Angelika/Mike Schilli |
Angelika Wir werden hier öfter gefragt, was wir denn aus Deutschland vermissen, und wenn ich dann antworte, die Waschmaschinen, kriege ich entweder Blicke zugeworfen, die an meiner Zurechnungsfähigkeit zweifeln oder ernte unverständliches Gelächter. Aber es ist leider die traurige Wahrheit, amerikanische Waschmaschinen sind Schrott.
Bevor ich jetzt wieder böse Zuschriften bekomme, möchte ich nur darauf hinweisen, dass ich nicht fanatisch an deutschen Produkten festhalte. Wir fahren zum Beispiel seit Jahr und Tag japanische Autos. Außerdem bestätigen Umfragen bei deutschen Freunden, die ebenfalls in den USA leben, meine Beobachtungen. Amerikanische Waschmaschinen waschen einfach nicht heiß und lange genug, um die Wäsche sauber zu kriegen.
Das mag vielleicht umweltfreundlicher klingen, aber in der Regel muss jeder Fleck vorbehandelt werden oder chemikalische Keulen wie Bleichmittel ("Bleach") kommen zum Einsatz, um ein akzeptables Waschergebnis zu erzielen. Wer, wie wir, kein Bleichmittel benutzt, lebt mit vergrauten weißen Socken und Handtüchern. Ein Tomatensaucenfleck auf einem T-Shirt besiegelt meist dessen Schicksal, in die Altkleidersammlung zu wandern.
Auch wenn man Waschmittel ohne Bleichmittel (Bleach) verwendet, finden sich in der Buntwäsche nach dem Waschgang oft mysteriöse rosa Flecken. Zuerst dachten wir, dass das im Waschsalon schon mal passiert, wenn der Vorbenutzer exzessiv Bleichmittel reingeschüttet hat, aber auch auf Internetforen wundern sich die Leute über Bleichflecken. Neuester Stand der Wissenschaft: Auch Weißmacher-Zahnpasta, flüssige Seife und Aknesalben enthalten Bleichmittel, und wenn man die Hände nicht sorgfältig abwäscht und anschließend am Handtuch abtrocknet, bleicht dort die Farbe aus.
Obwohl wir im Haus brandneue Gemeinschaftswaschmaschinen haben, brauchen diese nur gute 35 Minuten für den vollen Waschgang, einschließlich des Spülens und Schleuderns. Wenn ich die Wäsche aus der Maschine hole, fühlt sie sich oft noch klebrig an, so als ob das halbe Waschmittel noch in den Kleidungsstücken sitzt, obwohl ich schon immer ganz wenig Waschmittel benutze.
Seit neuestem haben wir sogar Frontlader, die wenigstens den Vorteil bieten, dass sich die Waschmittelrückstände nicht mehr auf der dunklen Kleidung wiederfinden, wie das bei den Topladern, die wir vorher hatten, und die von oben beladen werden, oft der Fall war, weil das Waschmittel bei diesen Maschinen gleich mit in die Trommel gefüllt wird. Der Waschprofi lässt einen Toplader natürlich ohne Waschmittel anlaufen, öffnet dann nach zwei Minuten, wenn das Wasser hoch in der Trommel steht, todesmutig die Luke der laufenden Maschine und schüttet erst dann das Waschmittel rein.
Nun kann ich schon mit ein paar Flecken leben, aber neuerdings fingen dann auch noch unsere guten, kuscheligen Frotteehandtücher das Müffeln an. Kamen sie aus dem Trockner, rochen sie noch frisch gewaschen, trockneten wir uns aber nur einmal damit ab, verströmten sie einen eklig säuerlichen Geruch wie ein nasser Pudel.
Wir wollten uns nicht von den Handtüchern trennen, und ich begab mich im Internet auf die Suche nach Abhilfe. Und siehe da, müffelnde Handtücher scheinen hier in den USA ein gängiges Problem zu sein. Der Geruch entsteht nach meiner Recherche durch Bakterien, die beim Waschen nicht abgetötet werden. Ich sagte ja schon, dass die amerikanischen Maschinen nicht heiß genug waschen! Die Internetexperten rieten: Zwei Tassen destillierten weißen Essigs, den es in Supermärkten zu kaufen gibt, ins Waschmittelfach zur Wäsche geben. Und, siehe da, Problem gelöst, die Handtücher riechen auch nach wiederholtem Abtrocknen schön frisch. Auf der Packung des destillierten Essigs steht übrigens, dass Amerikaner ihn auch zum Färben von Ostereiern benutzen. Ein Topprodukt und spottbillig obendrein.
Michael Hin und wieder kreuzt bei uns in der Arbeit die amerikanische Version vom Roten Kreuz (Red Cross) auf und veranstaltet Blutspendeaktionen. Ist ja eine ganz nützliche Sache, es geht kurz und schmerzlos. Und schließlich wäre man selbst froh, wenn man mal einen Unfall hätte und schnell eine Transfusion bräuchte!
Nun liegt meine letzte Blutspende schon einige Zeit zurück. Damals, als Wehrpflichtiger in der Bundeswehrkaserne Murnau, durfte man sich tatsächlich den ganzen Nachmittag aufs Ohr legen und bekam obendrauf einen Urlaubstag geschenkt, falls man einen Beutel Blut abzapfen ließ. Ich stand natürlich in der ersten Reihe und schrie Hurra.
Neulich dachte ich, dass es eigentlich eine ganz gute Idee wäre, auch die hiesigen Blutbanken zu füllen, wurde aber eines Besseren belehrt. Man sollte es kaum für möglich halten, aber das Red Cross hierzulande nimmt nicht jedermanns Blut, und schon gar nicht Blut von Leuten, die im Mitteleuropa der 80er aufgewachsen sind. Laut der Checkliste für Blutspenden des American Red Cross wird das Blut von Leuten, die zwischen 1980 und heute mehr als fünf Jahre in einem europäischen Land verbracht haben, nicht akzeptiert. Der Grund: Rinderwahn.
Zweifellos ein harter Schlag, aber Reisenden in Malaria-Gebieten (innerhalb der letzten 12 Monate), den Irak (12 Monate), Tätowierten (12 Monate, in einem Bundesstaat der USA, der keine strikten Tattoo-Vorschriften hat) oder Homosexuellen (falls aktiv ab 1977, vorher ist's okay) geht es ebenso. Erst dachte ich "Mein Gott, diese Amis", aber auch in Deutschland dürfen Schwule kein Blut spenden. Also, wenn man bedenkt, dass in San Francisco nach meinen persönlichen Schätzungen sicher 30% Schwule und Lesben leben, fragt man sich, ob die Blutbanken dieserorts überhaupt ausreichend befüllt werden! Wehe, es herrscht Mangel, falls ich mal eine Konserve brauche!
Michael Wegen des großen Erfolges der Verkehrsrubrik Ende letzten Jahres lege ich noch eine Spezialausgabe über absurde kalifornische Verkehrsregeln nach. So ist es zum Beispiel nach der kalifornischen Straßenverkehrsordnung verboten, die Räder beim Anfahren übergebührlich laut quietschen zu lassen. Diese sogenannte "Exhibition of Speed" (Zurschaustellung von Geschwindigkeit) wird mit empfindlichen Geldstrafen und Führerscheinentzug bestraft.
Ganz streng verboten ist es, auf öffentlichen Straßen Rennen zu fahren. Bei den beliebten Spielchen "Welches Auto zieht am schnellsten bei Grün von der Ampel weg" und "Wer bremst verliert" sollte man sich nicht von der Polizei erwischen lassen. Und bei organisierten "Speed Contests" (Straßenrennen, auch "Drag Races" genannt), stehen auch Handlangerdienste und sogar bloßes Zuschauen unter Strafe. Die Verordnung 23109 stellt dafür sogar einen Gefängnisaufenthalt in Aussicht!
Der Bruder eines Arbeitskollegen bekam mal ein Ticket, weil er hinter einem Schleicher, der nicht abbiegen wollte, zu hupen anfing. Ein Polizist in seinem Lichtorgelauto hörte dies, hielt ihn an und schrieb einen Bußbescheid wegen "Road Rage", also Aggressivität im Straßenverkehr, aus.
Auch als Fußgänger muss man aufpassen. So darf man die Straße nicht einfach irgendwo zwischen zwei aufeinanderfolgenden Ampelkreuzungen überqueren, sondern muss eine Ampel nehmen. Alles andere nennt der Gesetzgeber "Jaywalking" und kassiert dafür $25. Mit den im letzten Rundbrief erklärten Strafzuschlägen beläuft sich der Bußbescheid dann auf $108! Zur Herkunft des Wortes: Ein "Jay" ist ein bauernhafter Tölpel, also jemand, der sich in der Stadt nicht stadtgemäß benimmt. Allerdings schreitet die Ordnungsmacht bei derartigen Vergehen nur dann ein, wenn ihr steinlangweilig ist oder sie einen Grund sucht, der betreffenden Person eins auszuwischen. In San Francisco kommt das aber praktisch nie vor, ich habe sogar einmal, mit dem Fahrrad fahrend, ein Polizeiauto übersehen und bin routinemäßig durch ein Stoppschild gefahren -- keine Reaktion.
Noch ein interessantes Thema: Darf man mit dem Fahrrad auf dem Gehsteig fahren? Kommt auf den Landkreis an. Zum Beispiel erlaubt es die Fahrradverordnung der Silicon-Valley-Stadt Sunnyvale Personen über 62 und Kindern unter 13 Jahren, falls sich der Gehweg nicht gerade vor einer Schule oder einem Geschäft befindet. Und jeder darf in Sunnyvale auf dem Gehweg fahren, falls, wie das Gesetz es recht schwammig formuliert, die Straße für Radfahrer zu gefährlich ist.
In Deutschland darf man an extra ausgewiesenen Ampeln bei Rot rechts abbiegen, wenn dies gefahrlos möglich ist. In Amerika gilt dies generell, es sei denn, ein Schild verbietet es explizit wie in Abbildung 11. Geheimtipp: Gehen zwei Spuren nach rechts ab, darf man auch auf der linkeren Spur bei Rot abbiegen. Und, was viele nicht wissen: Bei Rot darf man auch nach links abbiegen, falls man am linken Rand einer Einbahnstraße steht und nach links in eine weitere Einbahnstraße einfährt. Ich habe es in San Francisco mit seinen vielen Einbahnstraßen schon oft eiskalt verifiziert, teilweise während auf der Nachbarspur Polizeiautos standen -- kein Problem, falls man schön artig vorher kurz stoppt!
Stellenweise steht auf den Verbotsschildern auch noch eine Uhrzeit, und manchmal sogar eine Ausnahmeregelung. So darf man auf der Mission-Street im mexikanischen Stadteil, wie in Abbildung 12 zeigt, zwischen 16 und 18 Uhr nicht links abbiegen. Am Sonntag ist Linksabbiegen allerdings erlaubt, was Englischsprecher dem darunter stehenden "Except Sun" entnehmen können. Im mexikanischen Stadtteil sprechen aber viele nur Spanisch, was dazu führt, dass kaum jemand das verkehrstechnische Schlupfloch am späten Sonntagnachmittag nutzt.
Noch einige weitere Kuriositäten: Doppelt durchgezogene, gelbe Linien in der Straßenmitte bedeuten keineswegs, dass man nicht nach links in eine Seitenstraße oder eine Einfahrt abbiegen darf. Das ist nur dann untersagt, falls sich dort vier (!) durchgezogene Linien befinden. Zwei durchgezogene gelbe Linien bedeuten lediglich, dass man dort nicht überholen darf. Ein U-Turn (gesprochen "Juh-Törn"), also eine 180-Grad-Wende, ist laut dem California Driver Handbook in diesem Fall ebenfalls erlaubt, falls er nicht explizit anderweitig verboten ist.
In Wohngebieten darf der Fahrer aber nur dann wenden, wenn sich kein anderes Fahrzeug innerhalb von 60 Metern nähert. Verboten sind U-Turns allerdings in sogenannten "Business Districts", zu denen auch Gegenden mit Kirchen, Wohnblöcken, Diskotheken und öffentlichen Gebäuden zählen. Interessanterweise weist das Handbuch auch darauf hin, dass der U-Turn in Einbahnstraßen untersagt ist. Da mal drüber nachdenken, gell!
Angelika Neulich bin ich selbst in die Falle des amerikanischen Verkehrsschilderwaldes getappt. Wie kam das? In Kalifornien gilt der Führerschein fünf Jahre, nach deren Ablauf man ihn ohne erneute Prüfung gegen eine Gebühr von $31 verlängern kann. In der Regel geht das ganz schmerzlos per Post oder über das Internet. Bei der dritten Verlängerung verlangt die Führerscheinstelle hingegen einen Augentest, den man natürlich nur persönlich vor Ort absolvieren kann.
Bei mir war dieses Jahr der Augentest fällig. Also machte ich einen Termin beim DMV (der Führerscheinstelle) aus, und da San Francisco so bald nichts frei hatte, wich ich kurzentschlossen nach San Mateo aus, eine ca. 20 Autominuten südlich von San Francisco gelegene Kleinstadt. Michael zog mich natürlich tagelang damit auf, dass ich den Augentest nicht bestehen würde, aber alles klappte hervorragend, wobei ich gestehen muss, dass der Test noch aus einem anderen Zeitalter stammt. Hinter dem Schalter hängen drei Tafeln mit jeweils fünf Reihen mit fünf Buchstaben, und der Schalterbeamte bestimmt die Nummer der Tafel und die Reihe, die vorzulesen ist. Die Buchstaben der ersten Reihe sind am größten, die der letzten jeweils am kleinsten. Ich musste dann drei Reihen auf verschiedenen Tafeln vorlesen, eine mit beiden Augen, und die anderen mit jeweils nur einem Auge, während das andere zugedeckt war. Wenn man jeweils mindestens die mittlere Reihe lesen kann, gilt der Test als bestanden. Dann wurde noch schnell ein neues Foto geschossen und der Fingerabdruck meines Daumens abgenommen. Der Schalterbeamte händigte mir einen vorläufigen Führerschein, sprich einen Zettel, aus, und sagte mir, dass der neue Führerschein mir in den nächsten Wochen zugeschickt würde, und schwupps, war ich wieder draußen.
Gutgelaunt machte ich mich also auf den Weg nach Hause, kam aber nur bis zur zweiten Kreuzung, als ich im Rückspiegel einen Polizisten auf einem Motorrad mit eingeschalteter Lichtorgel sah, der mich zum Anhalten zwang. Krampfhaft versuchte ich mich daran zu erinnern, was ich wohl falsch gemacht hatte, war mir aber keiner Schuld bewusst. Ich hielt also an, kurbelte das Fenster runter, tat meine Hände brav aufs Lenkrad, damit der gute Mann nicht durch unbedachte Handbewegungen irritiert würde und fragte, ob ich etwas falsch gemacht hätte. Der Polizist fragte dann ganz unschuldig zurück, ob ich denn das Schild nicht gesehen hätte, das das Linksabbiegen an der Kreuzung verbot.
Nein, das hatte ich nicht bemerkt. Ich wusste noch nicht einmal von welcher Kreunzung er sprach. Also kontrollierte er zunächst meine Papiere, fragte mich, ob ich schon jemals ein Strafmandat wegen Falschfahrens (Nein, hatte ich nicht!) bekommen hätte und bemerkte gleich beruhigend, dass ich dann ja zur Verkehrsschule (Traffic School) gehen könnte, um keinen Punkt zu bekommen. Ha! Ich versuchte natürlich mit einer Verwarnung davon zu kommen, aber der Mann blieb hart, denn er behauptete steif und fest, dass an der Kreuzung nicht nur ein sondern gleich zwei Schilder auf das Linksabbiegeverbot aufmerksam machen und außerdem noch ein Pfeil auf den Boden gemalt war. Bei nur einem Schild hätte er über eine Verwarnung nachgedacht.
Lustig war dann noch, als der Polizist mich fragte, wo ich denn gerade herkäme und ich antworte, dass ich bei der Führerscheinstelle beim Augentest war. Da musste selbst er lachen. Nun ja, der Spaß kostete mich schlappe $300 und so einige Zeit und Nerven wegen der Verkehrsschulung, die ich zwar wie Michael Online durchführte (Rundbrief 05/2008), die mich aber stellenweise an den Rand des Wahnsinns trieb. Als das Programm mich nämlich belehrte, dass jeder Autofahrer darauf achten müsste, dass er über genung Mobilität im Nackenbereich verfügte, um über die Schulter zu gucken, fühlte ich mich an amerikanische Gebrauchsanweisungen erinnert, die auflisten, dass die Katze nicht in die Mikrowelle zu stecken ist.
Michael Neulich fuhr Angelika mit einem Nagel in einem fast platten Autoreifen heim. Zum Glück hat unsere Rakete eine $15-Pumpe aus China im Kofferraum, die ich in den Zigarettenanzünder einstöpselte und die dann unter Abgabe eines 10-minütigen Höllenkrachs den Reifen wieder auf Normaldruck brachte. Damit fuhr ich zum Riesensupermarkt Costco, der laut Internet einmal bei ihm gekaufte Reifen kostenlos repariert.
In Amerika ist es durchaus üblich, dass man Löcher in Reifen flickt, aber dem Costco-Fritzen war dieser Fall dann doch zu heikel, da der Nagel nur 1cm vom Rand entfernt im Reifen steckte. Außerdem führte der Laden das vor eineinhalb Jahren gekaufte Modell nicht mehr, aber der Verkäufer versicherte mir, dass ich Geld zurückbekäme, falls ich das Reifenmodell irgendwo anders auftriebe und den alten Reifen mit dem drinsteckenden Nagel dann beim Costco umtauschte.
Im Internet wählte ich zielstrebig den Superreifenhändler tirerack.com an, der den Reifen für $59 plus $16 Versandgebühren anbot. Weil "Tire Rack" aus dem Bundesstaat Indiana aus operiert, fiel nicht einmal die kalifornische Verkaufssteuer an. Und nur zwei Tage später stellte der UPS-Zusteller den Reifen vor unserer Wohnungtür ab! Er war nicht mal verpackt, nur ein Etikett mit unserer Adresse klebte darauf. Würde ich bei UPS arbeiten, hätte ich ihn wahrscheinlich vom Aufzug aus mit Schwung durch den Gang zur Tür gerollt!
Bestellt man bei Tire Rack, kann man die Internetreifen auch direkt zu einer von dutzenden von Werkstätten vor Ort liefern lassen, die sie dann fachgerecht montieren. Der Costco montiert allerdings keine Reifen, die man nicht dort kauft. Ich musste, so riet der Costco-Mann, nun zu einem Mechaniker im mexikanischen Stadtteil Mission, dessen Visitenkarte er mir aushändigte, um den Reifen für $25 montieren zu lassen. In Vorort South San Francisco hätte es einer für $15 erledigt, aber so weit wollte ich mit dem Notrad nicht fahren. Anschließend fuhr ich zurück zum Costco, legte den alten Reifen vor und bekam, da sich weniger als 50% Profil darauf befand, 50% des Originalkaufpreises, also $55, zurückerstattet, nicht schlecht!
Warum man Reifen mit Nägeln drin umtauschen kann, war mir zwar nicht ganz klar, doch wer viel fragt geht bekanntlich "lang irr", wie man in Bayern sagt. Der Mann am Umtauschschalter erkundigte sich noch bei mir, was mit dem Reifen nicht in Ordnung wäre, und ich erwiderte, dass ein Nagel drin stecke und die Reifenfritzen ihn nicht reparieren konnten. Klaglos buchte er mir die $55 auf meine Kreditkarte zurück. Das nenn' ich Kundenservice ...
Michael Bildet man eine Fahrgemeinschaft, geht bei Kindern und Jugendlichen oft ein Gezänke darum los, wer nun vorne sitzen darf und wer auf die Rückbank muss. Deshalb ist es in Amerika üblich, dass derjenige, der zuerst "Shotgun!" ("Schießgewehr") ruft, auf den Vordersitz darf. Es herrschen regional unterschiedliche Regeln, aber meist ist es auf einem Parkplatz erst dann gestattet, "Shotgun!" zu rufen, wenn das Auto sich in Sichtweite befindet. Im Streitfall muss der Rufer dies durch Deuten auf das geparkte Automobil nachweisen.
Der Begriff "Riding Shotgun" stammt aus den Zeiten des Wilden Westens, da damals neben dem Kutscher auf dem Kutschbock bei gesicherten Transporten ein bewaffneter Wachposten mitfuhr. In Abbildung 23 seht ihr eine Szene aus dem Film "Stagecoach" mit John Wayne, die links den Kutscher und rechts den Wachposten mit dem Gewehr zeigt. Eine der ersten Nennungen des Begriffs "Riding Shotgun" findet sich nach Wikipedia in dem Buch "The Sunset Trail" von Christopher Keeney aus dem Jahr 1905. Auch heute noch bezeichnet "Riding Shotgun" die Fahrt auf dem Beifahrersitz und "Calling Shotgun" die Inanspruchnahme desselben.
Michael Ein knisterndes Feuer im Kamin verbreitet wohlige Wärme und eine gemütliche Atmosphäre. Allerdings brennen bei uns statt Holzscheiten eher 4-Stunden Duraflame-Logs aus dem Supermarkt (Rundbrief 11/2004), denn Holz zu verfeuern verursacht nicht nur Arbeit bei der Beschaffung, sondern erfordert auch ständiges Nachlegen.
Diese Art der Wärmegewinnung ist allerdings ökologisch nicht ganz einwandfrei, und deshalb verbietet die Stadt San Francisco das Verbrennen von Material im Kamin an besonders heißen oder stickigen Tagen. Das betrifft nicht nur die handvoll Tage, die zum offiziellen Spare-the-Air-Day (Rundbrief 07/2006) ausgerufen werden und an denen öffentliche Verkehrsmittel teilweise umsonst fahren.
Ob Kaminfeuer an einem bestimmten Tag nun erlaubt sind oder nicht, kann man einfach auf der Air Quality Forecast im Internet nachsehen. Steht dort ein grünes Zeichen, darf man zündeln, falls es allerdings rot ist, ist es bei Strafe verboten. Man munkelt, dass mobile Trupps die Stadt an den verbotenen Tagen durchkreuzen, und Kamine auf verdächtige Rauchschwaden hin observieren. Der gesetzestreue Bürger schreibt sich auf baaqmd.gov ein und bekommt dann Emails mit den aktuellen Bedingungen zugestellt. Nachtrag 01/2014: Die Postille Half Moon Bay Patch berichtet, dass Umweltsünder, die während der Spare-The-Air-Tage Holz im Kamin abbrennen, 100 Dollar Strafe zahlen müssen.
Allerdings gilt das Verbot nur an bestimmten Tagen während der "Spare the Air Season" von Anfang November bis Ende März. Im April konnten wir wieder Einfeuern, was das Zeug hält und die Wohnung bei schlotterigen 13 Grad Celsius Außentemperatur mollig warm gestalten.
Michael Aktieninvestoren erfreuen sich hierzulande erstaunlich großzügiger Steuerregelungen. So zahlt man auf Aktiengewinne nur eine Long Term Capital Gains Tax genannte Pauschalsteuer von maximal 15%, falls zwischen Kauf und Verkauf einer Aktie mindestens zwölf Monate liegen.
Damit fördert der Staat besonders die Superreichen, die mit diesem Verfahren Milliardengewinne abschöpfen und davon lächerliche 15% Steuern abführen. Der Milliardär und Aktienfuchs Warren Buffet hat einmal behauptet, dass sein Steuersatz geringer als der seiner Sekretärin sei. Der Mann hält sein Gehalt bewusst niedrig, und bezieht den Löwenanteil seines Einkommens aus langfristigen Kursgewinnen sorgfältig ausgesuchter Aktien.
Auf der anderen Seite profitiert der Staat von langfristigen Investitionen der Superreichen in Aktien amerikanischer Unternehmen. Auf Zinsen aus Pfandbriefen oder Sparguthaben müssten die Superreichen irre Steuersätze zahlen, und deswegen pumpen sie ihre Milliarden lieber in die risikoreicheren Aktien. Daytrader, die Spekulationsgewinne durch kurzfristige Käufe und Verkäufe realisieren, sind dem Staat dabei ein Dorn im Auge, aber durch die Zwölfmonatsregel schauen sie in die Röhre und müssen Gewinne als normales Einkommen versteuern.
Eine weitere interessante Regel greift bei Verlusten: Diese zieht der Steuerfuchs von vorliegenden Aktiengewinnen ab und versteuert nur was unterm Strich übrig bleibt. Falls ihre Aktiengeschäfte in einem Jahr insgesamt einen Verlust einfahren, dürfen Bürger sogar bis zu $3000 von ihrem sonstigen Einkommen abziehen. So kriegen sie zwar das verlorene Geld nicht ersetzt, zahlen aber zumindest auf den verpulverten Betrag keine Einkommenssteuer, und die kann, wie schon einmal in Rundbrief 11/1999 erläutert, für Besserverdiener in Kalifornien fast 50% betragen. Übersteigt der Verlust $3000, darf der Steuerzahler den Restbetrag auf kommende, hoffentlich erfolgreichere Jahre anrechnen, doch nie mehr als $3000 im Jahr.
Aber auch hier schützt sich der Staat vor Spekulanten. So könnte jemand, der eine abgestürzte Aktie besitzt, diese mit Verlust verkaufen, den Verlust absetzen, dann aber sofort wieder nachkaufen, um den Gewinn abzusahnen, falls der Kurs sich kurz darauf wieder erholt. Doch der Steuergesetzgeber ist nicht auf den Kopf gefallen, denn er nennt eine Transaktion, bei der zwischen Verkauf und Neukauf einer Aktie weniger als 30 Tage liegen, einen "Washsale", und verbietet das Absetzen des Verlusts.
Dies gilt übrigens auch dann, falls der Nachkauf vor dem verlustreichen Verkauf erfolgte, denn sonst könnte man die Washsale-Regel ja einfach umgehen, indem man einen zweiten Posten der Aktie billig nachkauft, und kurz danach den ersten Posten verkauft und den Verlust absetzt. Auch hier müssen zwischen beiden Transaktionen mindestens 30 Tage liegen, sonst trägt der Anleger den Verlust zur Gänze selbst. Verkauft man die Aktien mit Gewinn, spielt ein "Washsale" keine Rolle, denn man kann ja nichts absetzen. Steuerprogramme wie "Turbo Tax" kennen die Regel natürlich aus dem Eff-Eff und tragen eventuell abzusetzende Beträge korrekt ein. Aber wenn ihr die Definition des Begriffs "Washsale" herunterrattern könnt, wisst ihr mehr über das amerikanische Steuerrecht als 99% aller Amerikaner.
Angelika Es ist vollbracht: Obama unterschrieb am 23. März den "Patient Protection and Affordable Care Act" und besiegelte damit in einem historischen Schritt die (fast) nationale Krankenkasse. Zuende ging auch monatelanges Streiten, Haareraufen und Debattieren. Zwar ist das Gesetz nicht perfekt, denn es beinhaltet viele faule Kompromisse, aber immerhin sieht es vor, dass ab dem Jahr 2014 fast alle Amerikaner und legalen Einwohner eine Krankenversicherung haben müssen.
Bis 2014 ist es natürlich noch lange hin, aber auch schon 2010 werden wichtige Teile des Gesetzes in die Tat umgesetzt. Vor allen Dingen die sogenannten Ausschlussklauseln der privaten Versicherer für individuelle Policen verschwinden sofort: Krankenkassen dürfen Mitglieder nicht mehr aus der Krankenkasse werfen, wenn sie krank werden. Das hört sich jetzt absurd an, war aber bisher gängige Praxis auf dem freien Markt. Auch ist es den privaten Krankenversicherungen nun untersagt, festzulegen, wieviel ein Patient während seines Lebens an Kosten verursachen darf. Es gab nämlich Verträge mit einer Klausel, die besagte, dass zum Beispiel nach einer Million Dollar Schicht im Schacht ist.
Dieses Verfahren nennt man die sogenannte "Lifetime Cap". Zugegeben, nicht jede Versicherung hatte diesen Passus eingebaut, wir hatten zum Beispiel noch nie eine Begrenzung bei unseren Versicherungen. Doch bei preisgünstigeren Varianten kam es durchaus vor, und eine Million ist unter Umständen schnell aufgebraucht, vor allen Dingen bei den absurden Preisen des amerikanischen Gesundheitssystems. Weiter dürfen jetzt Eltern erwachsene Kinder bis zum Alter von 26 Jahren mitversichern.
Und Vorerkrankungen (pre-existing conditions) dürfen bei Kindern ab sofort nicht mehr ausgeschlossen werden. Leidet ein Kind zum Beispiel an Asthma, darf bei einem Versicherungswechsel die neue Versicherung sich nicht mehr weigern, Kosten, die wegen des Athmas anfallen, zu bezahlen. Erwachsene, die aufgrund von Vorerkrankungen in keiner auf dem freien Markt erhältlichen Versicherung unterkamen, können zwischen heute und 2014 in eine sogenannte nationale Hochrisikoversicherung eintreten.
Ab 2014 geht es dann richtig in die Vollen: Die Krankenkassen dürfen dann niemanden mehr wegen Vorerkrankungen zurückweisen. Jede Firma ab 50 Angestellten muss den Mitarbeitern eine Krankenkasse anbieten oder eine Strafe von $2000 pro Mann zahlen. Auch Selbständige kommen nicht mehr darum herum, sich zu versichern. Geringverdiener erhalten steuerliche Vergünstigungen, die dabei helfen sollen, Krankenkassenprämien zu bezahlen.
Angelika In den USA gibt es ja bekanntlich kein Meldegesetz, theoretisch weiß der Staat also nicht, wer wo wohnt. Nun ist es aber durchaus wichtig zu wissen, wieviele Einwohner in einer bestimmten Region oder in einem bestimmten Bundesstaat leben, denn staatliche Gelder werden oft proportional zur Bevölkerungsdichte verteilt. Alle 10 Jahre (Rundbrief 05/2000) zählt der Staat deshalb seine Schäfchen, und auch in diesem Jahr füllte ich brav den Fragebogen aus und schickte ihn sofort zurück. Einige Tage später kam sogar noch ein Erinnerungskärtchen für säumige Ausfüller an.
Um die Volkszählung wird hier wirklich ein großes Tamtam gemacht, denn viele schicken die Fragebögen nicht zurück, weil sie entweder nicht legal im Land sind oder sonstwie Angst haben, entdeckt zu werden. Die Behörde versichert stets, dass sie die Daten nur zu statistischen Zwecken nutzt.
Viele Immigranten verstehen auch aufgrund mangelnder Englischkenntnisse gar nicht, worum es geht. Seit Mai schickt die Volkszählungsbehörde (US Census Bureau) deswegen Mitarbeiter von Tür zu Tür, um den Haushalten beim Ausfüllen der Fragebögen zu helfen und somit doch noch eine genaue Zählung hinzubekommen. Die Behörde investierte sogar 2,5 Millionen Dollar für einen 30 Sekunden langen Volkszählungs-Werbespot während der Fernsehausstrahlung des Super-Bowl-Spiels im Februar. Der Super Bowl ist das Finale der amerikanischen Football-Profiliga und gilt als Sportereignis mit den höchsten Einschaltquoten des Jahres. Lustigerweise verfolgen die Zuschauer nicht nur mit Interesse das Spiel sondern eben auch die Werbespots. Firmen reißen sich wegen der hohen Einschaltquoten geradezu darum, Werbefilme in den Spielunterbrechungen zu zeigen, obwohl sie irre Summen dafür hinblättern müssen. Für Einwohner, die nur chinesisch sprechen, wurde auf dem chinesischen Kanal sogar eine chinesische Version angeboten.
Den Zehn-Jahres-Turnus der Volkszählung schreibt übrigens die amerikanische Verfassung vor. Es geht darum, alle Bürger zu zählen, die in den USA wohnen, also amerikanische wie nicht amerikanische Staatsbürger (legale und illegale gleichermaßen). Diese Praxis ist natürlich nicht unumstritten, denn basierend auf den Ergebnissen der Volkszählung wird festgelegt, wieviel Abgeordnete der jeweilige Bundesstaat in das Repräsentantenhaus ("House of Representatives") entsenden darf und wieviel Wahlmänner der Bundesstaat stellt, um den Präsidenten der Vereiningten Staaten zu wählen. Indirekt haben somit Nichtwähler einen nicht unbedeutenden politischen Einfluss. Wir zählen auch zu dieser Gruppe, denn nur amerikanische Staatsbürger dürfen in den USA wählen.
Grüße aus San Francisco im Mai:
Angelika & Michael
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