Angelika Vor einiger Zeit habe ich berichtet, dass es in unserem Stadtteilpark, dem Dolores Park, an Wochenenden zugeht wie auf dem Oktoberfest (Rundbrief 04/2015). Der Park ist mitterweile für schlappe 20.6 Millionen Dollar renoviert worden. Es gibt neue Fahrradständer, verbesserte Tennis-und Basketballplätze, die Rasenflächen leuchten im satten Grün und die Anzahl der Toiletten wurden erhöht. Wegen der Non-Stop-Partyszene an Wochenenden häuften sich die Beschwerden der Anlieger, die es nicht lustig fanden, dass die Parkbesucher dauernd in die Anlagen oder in die Hauseingänge urinierten. Flugs wurde ein Pilotprojekt im Dolores Park aus dem Boden gestampft, und mittlerweile steht dort ganz nach Pariser Vorbild das erste öffentliche Freiluftpissoir in San Francisco, und ich würde einmal frech behaupten, in den gesamten USA.
Allerdings scheint der Stadt mitten im Projekt das Geld ausgegangen zu sein, denn das Pissoir im Dolores Park besteht nur aus einem halbrunden Drahtzaun mit einer weißen Sichtplane und ist nach hinten zum Bürgersteig und zur Straße hin völlig offen. Lustig ist auch, dass die J-Straßenbahn ihre Haltestelle direkt vor dem Pissoir hat. Da haben die Planer das Wort "öffentlich" einmal ganz wörtlich genommen. Hätte vielleicht doch einmal jemand nach Paris fahren sollen, um sich inspirierenzu lassen, schließlich hat das San-Francisco-Modell satte $15.000 gekostet.
Auf jeden Fall haben wir erst gedacht, das benutzt kein Mensch. Ehrlich gesagt ist mir ein Rätsel, wie man erkennt, dass es sich überhaupt um ein öffentliches Urinal handelt. Aber letztes Wochenende standen die Leute Schlange vor dem Teil. Es was herrliches Sonnenwetter und der Park vollgepackt mit Sonnenanbetern, die nach einigem Alkoholkonsum dringend ihre Blase entleeren mussten. Andere Schlawiner erleichterten sich immer noch in den Anlagen.
Natürlich gibt es auch schon die ersten Vorstöße, rechtlich zu erzwingen, dass das Pissoir wieder abgebaut wird. Auch keine Überraschung im prüden und rechtsstreithungrigen Amerika. Die konservative Gruppe "Pacific Justice Institut" aus Sacramento hat Probleme damit, dass das Entleeren der Blase in der Öffentlichkeit stattfindet, denn Passanten könnten ja Dinge sehen, die man nicht sehen darf. Das erinnert mich daran, dass, als ich das erste Mal die USA besuchte und in einer Umkleidekabine etwas anprobierte, die Verkäuferinnen immer gleich geflissentlich den Vorhang der Kabine richtig zuzogen, wenn ich ihn schlampig einen Spalt offen ließ. Das übertriebene prüde Verhalten amüsierte mich damals schon. Allerdings ist San Francisco eine ganz eigene Liga. Nacktheit gehört hier zum Stadtbild.