiartigen Lederball durch die Gegend.
Beim "Columbus Day" am zweiten Montag im Oktober scheiden sich die Geister: Manche Bundesstaaten wie South Dakota oder Alaska kennen ihn überhaupt nicht, und in den Staaten, die ihn feiern, haben nur Schulen, Banken und die Post zu. Gefeiert wird der 12. Oktober 1492, an dem Kolumbus mit seinem Schiff in Amerika andockte. Am 11. November 1918 endete hingegen der erste Weltkrieg und in Amerika begehen die Menschen aus diesem Grund den "Veteran's Day" an diesem Tag. Auch wieder so ein Federal Holiday, den kaum eine Firma mitmacht, außer vielleicht militärisch angehauchte Rüstungsbetriebe.
Dann Ende November der wichtigste Feiertag überhaupt: Thanksgiving, eine Art Erntedankfest, zu dem jeder Amerikaner zu seinen Eltern heimfliegt und deshalb totales Chaos auf den Flughäfen herrscht. Man sitzt als Großfamilie mit Kind und Kegel zusammen, legt Gedenkminuten ein, während denen die Familienmitglieder reihum sagen, wofür sie dankbar sind. Man verspeist dabei gigantisch große Truthähne, schüttet karaffenweise klumpige Soße darüber (Gravy), trinkt billigen Rotwein dazu und beschließt am nächsten Tag allerhand gute Vorsätze, wie zum Beispiel auf Diät zu gehen oder eine Jahresmitgliedschaft im örtlichen Fitnessstudio zu erwerben. Wochenlang gibt es aufgewärmte Truthahnreste zu essen, bis keiner das Zeug mehr sehen kann.
Und schließlich Weihnachten. Amerikanische Kinder sind den deutschen gegenüber im Nachteil, denn sie müssen sich bis in die frühen Morgenstunden des 25. Dezembers gedulden, wenn "Santa Claus" die Geschenke von seinem Rentierschlitten abgeladen und durch den Kamin abseilt hat! Kein Christkind ist dabei im Spiel, der Herr mit dem Bart bringt die Geschenke, und am Abend des 24.12. passiert noch überhaupt nichts. Darum ist der 24.12. normalerweise nicht frei, nur der "Christmas Day" am 25.12. und eventuell der Tag danach. Der erste Weihnachtstag ist zusammen mit Thanksgiving einer der wenigen Tage, an denen tatsächlich viele Geschäfte zuhaben. Ich bin schon ungläubig auf dem leeren Parkplatz einer Filiale der Supermarktkette Safeway vorgefahren und habe mir die Augen gerieben. In Amerika, das muss man sich mal vorstellen! An diesen Tagen muss man seine Lebensmittel tatsächlich in kleinen Tante-Emma-Läden kaufen, die natürlich aufhaben.
Silvester ist wie in Deutschland ebenfalls kein offizieller Feiertag. So kommen amerikanische Arbeitnehmer oft auf 12 oder mehr zusätzliche freie Tage im Jahr. Wegen der Montagsregel gehen kaum welche verloren. Zum Vergleich: Bayern hat etwa 15 potentiell auf Wochentage fallende Feiertage im Jahr. Damit geht es den Amerikanern im Vergleich ganz gut. Gut, gut in punkto Jahresurlaub hinken sie natürlich hinterher, über die für neue Mitarbeiter üblichen zwei Wochen kann der Deutsche mit seinen sechs Wochen nur lachen. Allerdings bin ich mittlerweile schon 8 Jahre bei Yahoo und bekomme aus diesem Grund sage und schreibe fast fünf Wochen Jahresurlaub, man glaubt es kaum!
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