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(Michael) Wird jemand in Amerika wegen eines Verbrechens verhaftet, gibt es -- wie in Deutschland auch -- die Möglichkeit, dass der Untersuchungsrichter den Gefangenen bis zur eigentlichen Gerichtsverhandlung auf Kaution freigibt. Besteht keine direkte Fluchtgefahr, ist das durchaus üblich. Wegen Kleinigkeiten wie Marihuana-Besitzes sind etwa 5.000 Dollar beim Gericht zu hinterlegen, bei schwereren Verbrechen kann die Summe aber schnell mal 100.000 Dollar erreichen. Bei Michael Jackson waren es kürzlich 3 Millionen Dollar. Die Kaution gibt's zurück, wenn der Angeklagte zur Gerichtsverhandlung erscheint.
Wer das dringend benötigte Geld nicht hat oder von der Bank bekommt, für den gibt's in den USA eine spezielle Industrie: Die "Bondsmen", die "Bail Bonds" (Kautionsbürgschaften) ausstellen. Diese Kleinbetriebe siedeln sich üblicherweise rund um die Gerichte an. In etwas zwielichtigen Büros der Marke "Phil Marlowe" stellen sie den ebenfalls zwielichtigen Angeklagten gegen eine ordentliche Gebühr (etwa 10% der Kautionssumme) Bürgschaften aus. Um das Risiko im Rahmen zu halten, wird der Bondsman zunächst versuchen, Verwandte des Angeklagten und seinen Eigenbesitz einzuspannen, aber zu einem nicht unerheblichen Teil muss er dem Angeklagten wirklich trauen und ein kalkuliertes Risiko eingehen: Falls der Angeklagte nicht zur Verhandlung erscheint, muss der Bondsman dem Gericht die volle Kautionssumme zahlen.
Vor dem "San Francisco Criminal Court" in der Bryant-Street im SoMa gibt's ein paar Dutzend dieser kleinen Büros, die oft mit charmanten Schildern bei den bösen Jungs für ihre Dienste werben. Die Fotos für dieses Rundbriefthema hat der mit dem Fahrrad durchs SoMa rasende Rundbriefreporter mit zitternden Händen geschossen, denn die schrägen Typen, die dort zugange sind, lassen nicht mit sich spaßen. Die Firma "Bad Boys Bail Bonds" ist übrigens landesweit bekannt, die macht sogar Werbung im Fernsehen. Und sogar "Aladdin Bail Bonds" und "Dad's Bonds" gibt's!
Büchst der Angeklagte tatsächlich aus und erscheint nicht zum Verhandlungstermin, was in etwa 20% aller Fälle vorkommt, hat der Bondsman ein Problem und nur noch eine Chance: Er muss den Angeklagten innerhalb der so genannten "Grace Period" (in Kalifornien 6 Monate) herbeischaffen und bei der Polizei abliefern -- sonst wird's teuer. Für diesen Fall halten sich viele Bondsmen so genannte "Bounty-Hunter", verwegene Kopfgeldjägertypen, die im Ernstfall ausrücken und versuchen, den Ausgebüchsten mit Methoden hart am Rande der Legalität einzufangen und gegen eine vom Bondsman gezahlte Prämie (meist 10% der Kautionssumme) abzuliefern.
Da gibt es legendäre Gestalten wie Ray Hawkins, einen verwegenen Bounty-Hunter, der behauptet, in seinen mittlerweile 50 Dienstjahren 7000 Ausgebüchste eingefangen zu haben! Die professionellen Bounty-Hunter leisten ganze Arbeit: In 87 Prozent aller Fälle schleppen sie die Flüchtigen an. Und sie müssen nicht mal zimperlich mit ihnen umgehen: Nach einem Urteil des Supreme-Courts von 1873 dürfen die Bounty-Hunter den Kautionsflüchtling, der bis zur offiziellen Festnahme als eine Art Ware gilt, sogar bei sich daheim einsperren, bis sie ihn sicher bei der Polizei abliefern können.
Früher war das Bounty-Hunter-Geschäft relativ unreguliert, erst seit Januar 2000 gibt es in Kalifornien ein Gesetz für die Ausbildung von Bounty-Jägern. Es schreibt vor, dass der zukünftige Fänger einen 40-stündigen Kurs über Verhaftungstechniken absolviert, einen 12-Stunden-Gesetzeskurs mit Schwerpunkt Kautionsgesetz und eine 3-stündige Ausbildung zum Wachmann. Wieviele Bounty-Hunter es in den USA gibt, weiß man nicht genau -- die Schätzungen gehen von 1200 bis 7000.
In Kalifornien müssen Bounty-Hunter mindestens 18 Jahre alt sein (zum Vergleich: Erst ab 21 darf man Alkohol im Supermarkt kaufen), und ohne Dellen im polizeilichen Führungszeugnis. Um einen Flüchtigen festzunehmen, müssen sie nicht mehr als 6 Stunden vorher bei der Polizei Bescheid sagen. Sie dürfen auch nicht einfach willkürlich in irgendwelche fremden Wohnungen einsteigen oder die Leute mit Uniformen oder Erkennungsmarken täuschen. Spätestens 48 Stunden nach einer erfolgreichen Verhaftung müssen sie den Flüchtigen im Polizeirevier abgeben.
Für Erfolg in diesem rauhen Geschäft braucht der Bounty-Hunter einen guten Draht zur Unterwelt und ein Händchen für den Umgang mit bösen Jungs. Er muss wissen, wo die Unterwelt-Bars sind, in der die schrägen Vögel abhängen. Er schnüffelt wie ein Privatdetektiv bei Angehörigen und verflossenen Freundinnen herum, die dem Vogel eventuell eins auswischen wollen. Er verstreut Gerüchte in der Unterwelt und bringt die aufgeschreckten Gauner dazu, bei getürkten Telefonnummern anzurufen, die dann wiederum das anrufende Telefon lokalisieren.
Einer der berühmtesten Bondsmen von San Francisco ist kein Mann sondern eine 60-jährige Frau namens Mackenzie Green von der Bail-Bond-Agentur "Mackenzie Green and Partner", die bekannt dafür ist, dass sie fast jede Bürgschaft übernimmt. Für den Fall, dass einer ihrer Klienten sich verdünnisiert, hält sie sich ein paar Muskelmänner als Unterstützung, geht aber nach wie vor -- für den "Kick" -- selbst auf Bounty-Jagd.
Habt auch ihr Abenteuerluft geschnuppert? Auf dem Internet gibt's ein Ausbildungsseminar zum Bounty-Hunter und sogar ein Zertifikat für das Bail-Enforcement-Training.
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