25.04.2025   Deutsch English

  Rundbrief Nummer 158  
San Francisco, den 25.04.2025


Abbildung [1]: Präsident Trump unterzeichnet eine Executive Order.

Angelika Wir wissen schon, dass ihr geradezu sehnsüchtig darauf wartet, zu hören, wie es uns jetzt in Trumphausen geht. Wie zu erwarten war, herrscht ein Durcheinander und Chaos, dass man kaum noch mitkommt. Einfuhrzölle rauf und runter. Aktienmarkt rauf und runter. Visa werden entzogen und dann wieder zurückerstattet. Leute in Behörden entlassen und dann doch wieder eingestellt, weil sich herausstellt, dass man bestimmte Stellen nicht unbesetzt lassen kann. Die Geschwindigkeit, in der Sachen mit der Brechstange eingeführt und durchgezogen werden, überrascht dann doch und hat sicher Methode, denn es passieren so viele Dinge gleichzeitig, dass selbst ausgefuchste Journalisten und politische Beobachter nicht mehr hinterher kommen. Nebenbei muss man als Normalbürger ja auch noch seinen Alltag bewältigen.

Durch die deutsche Presse wisst ihr ja sicherlich ganz gut Bescheid, was gerade so los ist in den USA, aber ich wollte einmal beleuchten, was ich schon länger als großes Problem betrachte. Die USA beansprucht ja für sich, dass es eine solide Demokratie mit fester Gewaltenteilung ist, in der alle drei Instanzen, nämlich die Exekutive, Legislative und Judikative, gleichwertig und unabhängig sind und gegenseitiger Kontrolle ("Checks and Balances") unterliegen. Allerdings gibt es einige sehr große Schlupflöcher, die dieses System untergraben und bis jetzt nicht gestopft worden sind, weil jeder darauf vertraut hat, dass niemand dieses Schlupflöcher gnadenlos ausnutzen wird.

Als eine der größten und meiner Meinung nach undemokratischsten Auswüchse sehe ich das Regieren durch Dekrete, sogenannte "Executive Orders" im US-Regierungssystem an. Das sind präsidiale Anordnungen, die ohne Zustimmung des Kongresses in Kraft treten -- ein Instrument, das ursprünglich dazu gedacht war, die Effizienz der Exekutive zu sichern, heute jedoch zunehmend als Werkzeug genutzt wird, um das Parlament zu umgehen. Zwar haben sich alle Präsidenten bislang dieser Methode bedient, aber Donald Trump treibt es in seiner zweiten Amtszeit wirklich auf die Spitze, obwohl er über eine - zwar knappe - aber beide Häuser umfassende Mehrheit seiner republikanischen Partei verfügt. Joe Biden unterzeichnete in seiner Amtszeit übrigens 162 Dekrete, Barack Obama in acht Jahren 277, Bill Clinton brachte es in ebenso acht Jahren auf 364. Donald Trump erließ in seiner ersten Amtszeit 220 Executive Orders -- und in seiner zweiten Amtszeit steht er bereits bei 103. Franklin Roosevelt schoß bis jetzt den Vogel ab mit sagenhaften 3.721 Dekreten, darunter 2.023 allein zwischen 1937 und 1945 -- also während des Zweiten Weltkriegs.

Meiner Meinung nach sollten Dekrete nur in absoluten Notfällen zum Zug kommen, wie zum Beispiel bei einer Naturkatastrophe oder Pandemie, damit schnell gehandelt werden kann. Statt dessen werden demokratische Prozesse aushöhlt, um sich die Mühe zu sparen, Gesetze auf den Weg zu bringen. Der Begriff "Executive Order" taucht übrigens so gar nicht in der amerikanischen Verfassung auf. Als rechtliche Grundlage wird in der Regel Artikel II der Verfassung herangezogen, der dem Präsidenten die Exekutivgewalt überträgt -- mit der Verpflichtung, "dafür Sorge zu tragen, dass die Gesetze gewissenhaft ausgeführt werden", was allerdings eine sehr schwammige Formulierung ist. Dabei dürfen Dekrete nicht gegen bestehende Gesetze verstoßen und sind auch nicht als Gesetze anzusehen. Das führt dann dazu, was wir gerade erleben. Es häufen sich Klagen, die die Dekrete auf ihre Rechtmäßigkeit prüfen. Da Dekrete keine Gesetze sind, kann jeder neue Präsident sie sofort wieder einstampfen, was auch regelmäßig passiert.

Als ein weiteres Problem sehe ich die uneingeschränkten Begnadigungen an, die ein Präsident mit einem Federstrich durchführen kann. Auch dies sollte nur in absoluten Ausnahmefällen geschehen dürfen. Es hat sich aber so eingebürgert, dass Präsidenten kurz vor dem Ende ihrer Amtszeit noch einmal schnell Hinz und Kunz begnadigen. Dabei stehen oft nicht eben humanitäre Gesichtspunkte im Vordergrund sondern eigene politische oder auch familiäre Seilschaften. Bill Clinton begnadigte 2001 zum Beispiel Marc Rich, der sich aus dem Staub gemacht hatte, um sich seiner Strafverfolgung hinsichtlich Steuerhinterziehung und Betrug zu entziehen. Seine Frau hatte größere Summen an die demokratischen Partei und Clintons Bücherei gespendet. Gerald Ford begnadigte Richard Nixon 1974 für mögliche Straftaten während dessen Amtszeit, nachdem Nixon wegen des Watergate-Skandals zurückgetreten war. Und ich war besonders enttäuscht, dass Joe Biden seinen Sohn Hunter Biden begnadigt hat, obwohl er vorher steif und fest behauptet hatte, dass er dies niemals in Betracht ziehen würde. Auch dass er einige Familienmitglieder prophylaktisch begnadigte, obwohl gar keine Urteile vorlagen, halte ich für eine absolute Absurdität. Es scheint niemand mehr Integrität zu besitzen. Jeder ist sich selbst der Nächste und begründet sein eigenes Fehlverhalten mit dem des anderen. Trump begnadigte dann erst einmal pauschal alle Verurteilten, die das Kapitol am 6. Januar gestürmt hatten und unterschied dabei nicht, wer Gewalttaten verübt hatte. Einige der Begnadigten sitzen wegen neuer Straftaten schon wieder ein.

Abbildung [2]: Präsident Biden unterzeichnet ein Presidential Pardon.

Die amerikanische Verfassung gibt im Artikel II in der Sektion 2 dem Präsidenten weitreichende Befugnisse bezüglich Begnadigungen: "Der Präsident hat die Befugnis, Aufschübe und Begnadigungen für Vergehen gegen die Vereinigten Staaten zu gewähren, ausgenommen in Fällen eines Amtsenthebungsverfahrens." Was bedeutet dies nun genau? Der Präsident kann sowohl vollständige Begnadigungen, Strafmilderungen und Strafaufschübe gewähren, ohne die Zustimmung des Kongresses oder von Gerichten zu benötigen. Die Begnadigungen gelten allerdings nur für Bundesverfahren (Federal Offences) und nicht für Straftaten auf bundesstaatlicher Ebene, dafür sind die einzelnen Gouverneure der Bundesstaaten zuständig. Auch Amtsenthebungsverfahren sind, wie schon erwähnt, ausgeschlossen.

Der Supreme Court, also der amerikanische Oberste Gerichtshof, hat dann noch ein folgenschweres Urteil im Juli 2024 bezüglich der strafrechtlichen Immunität des Präsidenten gefällt. Das Gericht entschied mit 6 zu 3 Stimmen, dass ein (ehemaliger) Präsident für Handlungen, die zu seinen offiziellen Aufgaben gehören, zumindest eine vermutete Immunität genießt. Das heißt, eine Strafverfolgung ist nur möglich, wenn nachgewiesen wird, dass die Anklage die verfassungsmäßige Funktion des Präsidenten nicht beeinträchtigt. Für bestimmte Bereiche, wie die Ernennung von Beamten oder die Ausübung des Begnadigungsrechts, gilt sogar eine absolute Immunität, das heißt, der Präsident kann für diese Handlungen gar nicht strafrechtlich verfolgt werden. Keine Immunität besteht für private und nicht-offizielle Handlungen. Gerichte müssen also in diesen Fällen zunächst austarieren, ob es sich um offizielle oder private Angelegenheiten handelt.

Und dann sollte in einer modernen Demokratie vielleicht darauf geachtet werden, dass nicht auf einmal irgendwelche uralten Gesetze hervorgekramt werden, die offiziell noch in Kraft sind. Zum Beispiel stützt die Trumpregierung gerade die Abschiebungen nach El Salvador auf den Alien Enemies Act von 1798, welcher es dem Präsidenten erlaubt, während eines Kriegszustands Bürger sogenannter feindlicher Nationen ohne Gerichtsverfahren zu inhaftieren oder abzuschieben. Dabei wurde die Anwendung des Gesetzes gerechtfertigt, indem die venezolanische Gang "Tren de Aragua", die auf amerikanischen Boden agiert, zur feindlichen Instanz erklärt wurde.

Abbildung [3]: Eigentlich sollte der Senat Gesetze beschließen.

Ich warte darauf, dass wir vielleicht doch mal ab und zu etwas von den Abgeordneten im Kongress hören. Da ist wirklich fast völliges Schweigen im Walde. Wollen die nicht mehr mitregieren? Auch die Opposition hat sich noch nicht neu aufgestellt und die demokratische Partei leckt weiter ihre Wunden und kommt mit den alten überholten Ideen daher. Die Zeit rennt, auf geht's.

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Letzte Änderung: 30-Apr-2025