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  Rundbrief Nummer 117  
San Francisco, den 30.10.2016


Abbildung [1]: Die ersehnte Greencard: Jetzt gleich Staatsbürgerschaft oder warten? Foto: Vitor Leite

Michael Fragt man zehn Amerikaner, ob Greencard-Besitzer Steuern zahlen, sagen bestimmt sieben "Nein". Wie blöd muss man sein! Wie sie darauf kommen, ist mir schleierhaft, schließlich zahlt jeder, der mehr als ein halbes Jahr im Land wohnt, hier in den USA Steuern, und zwar auf seine weltweiten Einkünfte, genau wie jeder Staatsbürger auch. Was ist nun der Unterschied zwischen Greencard und Staatsbürgerschaft?

Schließlich darf man mit einer Greencard unbegrenzt im Land bleiben. Man darf bei jedem Arbeitgeber anheuern, mit der Ausnahme, dass manche Jobs, zum Beispiel in Zusammenarbeit mit dem Verteidigungsministerium, die Staatsbürgerschaft erfordern, weil man sonst keine "Clearance" (eine Art sicherheitstechnisches Führungszeugnis) kriegt. Nach zehn Jahren läuft die Karte zwar aus, aber eine neue zu beantragen ist eine reine Formalität zur Melodie von $450 Bearbeitungsgebühr.

Ein gravierender Nachteil der Greencard ist, dass sie tatsächlich verfällt, wenn man mehr als ein Jahr außer Landes weilt und vorher keinen entsprechenden Beibehaltungsantrag gestellt hat, der sich auch nur maximal bis zu zwei Jahren verlängern lässt. Wer hingegen einmal Staatsbürger ist, bleibt es sein ganzes Leben lang und kann beliebig lange außer Landes bleiben und wieder zurückkommen.

Abbildung [2]: Staatsbürger weisen sich international mit einem US-Pass aus. Foto: jpmatth

Ein weiterer Nachteil der Greencard gegenüber der Staatsbürgersschaft sind einige Steuerregeln beim Erben von Vermögen und Grundbesitz. Allerdings muss ein Ehepaar schon ordentlich was auf der hohen Kante liegen haben, damit diese greifen: Fällt einem Staatsbürger eine Erbschaft zu, muss er diese nur nach der sogenannten Estate-Tax versteuern, falls sie $5.450.000 Dollar übersteigt. Ein verheiratetes Staatsbürgerpaar darf einem anderem Staatsbürger sogar die doppelte Summe vermachen, ohne dass Erbschaftssteuer anfällt. Und stirbt ein Ehepartner und vermacht dem überlebenden Teil seinen Anteil, fällt gar überhaupt keine Erbschaftssteuer an. Aber wehe, wenn der Erbende kein Staatsbürger ist und nur auf Greencard im Land lebt, dann zahlt er ab $5,45 Millionen Steuern, auch wenn's der Ehepartner ist! Bei Schenkungen zu Lebzeiten gelten sogar noch strengere Bestimmungen: Ein Greencardbesitzer darf "nur" Geschenke im Wert von $148,000 pro Jahr (Stand 2016) erhalten, bevor er den ganzen Reibach versteuern muss. Lange Rede kurzer Sinn: Wer als Ehepaar mehr als 5 Millionen an Zaster herumliegen hat, sollte schleunigst die Staatsbürgerschaft annehmen, sonst kostet der Tod nicht nur das Leben!

Auch dürfen Greencard-Besitzer nicht wählen und auch nicht in Gerichtsverfahren auf der Jury-Bank sitzen. Flattert ein entsprechender Bescheid ins Haus, schleppen sich Staatsbürger zähneknirschend Richtung Gerichtsgebäude, während der Greencard-Besitzer auf der Couch daheim sitzenbleibt und einfach den Amtsbrief mit einem entsprechenden Vermerk zurückschickt (Rundbrief 09/2002).

Auch verpflichtet sich ein Greencardbesitzer dazu, im Notfall für die USA im Krieg zu kämpfen. Ich bin ja seit Bundeswehrzeiten als Kampfsau bekannt und würde auch in meinem fortgeschrittenen Alter den Feind sicher das Fürchten lehren. Hält jemand die Greencard für mehr als sieben Jahre, verpflichtet er sich weiterhin, zehn Jahre lang jedes Jahr Steuererklärungen ans amerikanische Finanzamt IRS zu schicken, auch wenn er später in ein anderes Land oder in sein Heimatland zurück geht. Das gilt übrigens auch für amerikanische Staatsbürger: Egal wo sie im Leben mal wohnen werden, jedes Jahr müssen sie dem amerikanischen Finanzamt ihre Einkünfte vorleiern, und wann und wo sie dafür Steuern gezahlt haben. Leben sie im Ausland, zahlen sie dort ihre Steuern an das jeweilige Land in dem sie dann wohnen, aber das IRS will wissen was läuft. Alle Jahre wieder.

Abbildung [3]: Greencardbesitzer mit Reentry-Permit dürfen bis zu zwei Jahre außer Landes weilen.

Dann gibt's noch Fälle, in denen sich die Annahme der US-Staatsbürgerschaft aus legalen Gründen empfiehlt, zum Beispiel wenn ein Ehepaar ein Kind durch eine Leihmutter austragen lässt. In Deutschland ist das Verfahren illegal, in Amerika legal, deshalb empfiehlt sich in diesen Fällen die US-Staatsbürgerschaft. Oder wenn ein gleichgeschlechtliches Ehepaar ein Kind adoptieren möchte. In Deutschland geht das nicht, in Amerika schon, also sollten gleichgeschlechtliche deutsche Ehepaare die amerikanische Staatsbürgerschaft annehmen, dann wird die Adoption auch von den deutschen Behörden akzeptiert.

Falls sich nun ein deutscher Staatsbürger, aus welchen Gründen auch immer, entschließt, Amerikaner zu werden, sollte er vor Annahme der US-Staatsbürgerschaft die Beibehaltung der deutschen beantragen. Warum? Wer einfach mir nichts dir nichts Amerikaner wird, dem zeigt Deutschland die kalte Schulter. Erfahren die Behörden vom neuen US-Pass, entziehen sie dem Abtrünnigen sofort die deutsche Staatsbürgerschaft. Beantragt der Hüpfwillige allerdings bei seinem Konsulat vorher die Beibehaltung, und genehmigt das Konsulat dies zum Beispiel weil der Antragsteller sonst Nachteile im Berufsleben hätte und dutzenderlei bürokratische Regeln dem nichts entgegensetzen, dann darf der Hüpfer die US-Staatsbürgerschaft beantragen. Falls Uncle Sam dann "okay" sagt, besitzt der frischgebackene Doppelstaatler zwei Pässe, von denen der jeweils zutreffende bei der Einreise in das entsprechende Land vorzulegen ist.

Zu bedenken ist aber, dass sich das deutsche Konsulat nicht mehr zuständig fühlt, falls ein Deutscher mit Doppelpass in den USA in Bedrängnis gerät. Deutschen im Ausland helfen die Konsulatsmitarbeiter sonst Tag und Nacht unbürokratisch aus der Patsche, aber bei US-Passbesitzern schickt der Konsul nur eine Ansichtskarte mit einem lustigen Motiv und dem Aufdruck "Good luck with that, buddy".

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