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(Angelika) Wir verreisen ja bekanntlich gern und dulden keine weißen Flecken auf unserer Landkarte. Wie manche von euch wissen, lernten wir uns anno dazumal in Las Vegas in einer Autovermietungsfirma kennen und fuhren mit einer spontan zusammengewürfelten Gruppe, bestehend aus 8 Leuten, durch die Nationalparks des amerikanischen Westens: Grand Canyon, Bryce Canyon, Canyonlands, Arches. Der Zion (sprich: "Sei-on") Nationalpark stand damals auch noch auf dem Programm, aber die Zeit wurde knapp und ein Wintersturm zog auf, sodass wir nur kurz durch den Park brausten. Ich glaube, wir schossen einige Fotos, aber die Erinnerung an diesen Park war mehr als verblasst. Das galt es zu ändern: Wir setzten uns also Anfang November ins Flugzeug nach Las Vegas, stiegen dort für zwei Nächte im Hotel MGM Grand ab, um dann von dort mit dem Mietauto zum Zion Nationalpark weiterzufahren.
Vom MGM blickten wir auf das Motel 6, in dem vor fast 17 Jahren meine Freundin Marianne und ich nächtigten. Michael hatte sich mit seinem Studienkollegen Christian die Jugendherberge ausgesucht. Das MGM gab es damals noch gar nicht: Typisch Las Vegas, die eindeutig surrealste Stadt Amerikas, die sich stets im rasenden Tempo ändert. Nur eines zeigte für Las-Vegas-Verhältnisse bis vor kurzem Bestand: Die Show der deutschstämmigen Magier Siegfried und Roy. Ihr wisst schon, dass sind die mit den weißen Tigern. Seit fast 30 Jahren trat das Duo in Las Vegas auf, bis vor kurzem ein Tiger den dunkelhhaarigen Roy im Oktober auf der Bühne angriff und schwer verletzte. Ganz Las Vegas trauerte, als wir es besuchten.
Aber nun zum Zion: Die Landschaft des amerikanischen Westens fasziniert mich, seitdem ich sie 1987 das erste Mal sah. Das mag auch daran liegen, dass es in Europa nichts Vergleichbares gibt. Der Zion Nationalpark lässt sich durchaus als Gebirge beschreiben, hat aber mit den Alpen nichts gemein. Die gigantischen, schroffen Felsen schimmern rot, orange und ocker. Ein Fluss zwängt sich durch die gewaltigen Schluchten. Den Zion-Park muss der Besucher erwandern, um ihn richtig zu erleben. Das taten wir natürlich.
Als absoluter Höhepunkt gilt die Wanderung mit dem poetischen Namen "Angel's Landing" (=Landeplatz der Engel). Dahinter versteckt sich ein recht beschwerlicher Aufstieg, der zunächst zum Aussichtspunkt "Scout's Lookout" und dann fast einen Kilometer über einen schmalen Bergkamm führt. Es wunderte mich etwas, dass die Parkbroschüren vehement unterstrichen, dass die letzte halbe Meile nichts für kleine Kinder und Leute mit Höhenangst sei. Arrogant -- obwohl ich ein rechter Schisser bin, wenn es um Höhen geht -- ignorierte ich die Warnung, weil ich es einmal wieder für eine übertriebene amerikanische Vorsichtsmaßnahme hielt.
Ha, das hielt solange an, bis wir Scout's Lookout erreichten und ich in der Ferne kleine Punkte auf einem haarnadeldünnen Grat herumklettern sah: Rechts und links ging es 500 Meter in die Tiefe. Bei den Punkten handelte es sich um "todesmutige" Wanderer, für die das Wort "Höhenangst" nicht existierte. Nach einem kläglichen Versuch, den Bergkamm doch zu bezwingen, deklarierte ich nach 100 Metern Scout's Lookout als meinen Gipfel. Für Michael, der ja bekanntlich das Abenteuer liebt, gab es kein Halten. So bezwang er, sich an Ketten langschängelnd den Gipfel, während ich mit den zarterbesaiteten Seelen am Aussichtspunkt zurückblieb und Gruselgeschichten austauschte. Zum Beispiel, dass letztes Jahr ein Mann seine Frau vom Bergkamm in die Tiefe schubste, um sie zu ermorden, nachdem er zuvor ihre Lebensversicherungssumme erhöht hatte.
Nach einer Stunde kam Michael wohlbehalten wieder zurückgestiefelt und präsentierte mir auf seiner digitalen Kamera einen Kurzfilm von Angel's Landing.
Video: Angel's Landing: Nichts für Leute mit Höhenangst |
Schon beim Ansehen der Bilder schwindelte es mich. Als Michael mir dann noch erzählte, dass einige Wanderer an besonders engen Stellen auf dem Hintern rutschten, um weiterzukommen, dachte ich mir, man muss wirklich nicht alles live erleben.
Auf der Rücktour vom Zion machten wir einen kleinen Abstecher in den wenig bekannten Valley of Fire State Park, der etwa 45 Autominuten von Las Vegas entfernt liegt. Eine bizarre Wüstenlandschaft mit Sandsteinformationen einschließlich prähistorischer Indianerzeichnungen erwartete uns. Die Felsen leuchteten in der Sonne Nevadas in den gigantischsten Farben. Also, liebe Rundbriefleser, falls ihr mal in der Gegend und des Glücksspiels müde seid, fahrt in diesen Park - ein absoluter Geheimtipp.
Um den Park ausgiebig zu erkunden, übernachteten wir in dem nahe gelegenen "Overton", das neben einem Best Western Motel, einem Supermarkt und zwei Restaurants nicht viel an Aufregendem bot. Wenn wir durch die Weiten Amerikas reisen, haut mich stets aufs Neue um, in welchen Käffern (he, ich bin ein Stadtmensch) die Leute so leben. In Overton kommt hinzu, das es mitten in der Wüste liegt. Alles war staubtrocken und von einer gräulichen Schicht überzogen. Die Frage quälte mich, wie die Menschen es hier nur im Sommer aushalten, wenn das Thermometer in unerträgliche Höhen steigt.
Der Besitz eines überdimensionierten Autos ("truck") mit Anhänger hilft in Overton scheinbar gegen aufkommende Langeweile. Auf dem Anhänger befindet sich meist ein Jeep-ähnliches Gebilde, mit dem man querfeldein durch die Wüstenlandschaft braust. Wer's mag! Aus Ermangelung von Alternativen gingen wir an einem Abend zum Chinesen und am anderen zu einem Diner namens "Sugar's" zum Essen. Dort fielen wir gleich unangenehm als Touristen aus der Großstadt auf, denn Michaels Kopf zierte keine Baseball-Kappe. Als er dann noch die Bedienung fragte, ob sie lokale Microbrews (=oft sehr gute Biere aus kleinen Brauereien) servierten, was mich vor Scham im Boden versinken ließ und diese ihn daraufhin anguckte, als käme er vom Mond, waren wir in dem Lokal vollends als Snobs verschrien. Nur gut, dass uns dort keiner kannte.
Lustig war auch, dass unsere erste Bedienung Michaels Bierbestellung nicht entgegennehmen durfte. Sie erklärte uns freundlich, dass sie noch nicht 21 sei, aber gerne ihre ältere Kollegin an unseren Tisch schicke. Ihr erinnert euch: Erst mit 21 darf man in den meisten Bundesstaaten Amerikas Alkohol kaufen. Dass das Mädel Michael sein Bier aber nicht einmal servieren durfte, wunderte uns dann doch etwas, denn der Bundesstaat Nevada -- schließlich liegt hier Las Vegas -- gilt eigentlich als eher locker, wenn es um "lasterhafte" Verhaltensweisen geht. Vergleichbare Strenge erlebten wir sonst nur in Utah, dem Bundesstaat mit extrem hohen Mormonenanteil, in dem der Zion Nationalpark liegt. Das Kaufen von Alkohol ist hier ähnlich limitiert wie in Finnland. Im Supermarkt gibt es z.B. Bier aber keinen hochprozentigeren Wein. Zurück nach Overton: Am nächsten Tag erwarben wir im Supermarkt eine Flasche Sekt und einige andere Dinge. Es stand ein blutjunger Hüpfer (scheinbar arbeiten in Overton nur Teenager) an der Kasse und als die Sektflasche den Scanner fast erreichte, stoppte die Kassiererin, rief ihre Vorgesetzte über die interne Sprechanlage und sagte, dass sie den Sekt nicht abkassieren dürfe, denn sie sei unter 21 ("under age" wie es hier heißt). Ahhhh!!!!
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