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Angelika/Mike Schilli |
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Angelika Wusstet ihr schon, dass in San Francisco neuerdings die Küstenstraße am Ocean Beach für Autos gesperrt ist? Das kam so: Während Covid kam das städtische Verkehrsamt in San Francisco auf die geniale Idee, sogenannte "Slow Streets" einzurichten, also verkehrsberuhigte Straßen, auf denen Fußgänger und fahrradfahrende Kinder sich ausbreiten konnten (Rundbrief 09/2020). So fühlte man sich nicht so eingesperrt. Die "Slow Streets" erlaubten Anwohnern und Zulieferern immer noch die Zufahrt. Sie waren also nicht vollständig für Autos gesperrt. Das Programm erfreute sich in San Francisco so großer Beliebtheit, dass einige "Slow Streets" auch nach der Pandemie beibehalten wurden, zum Beispiel die Sanchez Street bei uns um die Ecke, die wir immer noch fleißig für unsere Spaziergänge nutzen.
Nun liegt San Francisco ja bekanntlich am pazifischen Ozean und hat einige Hausstrände im westlichen Teil der Stadt. Der "Ocean Beach" ist der längste. Direkt an den "Ocean Beach" grenzt der "Great Highway", eine insgesamt vierspurige Zubringerstraße. "Highway" hört sich etwas pompös an, weil man gleich an deutsche Autobahnen denkt. Aber als "Highway" werden in der Regel Landstraßen in den USA bezeichnet, die sehr unterschiedlich breit und ausgebaut sein können. "Freeway" gleicht dann schon eher einer großzügig angelegten Autobahn. Den "Great Highway" würde ich eher als eine größere Stadtstraße beschreiben, die wie gesagt am Ozeanstrand entlang verläuft.
Die Straße hat nur wenige Ampeln und die Autofahrer kommen recht zügig voran. Im April 2020, während der Pandemie, sperrte die Stadt ein zwei Meilen (3,2 km) langes Teilstück des Great Highways, den sogenannten "Upper Great Highway" zwischen Lincoln Avenue und Sloat Boulevard, damit die Bevölkerung sich auf diesem sportlich betätigen konnte. Auch diese Sperrung war sehr beliebt, und es durften gar keine Autos auf diesem Teilstück fahren.
Am Anfang der Pandemie war das alles kein Problem, denn viele arbeiteten von zu Hause und das Verkehrsaufkommen war gering. Anwohner wichen einfach auf die Nebenstraßen auf. Aber schon bald wurden die Stimmen lauter, die Sperrung aufzuheben. Es standen sich die Befürworter denjenigen Anwohnern gegenüber, die genervt waren vom Verkehr auf den Seitenstraßen mit Stoppschildern an jeder Kreuzung. Und siehe da, in unserer Stadt, wo es selten Kompromisse gibt und alles immer hart und leidenschaftlich debattiert und umkämpft wird, einigte man sich im August 2021. Das Teilstück blieb ab Freitagnachmittag und während des Wochenendes, sowie an Feiertagen geschlossen für den Autoverkehr. Aber wochentags durften die Autos drüber brausen. Jeder musste etwas nachgeben, aber jede Seite bekam auch etwas, was sie wollte.
Das nennt man auf Englisch eine "Win-Win-Situation". Damit hätte das Thema ad acta gelegt werden können, aber halt stopp, das wäre ja zu einfach. Denn der ausgearbeitete Kompromiss war als Pilotprojekt befristet und sollte Ende 2025 auslaufen. Die Stadt wollte Daten sammeln, um zu sehen, wie stark das gesperrte Teilstück von Fußgängern und Fahrradfahrern genutzt wird, und was die Auswirkungen auf die Verkehrsströme sind. Keine Ahnung warum das Datensammeln über vier Jahre dauerte, aber dergleichen ist in dieser Stadt nicht ungewöhnlich. Anstatt nun aber die Daten gescheit auszuwerten und dann im Stadtrat zu beschließen, ob das Pilotprojekt so weiter geführt werden kann oder Veränderungen vorzunehmen sind, fiel man lieber auf die bewährte Methode der Wählerabstimmung durch die sogenannte Proposition (grob übersetzt als Volksbegehren) zurück. Fünf städtische Abgeordnete und unsere damalige Bürgermeisterin London Breed sorgten dafür, dass die Proposition K auf unserem Wahlzettel im November 2024 stand, zeitgleich mit der Bürgermeisterwahl in dieser Stadt, und deshalb war mit einer hohen Wahlbeteiligung zu rechnen.
Sofort entbrannte ein erbitterter Kampf zwischen den Befürwortern und den Gegnern. Nun müsst ihr wissen, dass diese Propositions oft tückisch sind, denn auf den ersten Blick hört sich alles ganz prima an. Wenn man sich dann aber einmal in die Details vergräbt, was aber nur wenige Wähler machen, sieht es schon anders aus. Die Proposition K versprach zum Beispiel, dass nicht nur das 2-Meilen-Teilstück für den Autoverkehr dauerhaft gesperrt wird, sondern die Straße vollkommen in einen Park umgewandelt wird. Klar will jeder in der Regel einen schönen neuen Park direkt am Meer. Was sollte dagegen sprechen? Aber die Proposition K versprach nur den Park, ohne Pläne für dessen Finanzierung, oder auch nur Ideen für die Gestaltung.
Hinzu kommt, dass der Great Highway durch die Nähe zum Ozean und dem Strand jedes Jahr mehrmals mit großen Sandverwehungen zu kämpfen hat, und wer einen Park plant, muss das berücksichtigen. Nun stimmten die Bürger am Wahltag im November mit 54% für die Proposition K im November, und deshalb ist der "Upper Great Highway" seit 14. März dieses Jahres dauerhaft für jeglichen Autoverkehr gesperrt. Interessanterweise kamen die meisten "Nein-Stimmen" für die Proportion K aus den Bezirken, die an den Ozean angrenzen, also die Viertel "Outer Richmond" und "Sunset". Auf der anderen Seite ist dies dann auch wieder nicht verwunderlich, denn die Menschen, die dort leben, sind in ihrem täglichen Leben am meisten von der Sperrung betroffen.
Viele von ihnen fanden es unfair, dass ihre Stimmen nicht mehr Gewicht hatten. Und gleich gab es Bestrebungen, den Stadtabgeordneten Joel Engardio, der das Sunset-Viertel vertritt und für die Schließung des Highways und den Park eingetreten war, durch ein Abwählverfahren ("Recall") seines Amts zu entheben. Das ist eine gängige Strategie der politisch Unzufriedenen in dieser Stadt, und in Kalifornien allgemein. Nichtsdestrotrotz eröffnete selbiger Joel Engardio Mitte April den neuen Park, mit dem nun offiziellen neuen Namen "Sunset Dunes Park".
Zur Zeit bedeutet das allerdings nur, dass ein paar Kunstwerke auf die Straße gepinselt wurden. Skulpturen und Fitnessgeräte sollen angeblich folgen. Kunst ist immer gut. Ansonsten plant die Stadt, die Fördergelder des California Coastal Conservancy, eine Million Dollar, zu nutzen, um zu ergründen, wie der neue Park den Verkehr und die Umwelt beeinflusst. Auch wird untersucht, wie das mögliche Ansteigen des Meeresspiegels wiederum den Park beeinträchtigt. Ahhh, das hatten wir doch schon einmal, so schließt sich der Kreis.
Jedenfalls hat Michael, ein begeisterter Fahrradfahrer, einen Rundweg von unserem Zuhause in Noe Valley bis zum Great Highway ausbaldowert. Die Strecke führt erst untenrum durch den Stadtteil Glen Park, dann durch's City College, durch den Campus der Universität San Francisco, dann auf dem Highway entlang, um durch den Golden Gate Park und den sogenannten "Wiggle" wieder durch die Mission nach Noe Valley zurückzukehren. Dauert circa zwei Stunden.
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