24.11.2006   Deutsch English

  Rundbrief Nummer 64  
San Francisco, den 24.11.2006


Abbildung [1]: Die Family History Library der Mormonen in Salt Lake City

Michael Die Mormonen glauben ja, dass jeder, der nicht mormonisch getauft wurde, unweigerlich zur Hölle fährt. Um ihren bereits verstorbenen Vorfahren diese Unannehmlichkeit zu ersparen, werden diese einfach in Abwesenheit post mortem im Tempel getauft. Deshalb schreiben die Mormonen Stammbaumforschung groß. Jeder verfolgt seine Vorfahren mindestens bis zu den Urgroßeltern zurück, viele sogar noch weiter.

Abbildung [2]: Deutsche Bücher in der Bücherei der Family History Library.
Um diese zeitraubende Suche zu erleichtern, bietet die "Genealogical Society of Utah" in Salt Lake City computergestützten Zugriff auf allerlei alte Datensammlungen, anhand derer man die Namen, Lebensdaten und Verwandschaftsbeziehungen seiner Vorfahren ermitteln kann.

In der von der Mormonenkirche betriebenen Bücherei finden sich hunderte von Computerterminals, die jedermann offenstehen, man muss kein Mormone sein. Wir ließen uns zunächst einen Einführungsfilm vorführen, um dann von einer freundlichen Helferin an einen Computer geleitet zu werden.

Die meisten Abfragen laufen über die Webseite familysearch.org, die ihr auch zuhause ausprobieren könnt. Sucht man nach Orten, zeigt der Computer oft eine Nummer an, die auf ein Buch in ein nebenstehendes Regal oder einen Mikrofilm in einer von tausenden von Schubladen verweist.

Wir suchten in der internationalen Abteilung und trauten unseren Augen nicht: Es waren massenhaft deutsche Geburts-, Sterbe- und Heiratsregister aus dem 19. und 20. Jahrhundert verfügbar! Ich untersuchte einen Mikrofilm mit handgeschriebenen Einträgen aus dem Heimatdorf meiner Sippe, Langerringen, einem 3000-Seelen-Nest in der Nähe von Schwabmünchen bei Augsburg! Ich konnte tatsächlich einige Einträge unter dem gesuchten Namen finden.

Abbildung [3]: Das Mikrofilm-Archiv

Den Mikrofilm holt man sich eigenhändig und ohne Aufsicht aus der Schublade. Er sieht aus wie eine dicke aufgewickelte Filmspule von etwa 10cm Durchmesser, etwa so breit wie ein Fotonegativ. Die Rolle legt man dann in ein mannshohes Gerät ein, spult den Film etwas ab und führt das lose Ende durch eine gläserne Projektionsplatte in eine Auffangspule auf der anderen Seite. Mit einer Kurbel an der Seite des Apparats dreht man dann, und die Einzelbilder werden von einer oben angebrachten Halogenlampe angeleuchtet und auf eine etwa 60x60cm große waagrechte Fläche projeziert. Geht man durch die Reihen, sieht man Leute, die gschaftig an den Kurbeln drehen, Einträge untersuchen und sich Notizen machen.

Will man eine Kopie eines gerade betrachteten Bildes ziehen, nimmt man den Mikrofilm mit beiden Spulen aus der Maschine und stellt sicher, dass das gerade betrachtete Bild aufgeschlagen bleibt. Dann trägt man ihn rüber zum Kopierraum, legt ihn in eine Kopiermaschine, und zahlt 23 Cents für eine Papierkopie.

Abbildung [4]: Ein altes Sterberegister aus dem 19. Jahrhundert auf dem Mikrofilm-Viewer

Die Bücher in der Bibliothek sind ebenfalls umwerfend. Es gibt sogar Ausgaben der alten Nazizeitschrift "Ahnenerbe - Bund für Sippen- und Wappenforschungshilfe, Erbkunde und Rassenpflege". Und was ich auch noch nicht wusste: 1529 lagen die Türken vor Wien und die Verteidigung des Abendlandes wurde im Deutschen Reich mit der sogenannten "Türkensteuer" finanziert. In der Sammlung der "Family History Library" fand ich in Buch, in dem das Türkensteuerregister von 1584 nachgedruckt steht. In Abbildung 5 seht ihr, wer wann wieviel zahlte, und falls nicht, warum. Falls ihr euch mit altertümlichen Währungen nicht auskennt: Ein Gulden (fl. = Floreniner) zählte damals 15 Batzen (b.), der Batzen wiederum 4 Kreuzer (kr.).

Abbildung [5]: Das Türkensteuerregister aus dem Jahr 1584

Die Suche läuft anonym ab, kostet (außer dem Kopieren) keinen Cent und man kann selbständig und ohne belästigt zu werden nach Herzenslust herumstöbern -- ein echt guter Service der Mormonenkirche. Wir waren so in unsere Forschungen vertieft, dass wir gar nicht merkten, wie die Zeit verging. Als wir schließlich auf die Uhr schauten, waren fünf Stunden vergangen. Vom Rest der Stadt sahen wir deshalb leider nicht viel, denn es wurde bald darauf dunkel und wir hatten noch nicht einmal etwas gegessen!

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